Skrupellos, gerissen, unentbehrlich: Filmfeinde

Von Lara Luttenschlager

Filme nehmen uns mit auf große Reisen. Und zwar meist auf die Reise des Helden der Geschichte, die sie erzählen. Was aber macht eine gute Geschichte aus? Richtig, Spannung. Durch einen richtig guten Feind. Werfen wir doch einmal einen Blick auf fünf der besten Feinde der Filmgeschichte!

Die Heldenreise, ein dramaturgisches Modell des Mythenforschers Joseph Campbell, gliedert Geschichten in diverse Stationen, die der Protagonist durchlebt. Von Christoph Vogler weiterentwickelt, ist gerade in Hollywood so manch ein Drehbuch als Heldenreise aufgebaut, darunter Star Wars, Pretty Woman und Das Schweigen der Lämmer, um nur einige zu nennen. Eine der wichtigsten Stationen, welche sich ganz oben auf dem Spannungsbogen befindet, ist die Schlacht gegen den Schatten, der alles Böse repräsentiert und durch den Gegenspieler des Helden verkörpert wird. Indem er Konflikte schafft und der Hauptfigur das Leben schwer macht, ist er der widerwärtige Kontrahent, der die Handlung vorantreibt. Denn was ist schon ein noch so bewundernswerter Held, wenn er sich nicht beweisen kann? Je stärker der Feind, desto spannender der Film, könnte man sagen.

Gordon Gekko: Gier ist gut!

Gordon GekkoGordon Gekko, der skrupellose Manager aus Wall Street (1987), der aus dem Aktiengeschäft ein größenwahnsinniges Spiel auf Kosten tausender Arbeitnehmer macht, ist wohl das beste Beispiel dafür, dass Filmbösewichte mit den Feindbildern ihrer Zeit gehen. Schon fast karikativ verkörpert er alles erdenklich Abstoßende, was uns zu einem waschechten Kapitalisten einfallen kann: Er ist kalt, hinterhältig, egoistisch, unendlich gierig und auch noch stolz darauf. Umso ehrenhafter steht am Ende sein Broker Bud Fox da, der nach einem kurzen Trip in die entfesselte Finanzwelt bald angewidert abdankt und lieber zahlreiche Arbeitsplätze rettet. Nach der Ölkrise Ende der 1970er und dem Börsencrash im Erscheinungsjahr des Films entstanden neue Gesetze zum Insiderhandel – eines jener Vergehen, die Gekko begeht. Investmentprofi James Tomilson Hill, der angeblich als Vorbild für die Rolle Gekkos diente, ist inzwischen übrigens Milliardär.

Alonzo Harris: Dein täglich Feind und Henker

Alonzo HarrisAuch Training Day (2001) erscheint zur Geburtsstunde eines neuen Feindbildes: Es ist die Zeit des Rampart-Division-Skandals, als weitgehende Verbindungen von Mitgliedern des Los Angeles Police Departments zu kriminellen Gangs, Morden und Drogenhandel öffentlich werden, die Zeit der Ermittlungen zur Verwicklung der Polizei im Vergeltungsmord des East-Coast-Rappers The Notorious B.I.G.. Auch in Training Day terrorisiert Polizist Alonzo Harris ärmere Viertel in L.A., mordet, nimmt Drogen und ist brutaler und unberechenbarer als jeder Gang-Leader. Die Rolle Alonzos und das Feindbild, das sie bedient, kollidieren stark mit dem traditionellen Bild des ehrenhaften, gerechtigkeitsliebenden Polizisten, das bis dahin in medialen Darstellungen dominiert hatte. Nicht nur für die Bevölkerung, auch für den jungen, idealistischen Polizisten Jake Hoyt, der ihn einen Tag lang begleitet, entpuppt sich der korrupte Cop als Alptraum, der tun kann was er will, geschützt durch seine Dienstmarke.

Norman Bates: We all go a little mad sometimes

Das Thema des Psycho-Killers fasziniert die Filmwelt seit jeher. Doch noch vor Halloween (1978), Das Schweigen der Lämmer (1991) und The Texas Chainsaw Massacre (1974), da gab es Hitchcocks Meisterwerk Psycho (1960). Auf den ersten Blick schüchtern und unsicher, versteckt Motel-Besitzer Norman Bates ein unheimliches Geheimnis: Denn im Verborgenen kämpfen er selbst und seine ermordete Mutter um die Vorherrschaft im Körper des schizophrenen jungen Mannes. Schon lange beklagen Wissenschaftler das Stigma, das Hollywood durch die konsequente Verbindung von geistigen Krankheiten mit Gewalt in der Mediengesellschaft verbreitet hat. Auch Bates wollen wir im Dunkeln lieber nicht begegnen: Denn die Mutter in ihm ist furchtbar eifersüchtig auf hübsche junge Frauen, die sie ermordet und anschließend von ihrem Sohn im Sumpf versenken lässt.

Hans Landa, der „Judenjäger“

Mit SS-Offizier Hans Landa macht der Zuschauer in Inglourious Basterds (2009) Bekanntschaft, als dieser genüsslich ein Glas Milch schlürft, bevor er bei der Exekution einer jüdischen Familie ein Blutbad anrichtet. Schon seine Uniform lässt ihn zum ultimativen Feind werden: Als Nazi verkörpert er die abscheulichste Version eines Menschen. Doch Landa ist kein gewöhnlicher Filmbösewicht, denn er überrascht immer wieder mit seinem spitzem Intellekt, unschlagbarem Instinkt und seiner Kultiviertheit. Als Super-Intellektueller, der den Helden der Geschichte immer einen Schritt voraus zu sein scheint und in seinen grausamsten Momenten auch noch kindlichen, verspielten Humor an den Tag legt, fasziniert und stößt er uns zugleich ab.

The Joker: Die Welt einfach nur brennen sehen

Dark knightAuch der teuflische Joker beeindruckt in The Dark Knight (2008) durch seine Intelligenz und Gerissenheit. Er vereint alle „Tugenden“ eines Bösewichts: Skrupel- und ehrenlos, alle Regeln der Gesellschaft verwerfend und hässlich, ergötzt er sich am Leid der Menschen. Doch damit nicht genug, sein eigentliches Ziel ist es, den Menschen zu zeigen, dass sie so moralisch verdorben sind wie er, und die Welt ins Chaos zu stürzen. Den Grund dafür erfahren wir nicht, wodurch Verständnis für den selbsternannten „Freak“ unmöglich wird. Letztlich reflektiert das Aussehen des Jokers sein Inneres: Sein abstoßendes, schmatzendes und vernarbtes Gesicht ist die makabre, deformierte Version eines Clowns, in westlichen Kulturen eigentlich mit Freunde und Fröhlichkeit verbunden. Er ist die Perversion dessen, was ursprünglich positiv war.

 

Fotos: flickr.com/Russ Allison Loar (CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/Giuseppe Graziano Barone(CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/Kyle Lambert (CC BY-NC-ND 2.0)