Netzrealität Cybermobbing
Eine soziale Seuche, die tödlich enden kann
Von Nele Tinat
Ob Schüler*innen, Deutschlands erfolgreichste Influencer oder sogar internationale Stars – Hatespeech kann jeden treffen. Was genau bedeutet das und wie gehen Betroffene mit täglichen Hassbotschaften um?
Wenn man einen Blick auf die aktuellen Trends der Social-Media-Welt wirft, trifft man auf Themen wie „Bodypositivity“ oder auch Aufklärung über mentale Gesundheit. Es scheint ganz so, als gingen die Zeiten von Selbstoptimierung mithilfe von Photoshop oder Filtern langsam zu Ende – weniger Vergleichen mit Anderen, dafür mehr Selbstfindung und Liebe. Da kann man sich schon die Frage stellen, ob Hassrede heute überhaupt noch ein akutes Problem ist.
Stellt Hassrede überhaupt noch ein ernst zu nehmendes Problem dar?
Amanda Todd war damals 15 Jahre alt als das Cybermobbing begann, heute ist sie tot. Erst wurde sie erpresst, daraufhin dann online gemobbt und von Mitschüler*innen misshandelt. Sie postete ein Video indem sie ihre Geschichte erzählt, jedoch erkennt ihr soziales Umfeld nicht an, wer in dieser Situation wirklich das Opfer ist. Fünf Wochen später bringt sie sich um. Fälle wie dieser sind keine Seltenheit.
„Weil diese Person es verdient hat“ „Nur zum Spaß“ „Weil mir langweilig ist“ – Das sind die Motive von Cybermobber*innen, die unter den Top-10 gelandet sind. Auch darunter vorhanden ist der Grund „Weil es cool ist“. Täter*innen erlauben sich „Späße“, für die andere ihr Leben lassen. Zahlreiche, vor allem junge Menschen haben ihr Leben verloren weil sie dem Hass und dem Druck aus dem Internetz und später auch in der Realität nicht standhalten konnten. Jugendliche (Personen unter 25), die Cybermobbing erleben, sind doppelt so häufig von selbstverletzendem Verhalten und Selbstmord betroffen. Weitere, mögliche Folgen von Cybermobbing sind Schlaflosigkeit, Angststörungen, Depressionen, Suizidgedanken und viele weitere. Die Anzahl von Cybermobbing-Fällen nimmt weiterhin zu. Eine deutlich überwiegende Mehrheit von Jugendlichen hatte schon einmal Kontakt zu Cybermobbing oder Hassrede – entweder weil er oder sie selbst beteiligt war oder eine Person im näheren Bekanntenkreis.
Um zurück zu kommen, zu der ursprünglichen Frage: Stellt Hassrede überhaupt noch ein ernst zu nehmendes Problem dar? Die Antwort lautet ganz klar: Ja! Auch die aktuellen positiven Trends können oftmals nicht ausradieren, welch asoziales Verhalten in den Sozialen Medien an den Tag gelegt wird.
Ab wann spricht man von Cybermobbing?
Hatespeech – oder zu Deutsch Hassnachrichten – werden oftmals via Social-Media verschickt oder unter Beitragen über die Kommentarfunktion gepostet. Jede*r ist ein potenzielles Opfer: Der Bekanntheitsgrad oder das Aussehen scheinen kaum eine Rolle zu spielen. Schon ein einziger Post, einer sonst sehr beliebten Person, kann zu einem heftigen Shitstorm führen. Ein Shitstorm ist eine Welle von negativen Kommentaren, Meinungen und Nachrichten, die der betroffenen Person von vielen Einzelpersonen zugesandt werden.
Doch nicht jede Beleidigung ist gleich Cybermobbing. Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist Cybermobbing „Beleidigung, Bedrohung, Bloßstellung oder Belästigung von Personen mithilfe von Kommunikationsmedien, beispielsweise über Smartphones, E-Mails, Websites, Foren, Chats und Communities“. Cybermobbing geht oftmals über einzelne Beleidigungen hinaus, beispielsweise wenn sie sich massiv häufen und von einer Gruppe aus auf eine einzige Person abzielen. Hinzu kommt der Aspekt der Bedrohung und der Bloßstellung: Belastende Fotos oder Videos können unendlich oft kopiert und geteilt werden. Daher erscheint Cybermobbing für Betroffene auch oftmals hoffnungslos und endlos.
Auch Amanda Todd versuchte zunächst einmal die Schule zu wechseln, nachdem sie von einem Mann mit freizügigen Bildern von ihr erpresst wurde. Allerdings verbreiten sich solche Informationen extrem rasant, weshalb sie an der neuen Schule weiterhin gemobbt wurde. Doch es gibt immer Wege und Möglichkeiten aus diesem Teufelskreis heraus zu finden. Falls ihr Hilfe benötigt oder jemanden kennt, der Hilfe benötigt, findet ihr am Ende des Artikels einige Angebote und Organisationen an die ihr euch wenden könnt.
Wie kann man gegen diesen Hass vorgehen?
Opfer von Hassnachrichten können diese bei der Polizei melden und Anzeige erstatten. Das Problem dabei ist, dass bewiesen werden muss, dass die angezeigte Person die Nachricht auch wirklich verfasst hat. Oftmals ist das kompliziert, da Internetnutzer*innen ganz einfach anonym bleiben können, wenn sie einen falschen Namen verwenden. Besonders schwierig gestaltet sich die Strafverfolgung wenn Mobber*innen die App Telegramm verwendet haben. Zu Telegramm gibt es kaum Angaben zu Verantwortlichen oder Ansprechpartner*innen, zudem hat sie ihren Hauptsitz in Dubai. Da weder Konten noch sonstige Anhaltspunkte der Plattform in der EU vorhanden sind, ist der rechtliche Spielraum gegen die App vorzugehen äußerst begrenzt. Rechtsanwältin Josephine Ballon ist der Meinung der Gesetzgeber müsse einschreiten und es möglich machen einzelne Accounts zu sperren.
Was veranlasst Menschen überhaupt ihren Hass im Internet zu verbreiten?
Versuche von „Opfern“ ihre Täter persönlich zu konfrontieren, sind oftmals wenig erfolgreich. Verfasser solcher Nachrichten fühlen sich ertappt, sobald man offen auf sie zugeht und das Problem geradeheraus anspricht – so auch der Fall bei dem Schüler Dario Schramm. Er sprach sich für eine Testpflicht an Schulen aus. Daraufhin brach eine Welle bösartiger Nachrichten auf ihn herein. SpiegelTV besuchte einen Verfasser solcher Nachrichten mit dem Ergebnis, dass der Mann dem Gespräch auswich und die Situation fluchtartig verließ.
Eine Vermutung ist, dass die Anonymität von Nutzer*innen im Internet ihnen Sicherheit gibt so zu handeln wie es ihnen in den Sinn kommt. Hinzukommt das Phänomen der Filterblasen: Auf Social-Media ist man von sehr vielen Menschen umgeben, die die eigene Meinung teilen. Daher fühlen sich Nutzer*innen extrem bestätigt in dem was sie sagen, tun und denken. Sie haben einen besonderen Rückhalt was ihnen zusätzliche Sicherheit gibt. Das Gefühl zu haben, nicht nur seine eigene Meinung, sondern die einer ganzen Gruppe mitteilen zu müssen ist daher viel stärker.
Genau dieses Problem der Filterblasen macht es auch so schwer den Hass aus dem Netz zu verbannen. Egal wie viele Menschen mit Bodypositivity werben und sich dafür stark machen, auf der anderen Seite gibt es ebenso viele Hater die das positive Gefühl zunichtemachen wollen.
Hilfsangebote
Diese Hilfsangebote könnt ihr nutzen, wenn ihr selbst von Cybermobbing betroffen seid oder andere unterstützen wollt:
Ursachen/Motive/Auslöser / Einleitung – cyberhelp.eu
Für Lehrer & Erzieher – Bündnis gegen Cybermobbing (buendnis-gegen-cybermobbing.de)
WEISSER RING e. V. (weisser-ring.de)
Wir über uns | www.juuuport.de