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Bessere Laune durch lustige Videos?

Mood-Management durch TikTok

Von Sarah Felten

Spektakuläre Reise-Vlogs, Konzertszenen, tapsige Welpen, köstliche Koch-Inspirationen, lustige Tanzvideos, Comedy und so viel mehr – All das bietet uns TikTok in einem solchen Überfluss, dass wir Stunden mit der App verbringen können, ohne es zu bemerken, weil wir jegliches Zeitgefühl verlieren. Aber was genau sorgt eigentlich dafür, dass wir so viel Zeit mit der App verbringen? Oder, dass wir sie überhaupt erst öffnen?

In den 1980er-Jahren formulierte Dolf Zillmann die sogenannte „Mood-Management-Theorie“, die besagt, dass wir bestimmte Inhalte auswählen, weil wir hoffen, uns durch diese besser zu fühlen oder gute Laune zu bekommen. Könnte das ein Grund sein, warum TikTok so erfolgreich ist? Versuchen wir, mit der App unsere Stimmung zu manipulieren?

Was besagt die „Mood-Management-Theorie“?

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„Die Mood-Management-Theorie geht davon aus, dass die Wahl von medialen Unterhaltungsangeboten von den Stimmungen und Emotionen der auswählenden Person bestimmt wird. Ziel der Medienwahl ist immer eine Verbesserung des aktuellen Stimmungszustandes“ [1]. Wir suchen uns also die Inhalte, die wir konsumieren wollen, danach aus, wie wir uns fühlen bzw. anschließend fühlen wollen. Wenn wir also beispielsweise niedergeschlagen sind, weil wir in einer Klausur nicht so abgeschnitten haben wie gewünscht, wir Streit mit einem Freund hatten, ein geplanter Ausflug ausfällt, auf den wir uns sehr gefreut hatten, oder wenn es einfach nicht unser Tag war und alles schief gegangen ist, richtet sich unsere Medienwahl danach. Das bedeutet, wir greifen womöglich zu einer lustigen Comedyserie, die uns den Stress vergessen lässt oder zu einem humorvollen Podcast, bei dem wir lachen können. Streit mit dem Partner oder der Partnerin? Dann lieber kein romantischer Film, sondern ein actionreicher Blockbuster, der so spannend ist, dass wir den Ärger wenigstens für einen kurzen Moment ausblenden können. In den 1980er-Jahren war das Fernsehen das vermutlich beliebteste Unterhaltungsmedium. Dabei konnte man sich zwar noch nicht in der Form aussuchen, was man schauen möchte, wie Netflix und Co. das heute bieten, dennoch hatte man die Möglichkeit, zu bestimmten Sendungen einzuschalten, zum Beispiel, weil man sich damit entspannen und den Stress des Tages hinter sich lassen wollte. Die Entscheidung, den Fernseher zu dieser bestimmten Zeit einzuschalten, oder die Wahl des Films, um bestimmte Inhalte ansehen zu können, sind aktive Vorgänge, überlegte Handlungen. Das bedeutet, dass Menschen auch ohne Streaming-Dienste nicht einfach dem ausgeliefert waren, was das Programm eben zu einer bestimmten Zeit vorsah, sondern dennoch aktiv bestimmen konnten, was sie schauen wollten, weshalb Zillmanns Theorie damals durchaus Bedeutung hatte. Was aber, wenn wir einmal von herkömmlichen Videoangeboten Abstand nehmen und uns eine ganz andere Sorte Videos anschauen?  

TikTok als Stimmungsregulator?

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Wenn wir nun TikTok als mediales Unterhaltungsangebot betrachten, macht die Annahme, dass auch dieses Medium als Stimmungsregulator dient, durchaus Sinn. TikTok gehört schließlich zu den am schnellsten wachsenden Netzwerken der Welt. Monatlich zählt die Plattform 800 Millionen aktive Nutzer*innen weltweit [1]. Was ist also der Grund für die Beliebtheit dieser App? Laut einer Studie gibt es vier Denkweisen von TikTok-Nutzenden, die auch noch dafür sorgen, dass sich die App von anderen Social-Media-Plattformen abhebt: Unterhalten, Mitmachen und Entdecken. Dabei geben 75% aller Konsumierenden jedoch an, dass sie die App wegen der „Entertain me“-Funktion nutzen, also unterhalten werden wollen [2]. Um all das jedoch ein wenig genauer einordnen zu können, müssen wir eine wichtige Unterscheidung vornehmen, was die Nutzung und die Funktionen der App betrifft: die Unterteilung in eine aktive und passive TikTok-Nutzung. Unter aktiver TikTok-Nutzung verstehen wir nicht nur das Erstellen und Teilen von Inhalten, sondern auch das Liken und Kommentieren von Videos. Für die Frage, ob TikTok helfen kann, unsere Stimmung positiv zu beeinflussen, konzentrieren wir uns nur auf die passive Nutzung, also lediglich das Ansehen von Inhalten, die uns der Algorithmus vorschlägt. Was bewegt uns normalerweise dazu, TikTok zu öffnen und von Clip zu Clip zu swipen? Wie die Studie schon angedeutet hat, möchten wir uns normalerweise unterhalten lassen. Wir möchten für ein paar Minuten einer stressigen Welt entkommen, Sorgen und To-Do-Listen vergessen und abschalten können. „Die Studie hat auch gezeigt, dass TikTok zu den beiden Top-Plattformen für die Entstehung von positiven Emotionen gehört. 60 % der Nutzer*innen gaben an, dass sie sich während der Nutzung von TikTok gut fühlten und nach der Nutzung glücklicher waren“ [3]. Dass unsere Stimmung sich so verbessert, liegt vermutlich daran, dass wir durch die App natürlich das zu sehen bekommen, was der auf uns zugeschnittene Algorithmus für passend hält. Aber was passiert, wenn wir TikTok wie manch andere soziale Netzwerke als eine Art Nachrichtenquelle nutzen und nicht nur zum Spaß? Der Algorithmus wird in dem Fall dafür sorgen, dass wir Videos zu sehen bekommen, die über aktuelle Geschehnisse berichten. Und wenn wir ehrlich sind, müssen wir gestehen, dass die Nachrichten nur selten positive Meldungen beinhalten. Meistens erreicht eine fünfzehnminütige Sendung genau das Gegenteil von dem, was wir uns von TikTok erhoffen, nämlich dass es zur Verbesserung unserer Stimmung beiträgt. Wie oft passiert es, dass wir auf Instagram und Co. auf entmutigende Meldungen über die Pandemie oder erschreckende Nachrichten über den Ukraine-Krieg stoßen? Videos, in denen sich Familienväter unter Tränen von ihren Frauen und Kindern verabschieden oder Bilder von zerstörten Wohnhäusern, die nur erahnen lassen, wie schrecklich die Realität ist, werden sicherlich nicht dafür sorgen, dass sich unsere Laune verbessert, sondern das Gegenteil erreichen. Nichtsdestotrotz zeigt die eben genannte Studie uns deutlich, welche Motivation die meisten Nutzenden haben, um TikTok-Inhalte zu konsumieren: Unterhalten, Mitmachen und Entdecken, wobei ein Großteil aller Nutzenden sich, wie gesagt, unterhalten lassen möchte. Das bedeutet, dass wir hauptsächlich die Videos vollständig anschauen, die uns genau das geben: Unterhaltung. Was wiederum dazu führt, dass wir vor allem solche Inhalte auf unserer „For You Page“ angezeigt bekommen.

Mood-Management durch lustige Videos

Können wir also behaupten, dass TikTok als Stimmungsregulator dienen kann und wir die App nutzen, um uns besser zu fühlen? Im Großen und Ganzen: Ja. Denn wie wir von TikTok selbst erfahren haben, geben über die Hälfte aller Nutzer*innen an, dass sie glücklich seien, nachdem sie Zeit auf TikTok verbracht haben [4]. Die Mood-Management-Theorie lässt sich also nicht nur auf Fernsehinhalte beziehen, sondern auf Videos aller Art. Clips von süßen Welpen, Comedy-Szenen und exotischen Rezepten schaffen es, dass wir uns nach dem Konsum der Videos beschwingt und besser gelaunt fühlen und genau das ist einer der Gründe für den Erfolg von TikTok und dafür, dass wir die App so lieben.