Beeinflussen Algorithmen unseren Stimmungszustand?
Mood-Algorithmen in den Sozialen Medien
Von Marie Moll
Lustige Videos, Workouts oder Kaufvorschläge – die sozialen Medien bieten uns im richtigen Moment die richtigen Beiträge. Sie sind uns immer wieder einen Schritt voraus. Obwohl wir uns dieser Prozesse bewusst sind, fallen wir immer wieder darauf herein. Wie schaffen es die Plattformen, uns so zu beeinflussen?
Hat man Lust etwas zu kochen, dann ist die Instagram-Seite voll mit Rezeptvorschlägen, ist man zurzeit sehr sportmotiviert, werden einem durchtrainierte Körper und Workout-Videos angezeigt, ist man Liebeskummer verfallen, erhält man aufbauende Videos oder Selbstliebe-Motivationen, interessiert man sich für ein Produkt, werden einem ähnliche Produkte vorgeschlagen. Wer kennt dieses Phänomen nicht? Aber was genau steckt dahinter? Sind die altbekannten Algorithmen wirklich schuld?
Im Artikel von Redakteurin Sarah Felten Mood-Management mit Tiktok wird auf die sogenannte Mood-Management-Theorie eingegangen. Die besagt, dass „die Wahl von medialen Unterhaltungsangeboten von den Stimmungen und Emotionen der auswählenden Person bestimmt wird“ [1]. Dies geschehe immer mit dem Ziel, den aktuellen Stimmungszustandes zu verbessern. Somit können Algorithmen unseren individuellen Stimmungszustand beeinflussen, verändern und intensivieren. Doch ist das alles? Können Algorithmen wirklich unsere Emotionen, Gefühle und Launen lesen und beeinflussen? Wie können solche Gefühlszustände von künstlicher Intelligenz erkannt werden?
WIE FUNKTIONIEREN ALGORITHMEN IN DEN SOZIALEN MEDIEN?
Ein Algorithmus funktioniert wie das Kuchenbacken. Beim Kuchen verwendet man nur die Zutaten, die einem schmecken und die zusammenpassen. Würde eine fremde Person ihre Finger mit im Spiel haben, kann es gut sein, dass Zutaten in dem Kuchen landen, die man selbst gar nicht mag. So ähnlich funktioniert das auch bei den sozialen Medien: Man folgt fremden Leuten, die – erstmal unabhängig von den Vorlieben ihrer einzelnen Follower*innen – Beiträge und Stories posten. Um eine Vermischung von Inhalten, die einem gefallen und die einem nicht gefallen, zu verhindern, also nicht einen Kuchen mit unpassenden Zutaten zu kreieren, setzen die sozialen Medien Algorithmen ein: „Die Plattformen analysieren genau, was dir gefällt. Welche Beiträge likest du, wie lange schaust du dir Fotos an und was kommentierst du gerne?“ [2].
Algorithmen bestehen aus einer Folge elementarer Anweisungen (hier: welche Beiträge gefallen uns, welche schauen wir an?), diese werden in endlich vielen Schritten erfasst sowie ausgewertet und liefern eine Lösung (hier: Interessenoptimierung bei Social-Media-Beiträgen). Man kann den Algorithmus auch wie eine Black-Box sehen, die mit mehreren Eingaben gefüllt wird und schließlich eine Ausgabe produziert [3].
Somit werden einem in Zukunft nur noch die Beiträge gezeigt, die laut den Algorithmen zu den persönlichen Lieblingsinhalten zählen. Gleichzeitig werden andere Beiträge durch die Selektion gar nicht mehr gezeigt, auch wenn ein minimales Interesse gegeben wäre. Das heißt, Algorithmen analysieren das Verhalten des einzelnen Users und passen die Inhalte auf dessen Interessen hin an.
Die Algorithmen können außerdem unser Verhalten, vor allem das Kaufverhalten, erfassen und lenken. Wenn User*innen ein bestimmtes Angebot oder eine Werbeanzeige anklicken, dann registrieren die Algorithmen diesen Klick und die zukünftige Werbung wird nach den Interessen der User*innen geschalten. Vor allem „große Onlineshops benutzen solche Algorithmen, um das Kaufverhalten ihrer Kunden zu analysieren und diese durch Produktvorschläge zum Kaufen zu animieren“ [4].
Die Algorithmen sorgen bei den Nutzer*innen für eine optimierte Aufnahme der angezeigten Inhalte und verhindern somit eine Reizüberflutung, können aber gleichzeitig auch manipulativ wirken und die Nutzer*innen beispielsweise zum Kauf animieren.
SIND ALGORITHMEN FÜR UNSERE STIMMUNGEN VERANTWORTLICH?
Da wir jetzt wissen, wie Algorithmen funktionieren, können wir sicher sein, dass diese auch manipulativ wirken können. Sie können bestimmen, was wir sehen und damit unsere Emotionen und unseren Stimmungszustand beeinflussen, sowohl positiv als auch negativ.
Gute Laune wie auch schlechte Laune können ansteckend sein. Das passiert heutzutage nicht mehr nur Angesicht zu Angesicht, sondern auch in sozialen Netzwerken. Bei einer Studie (2013) experimentierten Wissenschaftler*innen mit insgesamt 689.003 Facebook-Mitgliedern und manipulierten eine Woche lang die Postings und Likes, die die Nutzer*innen zu sehen bekamen [5]. Dafür nutzten die Wissenschaftler*innen den ohnehin schon von Facebook verwendeten Algorithmus. Von 310.000 Proband*innen wurde die Timeline manipuliert. Bei der einen Hälfte reduzierten sie die negativen Inhalte, bei der anderen Hälfte reduzierten sie die Posts mit positiven Inhalten. Die restlichen Proband*innen wurden nicht manipuliert, um diese als Kontrollgruppe einzusetzen. Das Ergebnis aus der Studie ergab, dass diejenigen, die mehr positive Beiträge erhielten, auch selbst mehr Inhalte mit einer positiven Message posteten. Diejenigen, die negative Beiträge erhielten, teilten vermehrt negative Inhalte. Diese Studie zeigt demnach, dass soziale Netzwerke durchaus einen Einfluss auf den Stimmungszustand haben.
Wann ändert sich der Algorithmus? Der Mensch hat nicht jeden Tag den gleichen Stimmungszustand. Menschen sind getrieben von Emotionen, die sich ständig ändern und suchen auf den sozialen Medien nach Bestätigung, Hilfe oder einfach Unterhaltung. Algorithmen haben kein genaues Gespür für den Gefühlswechsel des Menschens und können nicht wissen, wann eine Stimmungsänderung eintritt. Ein Algorithmus liefert lediglich eine Auswertung von Daten, die zu neuen Ergebnissen führt – ohne Mitgefühl, Empathie oder Emotionen. Dieses Leck, die fehlende „Menschlichkeit“, führt dazu, dass unser Stimmungszustand durch die Beiträge, die wir vorgeschlagen bekommen, verlängert oder intensiviert werden kann. Durch diese Verzögerung können Themen uns länger vorgehalten werden als wir sie eigentlich brauchen.
WIE KANN MAN DAS UMGEHEN?
Zuallererst: Niemand kann dem Algorithmus vollständig entkommen. Ein Algorithmus ist kein generiertes Mittel, um die Nutzung der sozialen Netzwerke zu erschweren, sondern soll unterstützen und den User*innen eine individuell angepasste Nutzung bieten. Gleichzeitig soll er aber auch im kommerziellen Bereich Nutzer*innen dazu animieren, Produkte aus Werbeanzeigen zu kaufen. Da die Technik noch mitten in der Entwicklung steckt, kann es zu den oben aufgeführten Problemen kommen. So sind Stimmungszustände, Emotionen und Gefühle Eigenschaften des Menschen, die nicht uneingeschränkt von den Algorithmen in den sozialen Medien erfasst werden können. Stimmungszustände werden in der persönlichen Timeline nicht immer realitätsgetreu wiedergegeben. Um diesen Phänomenen entgegenzuwirken, hilft es, einen bewussten Umgang mit den sozialen Medien zu führen. Plattformen bieten beispielsweise eine individuelle Suche oder auch separate Timelines an, bei denen man Kanäle favorisieren kann. Wenn man sich diesen Funktionen bewusst ist und diese nutzt, kann man die Ausrichtung der Algorithmen mitbestimmen. Wenn ein Algorithmus den Menschen beeinflussen kann, dann gibt es auch Wege, als Mensch den Algorithmus zu beeinflussen.