Bild: Katrin Schwendner

DAS SIND PRINZIPIEN, DIE WIR AUCH IN UNSEREM PRIVATEN ALLTAG NUTZEN UND WÜNSCHENSWERT FINDEN.

Interview mit einer Change Managerin – Teil 3/3

Von Lisa Hornung

Katrin Schwendner ist sowohl Senior Projektleiterin im Change Management als auch Beraterin für Organisationsentwicklung in einem internationalen Konzern. Im dritten Teil dieser Interview-Serie spricht sie über ihre Einschätzung der Entwicklung von Hierarchien.

Falls ihr das Interview von Anfang an lesen wollt, könnt ihr euch hier durchklicken:
Teil 1: „Veränderungen gestalten und selbst zu erleben ist ein Lebensmotto für mich.“
Teil 2: „Das sind Prinzipien, die wir auch in unserem privaten Alltag nutzen und wünschenswert finden.“

In agilen Unternehmen ist ein hoher Grad an Selbstorganisation wichtig – was für eine Rolle nimmt der Manager in diesem Setting ein? Ist der Posten des Managers durch das Agilitätskonzept gefährdet?

Also ich glaube er ist nicht gefährdet, aber er nimmt eher in eine People-Manager-Rolle ein. Das heißt, der Manager bereitet zum Beispiel strategische Themen auf. Das ist immernoch eine wichtige Rolle. Und er ist vielmehr dafür verantwortlich, dass er die richtigen Kompetenzen in seinem Team hat. Dass er sich wirklich um die Mitarbeiter und deren Kompetenzentwicklung kümmert und seinem Team diese Kompetenzen auch zur Verfügung stellt. Man braucht ihn immer noch, aber seine Rolle ändert sich. Er muss eben eher dieses visionäre Bild, also dieses Zielbild, vorgeben und weniger sagen, wie die Mitarbeiter das dann genau umsetzen sollen. Oftmals sind Manager heutzutage noch sehr behaftet und glauben, sie müssen genau das „Wie?“ beschreiben. Aber sie sind ja gar nicht in der Lage für alle Themen der Experte zu sein. Also ist es schlauer, den Experten das „Wie?“ zu überlassen und stattdessen eher zu skizzieren: Wo wollen wir hin? Sie müssen die Lust für die Seefahrt wecken und nicht sagen, wie man das Schiff baut.

Ich finde das war eine schöne Metapher. Kann man diese Rolle deiner Meinung nach als Servant Leader bezeichnen?

Ja und ich finde das ist auch eine ganz schöne Bezeichnung. „Servant“, im Sinne von „für das Unternehmen“ aber auch „für die Mitarbeiter“. Die Führungskraft ist in gewisser Weise ein Enabler, indem er oder sie die Mitarbeiter entwickelt und die Teams enabled. Die Stolpersteine müssen aus dem Weg geräumt werden, sodass das Team in der Lage ist, die eigentliche Arbeit – für die es auch die Expertise hat – gut und störungsfrei zu erledigen.

Würdest du sagen Agilität fördert damit flache Hierarchien? Ist eine flache Hierarchie überhaupt erstrebenswert?

Also ich glaube, dass es für flache Hierarchien unterschiedliche Beweggründe gibt. Ich glaube, dass junge Menschen anders erzogen sind als meine Generation und dass sie vielmehr den Wunsch haben, sich im Leben selbst zu organisieren. Sodass sie auch im Berufsleben viel mehr die Erwartung haben, dass es auch hier flachere Hierarchien gibt und dass ihre Stimme mehr gehört wird. Also das ist eine Anforderung auf die sich Unternehmen einstellen müssen: Dass sie keine Mitarbeiter mehr haben, die sagen „Ich komme morgens hier rein und gebe an der Pforte mein Gehirn ab und mache dann das, was mein Chef mir sagt“. Und ich denke, das sind die agilen Werte und agiles Denken. Zu sagen: ich empowere die Teams, ich gebe Macht in die Teams. Ich gebe den Leuten, die die Themen verstehen und dafür die Experten sind auch die Möglichkeit, die Themen auf ihrem Weg zu bearbeiten. Und ich glaube es ist sehr wichtig, dass die Führungskräfte sich dessen bewusst werden und verstehen, dass sich ihre Rolle einfach verändert. Genauso wie sich auch die Welt und die Anforderungen an sich verändern. Dieser Spirit, darum geht es. Jeder kann was sagen. Wir gehen in die Co-Creation und es entsteht etwas miteinander. Das ist ein ganz anderes Gefühl. Und ich glaube, es geht jungen Menschen auch immer mehr um diese Sinnfrage. Also was ist denn mein Wertbeitrag in dem großen Ganzen? Und wenn uns das in Unternehmen nicht gelingt, diese Frage zufriedenstellend zu beantworten, dann wird es schwierig.

Und wie sieht es mit dem Change Management aus? Agilität soll Unternehmen ja vor allem flexibler machen. Macht die agile Arbeitsweise Veränderungen nicht viel alltäglicher, sodass die Menschen lernen mit Veränderungen besser umzugehen? Denkst du, es wäre möglich, dass agiles Arbeiten das Change Management in einer gewissen Weise weniger relevant werden lässt?

Also es kommt dabei auf die Reife der Organisation an. Wenn ich agil arbeite und sehr selbstreflektiert bin, dann kann ich auch selbst Verbesserungen durchführen. Zum Beispiel durch die Scrum-Methode. Das kann ich natürlich sagen, ist ja eine Form der Change-Arbeit. Meiner Meinung nach kann ein reifes Team auch diese Fragen „Was läuft gut?“, „Was müssen wir verbessern?“ und „Was sollten wir vielleicht stoppen?“ selbstreflektiv beantworten. Das sind so klassische Fragen einer Retrospektive. Ich glaube, dass sich durch agile Arbeit die Reife der Teams erhöht und dadurch einfach ein anderer Zugang zu diesen Change-Themen entsteht.

Danke für deine Einschätzung. Möchtest du abschließend noch etwas loswerden oder den Lesern noch etwas mit auf ihren Weg geben?

Also ich hoffe natürlich, dass der Change-Manager weiterhin bleibt und sich nicht selbst abschafft. Ich finde Change-Management ist ein spannendes Thema und ein spannendes Arbeitsumfeld, weil man sehr viel mit Menschen zu tun hat. Change hat viel mit Kommunikation und Sprache zu tun. Ich denke, das ist ein guter Mix aus methodischer und teilweise auch prozessualer Arbeit. Die Weiterentwicklung von Teams und die Befähigung von anderen hilft, glaube ich, auch sehr der eigenen Entwicklung. Das ist für mich etwas ganz spannendes: dass man immer den Prozess und sich selbst beobachtet und reflektiert und dadurch auch selbst in der eigenen Entwicklung vorankommt.

Gut, dann danke ich dir für das Gespräch. Ich finde das waren wirklich sehr inspirierende Antworten!