„Der Nucleus meiner Herausforderung“
Ein Portrait über Lukas Schult
Von Niklas Pahl
Allrounder mit Leidenschaft für crossmediales Storytelling und Kommunikation“. Mit Anfang 30 ist er bereits früh in einer leitenden Funktion in der Unternehmenskommunikation. Den Weg dorthin und was Joachim Löw damit zu tun hat, erklärt er im Gespräch.
Es ist Donnerstagmittag, 12 Uhr und ich treffe mich mit Lukas Schult. Eine Stunde später als geplant, unerwartet musste er noch zu einer Sitzung des Krisenstabes. Es wird wahrscheinlich nicht seine Letzte gewesen sein. Wir treffen uns online. Anders lässt es Corona im Moment nicht zu, die Zahl der Infektionen ist die letzte Woche in die Höhe geschnellt. Umso spannender ist mein Gesprächspartner – Lukas ist seit Mai letzten Jahres Leiter der Unternehmenskommunikation und Marketing bei den Kreiskliniken Reutlingen. An der kommunikativen Frontlinie der Pandemie, mitten im Sturm könnte man meinen. Lukas spricht aber nur von Wind, der entgegenweht. Anscheinend nicht sein erstes Rodeo. Trotz der widrigen Umstände sei der Einstieg in den neuen Job nicht schwergefallen, erzählt Lukas. Im Mai war die Corona-Lage etwas entspannter, zum anderen passte das neue Arbeitsumfeld einfach. Mit Dominik Nusser hat er einen jungen und digitalen Chef, der den gleichen „Drive“ besitzt. Der Tatendrang ist selbst durch die matte Distanz des Bildschirms spürbar.
Der Weg zur Führungskraft mit einem Team von vier Mitarbeitenden war nicht so geradlinig wie ein erster Blick auf seinen Lebenslauf vermuten lässt. Dass es in Richtung Medien gehen sollte, zeichnete sich bereits früh ab. In Opas Werkstatt bastelte er Holzmikrofone, umwickelte sie mit blauem Stoff und spielte ARD Reporter. Auch der Cousin seines Vaters, seines Zeichen Redakteur, weckte die Neugier auf die Medienbranche. Damals war Journalismus das Ziel, sollte sich aber später ändern. Die ersten professionellen Erfahrungen machte er im Rahmen seines BOGYs beim Reutlinger General-Anzeiger, wo er während und nach dem Studium fünf Jahre als freier Mitarbeiter arbeitete. „Da habe ich mir das Handwerkszeug angeeignet, ohne das ich – und das sage ich auch selbstbewusst – nicht dort wäre, wo ich heute bin.“ Gerade die journalistische Denkweise, das Gespür für Themen und Geschichten aber auch die Basics des Textens, sind fester Bestandteil seines heutigen Berufs.
Von 2010 bis 2013/14 studierte Lukas in Tübingen Medienwissenschaft und Öffentliches Recht. Obwohl der ursprüngliche Traum im Journalismus lag, kristallisierte sich, bei einer SWR Hospitanz in Stuttgart heraus, dass das nicht die Richtung war, in die Lukas wollte. Wegweisend für die kommende Karriere sollte hingegen ein Praktikum in der Pressestelle beim Landmaschinenhersteller Fendt sein. Hierauf folgte der Master in Unternehmenskommunikation an der Hochschule der Medien Ende 2016, zahlreiche Praktika und der feste Berufseinstieg in der Konzernkommunikation bei Liebherr und Mittelständler Heller in Nürtingen. Sich selbst beschreibt Lukas als zielstrebig, trotzdem – und das betont er ausdrücklich – war ein Job nie reines „Mittel zum Zweck“.
In seiner aktuellen Position fühlt sich Lukas sichtlich wohl. Der Wechsel vom mittelständischen schwäbischen Familienunternehmen zu den Kreiskliniken Reutlingen war keine schwere Entscheidung, vielleicht sogar naheliegend. Er erkannte, dass sich in den festgefahrenen Kommunikationsstrukturen im Maschinenbau nur wenig bewegen lässt. „Ich habe mir dann einfach überlegt, geh ich jetzt wieder den nächsten Querwechsel ein, die Visitenkarte wechselt dann von blau auf rot oder schau ich mal, wie ich vorwärtskomme.“
Mit einem Team von vier Kollegen ist er mit Anfang 30 in der kommunikativen Führungsrolle, in die er schon immer wollte. Für diese Aufgabe sei Authentizität essenziel. „Ich glaub man muss authentisch sein. Weil die Leute merken, ob jemand echt oder nicht echt ist. Ich muss ausstrahlen können, dass ich Ahnung von dem hab, was ich mach“. Wer Chef wird, nur um Chef zu sein, wird keinen Erfolg haben. Oder einfacher: Führung kommt von innen. Natürlich ist eine leitende Position auch mit viel Verantwortung verbunden. „Ich habe jeden Tag Führungsherausforderungen, weil die Mitarbeiter natürlich nicht immer alles direkt gut finden.“ In seinem Führungsverständnis ist, neben der Authentizität, auch ein Interesse für die Menschen unabdinglich. Durch eigene, gute wie schlechte, Erfahrungen ist er dafür sensibilisiert worden. “Ich muss aktiv auf die Menschen zugehen. Und das muss ich ausstrahlen. Ich kann nicht den ganzen Tag in meinem Elfenbeinturm sitzen und von da aus kommunizieren. Das geht schief.“ Leadership, so das Credo, muss gelebt werden aber nicht im Sinne von „Ich bin der Beste, also bin ich es geworden.“ Vielmehr komme es auf eine gesunde Mischung aus einem kooperativen Miteinander und Orientierung stiftender Führung an.
Besonders charmant an seiner aktuellen Stelle findet Lukas die Regionalität. „Meine Stakeholder sitzen nicht irgendwo im Silicon Valley oder in Asien, sondern in Reutlingen in der Redaktion oder unmittelbar um mich herum“, jeder kann ja Patient werden. Genau diese Perspektive ist fundamental für Lukas. Denn: ans Krankenhaus wird erst gedacht, wenn es jemanden schlecht geht. „Das ist der Nucleus meiner Herausforderung. In diesem Rahmen muss ich versuchen, Reputation aufzubauen.“ Auch das Klinikum an sich sorgt regelmäßig für neue Herausforderungen. „Krankenhaus ist auch ehrlich gesagt immer etwas Chaos.“ Teils sei es vergleichbar mit Unternehmen in der freien Wirtschaft, teils mit Behörden. Gerade ein Krankenhaus wird sehr engmaschig von der Bevölkerung begleitet. „Ein Lokaljournalist wohnt 150 Meter vom Krankenhaus.“ Das macht ihn gleichzeitig zum Anwohner, Redakteur und möglicherweise auch zukünftigen Patienten. Da meldet sich der ein oder andere auch mal persönlich, wenn verdächtig viele Rettungshelikopter aus dem Garten beobachtet wurden. „Es ist alles unmittelbar. Und es ist alles öffentlichkeitswirksam.“ Ein schiefer Blick des Security-Mitarbeiters kann schon für einen Leserbrief reichen.
Als Leiter der Unternehmenskommunikation ist Lukas nicht nur für die externe Kommunikation über Journalisten, Social Media und das Marketing verantwortlich, auch die interne Kommunikation ist wesentlicher Bestandteil seines Arbeitsalltags. In einem Krankenhaus gibt es die unterschiedlichsten internen Gruppen zu managen. Persönliche Erfolgserlebnisse kommen dann oft aus den eigenen Reihen. „Was auf jeden Fall sehr hilfreich ist, ist ein guter Stand bei den Chefärzten. Die sind nun mal eine der wichtigsten Stakeholdergruppen in meinem aktuellen Job aktuellen Job, aber ich habe das große Ganze im Blick.“ Denn gerade in Zeiten des Pflegenotstands gehe es auch um Wertschätzung für die Kolleg*innen in der Pflege. „Die wir versuchen mit verschiedenen Aktionen und Themen kontinuierlich zu kommunizieren.“ Es ist dann schon ein kleines persönliches Highlight, wenn der ärztliche Direktor einen WhatsApp-Kettenbrief an ihn weiterleitet. In diesem Kontext ist Lukas speziell auf den internen Mitarbeiter-Podcast stolz. Was bei vorherigen Arbeitgebern aufgrund der eingestaubten Mentalität scheiterte, gelang dann innerhalb weniger Wochen in Reutlingen. Mikrofon bestellen, App runterladen, Jingle produzieren und es konnte losgehen.
Wer sich mit Lukas Lebenslauf genauer auseinandersetzt, stolpert unweigerlich über etwas durchaus Ungewöhnliches. Nebenberuflich arbeitete Lukas als professioneller Parodist. Von Günther Oettinger über Papst Benedikt XVI bis hin zu Joachim Löw reicht sein Repertoire.
Begonnen hat er schon in der Schule, als er Lehrerinnen und Lehrer nachahmte. Seine Mutter stammt aus Tennenbronn im Schwarzwald, von ihr hat er, wie auch Löw, das Badener-Gen. Sicher macht das die Imitation leichter. Im Zuge der Weltmeisterschaft 2014 schickte er ein Demoband an den Radio-Sender Antenne 1 – und war von dort an jeden Morgen als Jogi zu hören. Nicht selten wurde Lukas auch bei Bewerbungen darauf angesprochen. „Leute haben schon gesagt, sie wollten einfach mal den Typen kennenlernen.“ Kanten zeigen, Interesse wecken, das sei schon wichtig, so Lukas. Aber bloß nicht gekünstelt.
Tipps für Interessierte, die auch in die Richtung Unternehmenskommunikation wollen, hat er selbstverständlich viele. Zentral aber: Erstens. „Schließt sich eine Tür, öffnet sich eine andere.“ Bloß nicht auf ein bestimmtes Praktikum oder Ziel versteifen. Gelegenheiten ergreifen, wenn sie sich bieten, aber sich nicht darüber ärgern, wenn nicht alles funktioniert wie geplant. Und zweitens. „Be your own brand“, du selbst sein – ganz authentisch.