Selbstdarstellung

Selbstdarstellungswahn im Netz – alles nur Fassade?

Von Barbara Frick

Ständig posten wir Bilder von uns auf irgendwelchen Social Media Plattformen und halten unsere Follower auf dem Laufenden. Nicht, dass jemand übersieht, wie gut wir heute aussehen, oder dass wir gerade den Urlaub unseres Lebens machen. Wir möchten dem Rest der Welt mitteilen wer wir sind – beziehungsweise wer wir gerne wären. Doch wie genau kann diese Selbstdarstellung aussehen und zu welchen Mitteln greifen wir dabei?

Gefühlt sind wir rund um die Uhr von Selbstdarstellung umgeben: Im Restaurant sind die Menschen mehr mit ihrem Handy als mit der Karte beschäftigt und steigen auf Stühle, um das perfekte Foto ihres Essens zu schießen. Kein Städte-Trip ist vollkommen ohne zahlreiche Selfies vor den wichtigsten Sehenswürdigkeiten – am besten natürlich mit Hilfe des berühmt-berüchtigten Selfie-Sticks. Ganz zu schweigen von Konzerten, auf denen man vor lauter Smartphones die Bühne kaum noch sehen kann. Im digitalen Zeitalter hat die Selbstinszenierung noch nie dagewesene Ausmaße angenommen. Diese Reihe beschäftigt sich mit den Dimensionen, Auswirkungen und Möglichkeiten des Selbstdarstellungswahns im Netz.

 

Fake, faker, Instagram

Wir, die Generation der Digital Natives ist damit groß geworden: Für uns ist es selbstverständlich, dass nicht der spontan entstandene Schnappschuss mit Freunden gepostet wird, sondern das perfekte, aber – ganz wichtig – trotzdem authentisch wirkende Selfie, das unsere Wangenknochen so gut wie möglich in Szene setzt. An dieser Stelle muss nicht erwähnt werden, dass das finale Bild in einer aufwendigen Auswahlprozedur gefunden wurde, in welcher 30 Fotos akribisch miteinander verglichen wurden. 

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Wir agieren als unsere eigene PR-Abteilung, die durchgehend versucht, ein möglichst perfektes, glückliches oder erfolgreiches Bild unseres Lebens zu vermitteln. Wir haben die besten Freunde der Welt, sind ständig unterwegs, gehen feiern und essen in hippen Restaurants unseren Avocadotoast. Anschließend genießen wir einen Chai Latte oder eine Mate im Hipstercafé um die Ecke. Wir reisen an wundervolle Orte und sind #grateful.

Digital Natives

Als Digital Native wird eine Person bezeichnet, die von klein auf mit digitalen Medien aufgewachsen ist. Sie ist daher sehr vertraut im Umgang mit dem Internet und den neuen Technologien. Als ältester Geburtsjahrgang eines Digital Natives wird das Jahr 1980 gesehen.

Never enough

Damit, seinen Freunden und Bekannten einen privaten Einblick in das eigene Leben zu gewährleisten und authentische, bedeutungsvolle Momente zu teilen, hat das nicht mehr viel zu tun. Die Digital Natives beherrschen die digitale Selbstdarstellung perfekt, sind sie doch in der Welt der Zahnpasta-Lächeln und immer aufgedrehten Beauty-Bloggern aufgewachsen. Nichts bleibt dem Zufall überlassen. Filter, Apps und Hashtags machen das Spektakel perfekt. 

Googelt man Bildbearbeitungsprogramme, stößt man auf eine unendliche Fülle an Apps, die das eigene Gesicht retuschieren und verschönern sollen, die Beine schlanker und den Po größer schummeln können. Vermeintliche Makel werden mit wenigen Klicks ausgemerzt, um dem klassischen Schönheitsideal so nahe wie möglich zu kommen.

Der Begriff Selbstdarstellung

Selbstdarstellung

Was auch immer wir tun, es muss festgehalten werden. Foto: Pixabay

Doch was genau bedeutet „Selbstdarstellung“ eigentlich? Das Wort setzt sich aus zwei unterschiedlichen Begriffen zusammen: Selbst, was laut Duden so viel bedeutet wie „das seiner selbst bewusste Ich“ und Darstellung, die „Gestaltung einer Rolle auf der Bühne“.

Die deutsche Psychologin und Dozentin Astrid Schütz definiert Selbstdarstellung folgendermaßen:

„Selbstdarstellung im weiteren Sinn umschreibt alle Verhaltensweisen, die geeignet sind, den Eindruck, den die eigene Person bei einem Publikum hinterlässt, zu kontrollieren bzw. zu steuern.“

– Martin Rüdiger und Astrid Schütz. Selbstdarstellung. In: Enzyklopädie der Psychologie, Bereich Sozialpsychologie

Wir alle spielen Theater

Zum ersten Mal intensiver auseinander gesetzt mit dem Begriff der Selbstdarstellung hat sich der Soziologe Erving Goffman. 1956 erschien sein einflussreiches Werk „Wir alle spielen Theater“, in welchem er darstellt, dass jeder von uns im zwischenmenschlichen Miteinander unterschiedliche Rollen einnimmt. Laut Goffman betreibt der Mensch durchgehend Selbstdarstellung und versucht aktiv den Eindruck, den er auf andere macht, zu kontrollieren. So würden alle Menschen zu Schauspielern auf einer Bühne, die sich eine Fassade erschaffen und bewusst sowie unbewusst ein bestimmtes Bild von sich vortäuschen.

Diese Überlegungen Goffmans beziehen sich die auf die „analoge Welt“ und das reale Miteinander, also auf die Selbstdarstellung im Alltag. Das von Goffman aufgezeigte Verhaltensmuster lässt sich mittlerweile allerdings genauso gut auf die digitalen Identitäten beziehen, die wir uns auf Instagram, YouTube, Facebook und Co. erschaffen. Die Selbstinszenierung hat damit eine zweite Ebene erreicht, die es zu Goffmans Zeiten noch nicht gab.

Bleibt gespannt

Genau 40 Jahre nach dem Erscheinen von Goffmans Werk, im Jahr 1996, entdeckt eine junge Frau die öffentliche Darstellung ihrer Person für sich. Wenn ihr erfahren wollt, wie sie als eine der ersten Personen übers Internet in Zeiten vor YouTube und Instagram Millionen von Menschen erreicht hat, seid gespannt auf den nächsten Beitrag der Reihe „Selbstdarstellungswahn im Netz“!

 

Quellen

  • Detel, H. (2017). Netzprominenz : Entstehung, Erhaltung und Monetarisierung von Prominenz im digitalen Zeitalter. Köln: Herbert von Halem Verlag.
  • https://www.duden.de/rechtschreibung/Selbstdarstellung
  • https://en.wikipedia.org/wiki/Facetune
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Native
  • https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/uni/fakultaeten/ppp_lehrstuehle/psychologie_4/pics/news/RuedigerSchuetzSDEnzykSozps251013.pdf