Der Joker: Eine Verherrlichung von Mental-Health-Problemen?
Eine Filmanalyse zum 2019 erschienenen Film von Todd Philipps
Von Silas Osswald
Den Joker als Lieblingsbösewicht von Batman gibt es schon eine halbe Ewigkeit. Von Cesar Romeo, der 1966 erstmals den Joker im TV verkörperte, über Jack Nicholson, Heath Ledger bis hin zu Joaquin Phoenix, um nur ein paar zu nennen. Doch noch nie gab es so viel Kritik, wie bei der neusten Verfilmung von Todd Phillips.
Obwohl dieser Film eine sehr gute Zuschauer-/ und Kritikerbewertung erhalten hatte, gab es viele die, ihn als gewaltverherrlichend, krank und gefährlich bewerteten. Aber warum ist das so? Der Comicbuchcharakter war doch schon immer das Böse in Person, warum also unterscheidet sich diese Version des Jokers so stark von den anderen?
Die Antwort ist einfach: Noch nie wurde bisher die Vorgeschichte des Jokers in einem Film so umfangreich und menschlich dargestellt. In der 1989er-Verfilmung von Batman, in der Jack Nicholson den Joker gespielt hatte, hatte seine Boshaftigkeit, die eher an Streiche erinnerten, keinen besonderen Ursprung. Mit Heath Ledgers Joker aus The Dark Knight (2008) wurde Jokers Handeln durch paranoide Schizophrenie erklärt. Doch auch hier bekam der Joker keinen ausführlichen Hintergrund. Erst mit der 2019 veröffentlichten Version des Jokers bekommt der Zuschauer eine nahezu reale Vorgeschichte vorgelegt.
Die psychologischen Hintergründe eines Böseswichtes
Mental Health ist ein komplexes und weitläufiges Thema, welches in der Filmwelt häufig zum Einsatz kommt. Besonders in Bezug auf Bösewichte oder Personen mit moralisch verwerflichen Ideologien werden psychische Krankheiten oder Probleme oft etabliert, um die Motivation der Figur zu erklären. In Rollen wie Robert De Niros Travis Bickle in Taxi Driver oder vielen Jack-Nicholson-Filmen wie in Flying Over the Cuckoo’s Nest, seiner Darstellung des Jokers in Tim Burtons Batman, oder aber auch Ed Norton und Brad Pitts Rollen in Fight Club, werden psychische Krankheiten verherrlicht.
In Todd Phillips neuestem von bisher 15 Filmen, in denen er Regie geführt hat, taucht der Zuschauer in die Welt des Jokers ein. Der Joker als Ausformung des Bösen schlechthin ist als gefährlichster Antagonist des Superhelden Batman bekannt. In Todd Phillips Comic-Origin-Story ist das Böse jedoch keiner wie bisher üblicher übernatürlicher dämonischer Herkunft, sondern der Ausdruck verzweifelter Menschlichkeit. „Das Ziel des Films ist nicht, ein gigantisches Statement über unsere heutige Welt zu treffen, obwohl es im Film anzutreffen ist, sondern herauszufinden, was jemanden eigentlich zum Joker macht.“ (Todd Phillips in einem Interview mit Warner Brothers Entertainment). Todd Phillips setzt somit den Schwerpunkt auf eine psychologische Erklärung des Charakters.
Die Geburt des Jokers
Arthur Fleck, so der bürgerliche Name des Jokers, ist ein gescheiterter Mann im wahrsten Sinne des Wortes. Sein Leidensweg ist von gewaltigen zwischenmenschlichen Niederschlägen geprägt. Schon als Kind wurde er misshandelt. Auch später wird Arthur immer wieder gedemütigt und bekommt so gut wie keine Aufmerksamkeit von Frauen. Der um die 40 Jahre alte Mann lebt mit seiner Mutter in einem kleinen schäbigen Appartement in der Großstadt Gotham. Arthur, der seit seiner Kindheit an einer ungewöhnlichen Krankheit leidet, bei der er auch in den unpassendsten Situationen lachen muss, arbeitet bei einer Agentur als Party-Clown.
Es folgt eine Abfolge von tragischen Ereignissen. So wird Arthur zunächst von seinem Arbeitgeber entlassen und seiner Sozialarbeiterin werden die städtischen Mittel gekürzt, sodass Arthur nun keine Medikamente mehr gegen seine Psychosen bekommen kann. Schließlich verstirbt sogar seine Mutter. All dies und mehr wird systematisch im Film aufgebaut und bietet eine ideologische Grundlage dafür, dass Arthur schließlich aus Sicht des Zuschauers töten darf.
Zu nah dran?
In Todd Phillips Joker wird man geradezu animiert, sich mit Arthur Fleck zu vergleichen. Phillips schafft es, Nähe zum Charakter aufzubauen und zwingt den Zuschauer suggestiv dazu, Mitgefühl für Arthur zu empfinden. Diese Strategie der Charakterdarstellung führt dazu, dass der unvermeidliche Ausbruch des Bösen in Arthur geradezu begrüßt wird. Todd Phillips erreicht mit dem Verlauf seiner Geschichte, was viele Filme nicht wollen oder können. Die Gutheißung brutaler und gewalttätiger Taten, aufgrund einer traurigen und auf mentalen Problemen angelegten Vorgeschichte.
Etwa jede fünfte Person in den USA leidet an einer psychischen Erkrankung. Das meiste was wir bzw. der Großteil der Gesellschaft über psychische Erkrankungen weiß, ist aus Filmen oder Geschichten entnommen. Dadurch besteht eine große Verantwortung von Seiten der Filme und Filmemacher*innen, über diese Krankheiten aufzuklären. Die in Joker und den anderen bereits erwähnten Filmen dargestellten Geisteskrankheiten stellen ein falsches Bild dar, in welchem die Charaktere mit einem Lächeln im Gesicht auf ein Podest gestellt werden.