„Rausgehen, was erleben und dokumentieren“
Ein Portrait über Sarah Lanz
Von Svenja Uhl
Es ist Dienstag, der 22. Februar 2022, 15.20 Uhr. Im Kino Arsenal verstummt das Getu-schel, die Leinwand wird hell und Sarah Lanz darf gespannt dabei zusehen, wie ihr Film „Namibia’s Number Nine“ vom Publikum des Tübinger Filmfestivals LiberTü aufgenommen wird. Die Dokumentation über Frauenfußball in Namibia ist ihre Masterarbeit und gleich-zeitig ihr erstes großes Filmprojekt. Was vor zwei Jahren fast noch unvorstellbar für sie war, ist mittlerweile zu Sarahs Alltag geworden: Als Volontärin der Hamburger Produkti-onsfirma Eikon Nord darf Sarah täglich bei der Produktion von verschiedensten Film- und Fernsehformaten mitwirken. Im Interview erzählt sie von Taxi-Umfragen, Quizshows und Talkrunden mit potenziellen Bundespräsidenten und Friedenskämpferinnen.
Aber zurück zum Anfang. Sarah hat schon in der Schule „Bock, irgendwas mit Film und Fernsehen zu machen“. Nach einem abgebrochenen Studium der Theaterwissen¬schaften rät man ihr jedoch bald, lieber etwas „Bodenständiges“ zu machen. So fängt Sarah ein Biologiestudium an der Uni Tübingen an. Das Fach ist spannend und Naturwissenschaften liegen ihr, allerdings kann sie sich keine berufliche Zukunft in der Forschung vorstellen. Stattdessen interessiert sie sich für Natur-Dokus und fragt kurzerhand bei Oli Häußler nach einem Praktikum bei CampusTV. „Oli hat gemerkt, wie viel Spaß mir die Arbeit bei CampusTV und den französischen Filmtagen gemacht hat und dass ich noch nicht wusste, wie es nach dem Bachelor weitergehen sollte“, erzählt Sarah. „Daher hat er mir vorge-schlagen, mich für den nicht-konsekutiven Master in Medienwissenschaften zu bewerben. Das war definitiv die richtige Entscheidung!“
Praxis an der Uni Tübingen und das Abenteuer Abschlussarbeit
Im Master nutzt Sarah jede Gelegenheit, praktisch zu arbeiten. Ihr gefällt, dass der Studi-engang einen Einblick in viele unterschiedliche Medienbereiche vermittelt, und findet so schnell heraus, was ihr liegt und was nicht. Sie übt, Videos zu schneiden, Inter-viewpartner anzufragen, Projekte zu organisieren, und spricht im Podcast-Interview mit Deutschlands bekanntestem Kriminalbiologen Mark Benecke. Am höchsten schlägt Sarahs Herz aber nach wie vor für den Film. In ihrem Auslandssemester an der NTU in Singapur belegt sie deshalb Kurse im Fach Digital Filmmaking, wo sie kurze Dokumentar- und Spiel-filme drehen darf und am Wochenende Zeit hat, andere Gegenden in Asien zu bereisen.
Diese Erfahrung und ihre Reiselust kommen Sarah zugute, als sie beschließt, zusammen mit ihrer Kommilitonin Stephanie Constantin ihre Masterarbeit in Form eines Dokumentar-films zu realisieren. Das Thema: Frauenfußball in Namibia, inspiriert von einem Projekt, das Stephanie im Rahmen ihres Ethnologie-Bachelors betreut hat. Sarah berichtet aber auch von anfänglichen Zweifeln gegenüber dem Vorhaben: „Wir haben uns oft gefragt: ‚Ist das zu groß für uns?‘. Aber Oli und Pia haben uns wirklich ermutigt: ‚Macht was Großes, Geiles. Wenn nicht jetzt, wann dann?‘“ Von diesen Worten angespornt reisen die beiden jungen Frauen allein, nur mit ihrem Filmequipment ausgerüstet, in ein fernes Land und verwirklichen ihren Traum. „Namibia’s Number Nine“ folgt der Nationalspielerin „Pelé“ mit der Trikotnummer 9, erzählt von den Ungerechtigkeiten und Geschlechterrollen im namibi-schen Spitzensport und wird ein über einstündiger Film.
Die Suche nach dem Volo: eine Odyssee
Durch „Namibia’s Number Nine“ auf den Geschmack gekommen strebt Sarah nach dem Abschluss ein Volontariat bei einer Produktionsfirma an. Aufgrund der Pandemie werden allerdings nur wenige Stellen ausgeschrieben, ein Praktikum in Köln wird kurzfristig ins Homeoffice verlegt, wo Sarah nicht glücklich wird. Stattdessen verschlägt es sie nach Hamburg, wo sie einen Job in der Redaktion der Quizsendung „Der Quiz-Champion“ ergat-tert. An diese Zeit erinnert Sarah sich gerne: „Für Quizfragen zu recherchieren ist natür-lich etwas völlig anderes als für Reportagen zu recherchieren. Ich hätte nie gedacht, dass das solchen Spaß machen kann!“. Dennoch lässt Sarah der Wunsch nicht los, wieder an Dokumentationsfilmen mitzuwirken, und sie bewirbt sich bei der Produktionsfirma Eikon Nord, wo sie endlich für das Volontariat angenommen wird, das sie sich vorgestellt hat.
Sarahs Job in einem Satz:
„Ich bin Volontärin in einer Produktionsfirma, wo ich in vielen unterschiedlichen Bereichen mitarbeiten darf: vom Talk über die Reportage bis zur Doku, von der Recherche über den Dreh bis hin zum Schnitt.“
Sarahs Ausbildung bei der Eikon Nord beginnt mit einem vierwöchigen Kurs für Fernseh-journalismus an der Akademie für Publizistik. „Dieser Crashkurs war echt hilfreich. Wir haben die Grundlagen von der Nachricht bis zur Reportage wiederholt und zum Beispiel geübt, Aufsager an einem Unfallort zu machen“, erklärt Sarah. So gerüstet steigt sie rich-tig bei der Eikon Nord ein und begleitet fortan eine Redakteurin bei deren Projekten. Zu Sarahs Aufgaben gehören die Suche nach Drehorten und Protagonisten, die Betreuung und Organisation von Außendrehs und hin und wieder kleine Kalkulationen und Dispo-Schreiben. Verzichten könnte sie auf das Verfassen von Pressemitteilungen, Schreiben ist nicht so ihr Ding. Aber auch das gehört dazu und will geübt werden. „Wir sind nur ein klei-nes Team, da arbeitet man schnell als vollwertiges Teammitglied mit“, versichert Sarah. Außerdem betont sie, wie wichtig ihrer Firma der Ausbildungsaspekt ist: „Ich werde im-mer gefragt, worauf ich Lust habe, und darf alles ausprobieren, ohne sofort perfekt sein zu müssen.“
Interviews im Taxi, Talkshows im Studio
Die Formate, die die Eikon Nord produziert, sind vielfältig, sodass jeder Tag ein bisschen anders ist. Bisher hat Sarah kleinere Sendungen, wie beispielsweise das „Motzmobil“ be-gleitet. In einem knallgelben New Yorker Taxi werden hierbei Passanten zu alltäglichen Themen interviewt. Solche Drehs machen Sarah am meisten Spaß: „Ich bin zum Fernseh-journalismus gegangen, weil ich keinen 0815-Bürojob haben will, sondern lieber rausge-hen, was sehen und dokumentieren möchte. Letzte Woche bei der Straßenumfrage in Kiel standen wir stundenlang im Regen und Wind, aber trotzdem war es etwas Besonderes, endlich mal wieder ein echtes Interview zu führen“.
Spannende Interviews darf Sarah auch für das Talkformat „So gesehen“ vorbereiten. Hier sprechen Gäste über persönliche Erfahrungen, meist mit einem wichtigen gesellschaftli-chen Hintergrund. Die starken Persönlichkeiten dieser Talkgäste beeindrucken Sarah sehr: „Im November war Gerhard Trabert, der Kandidat der LINKEN für die Bundespräsi-dentschaft, bei uns zu Gast. Der ist viel mit ‚Ärzte ohne Grenzen‘ unterwegs gewesen und konnte darüber aufregende Geschichten erzählen. Eine andere Protagonistin sprach mit uns über ihre Mutter, die als Journalistin im Iran inhaftiert wurde. Zu hören, wie sie sich für ihre Freiheit einsetzte, war wirklich berührend! Diese Begegnungen sind ein echtes Highlight in meinem Job.“
Mit Teamwork zur fertigen Sendung
Reizvoll an diesen kleineren Formaten ist für Sarah, dass sie innerhalb kurzer Zeit den ganzen Produktionsablauf – von der Idee über die Umsetzung, den Dreh und den Schnitt bis hin zur fertigen Sendung – mitbekommt und so Einblick in alle Bereiche gewinnt. Be-sonders freut sich Sarah allerdings auf die Mitarbeit an größeren Projekten wie Doku-mentarfilmen, die oft zwei bis drei Jahre in der Mache sind. Geplant sind Projekte in den USA und auch wieder in Namibia. Bei der Vorbereitung dieser Formate entstehen für Sa-rah die schönsten Momente ihrer Arbeit: „Es ist immer ein wahnsinnig gutes Gefühl, wenn das ganze Team an einem Strang zieht, um ein Konzept bei einem Sender durchzuboxen. Dann stoßen wir immer mit einem Glas Sekt an und freuen uns, dass wir wieder ein coo-les neues Projekt angehen können!“
Bleibt eigentlich nur noch eine Frage: Ist Sarah Lanz in ihrem Traumberuf angekommen? „Ich würde gerne noch viele verschiedene Dinge ausprobieren“, gesteht Sarah. In ein gro-ßes Auslandsstudio mit tagesaktuellen Themen würde es sie einmal ziehen. Außerdem möchte sie nochmal als Autorin eine größere Doku begleiten. „Mein Volontariat ist aber ein guter Schritt in diese Richtung. Meine Firma erlaubt mir, viel Verschiedenes kennenzuler-nen. Und das ist doch das Schöne an der Medienbranche: es gibt so viele Möglichkeiten!“
Sarahs Karrieretipps für Mewis:
1. Bewerben, bewerben, bewerben:
„Ich habe zwischen Studium und Job bestimmt 50 Bewerbungen rausgeschickt. Von Absagen darf man sich nicht entmutigen lassen, man muss einfach immer weitermachen, irgendwann klappt’s dann.“
2. Hebt euch von der Menge ab:
„Lasst euch etwas Kreatives einfallen, damit eure Bewerbung nicht in der Masse untergeht. Ich habe oft ein kurzes, individuelles Video gedreht, in dem ich erklärt habe, wieso ich die Richtige für den Job bin.“
3. Nutzt alle Gelegenheiten zum praktischen Arbeiten:
„Die Uni bietet dazu viele Möglichkeiten: Projekte im Studium, CampusTV, MediaBubble, Radio Micro-Europa, … Die Skills, die ihr da lernt, machen sich oft besser im Lebenslauf als theoretisches Wissen.“
4. Lasst euch nicht ausbeuten:
„Viele Unternehmen behandeln ihre Volos wie volle Mitarbeiter, die von Tag Eins abliefern müssen, zahlen aber nur das halbe Gehalt. Passt auf, dass Ausbildung und Bezahlung nicht zu kurz kommen.“