Goodbye Facebook?
von Alexander Karl
Es sind Zahlen, die Marc Zuckerberg alarmieren sollten: Die Anzahl der Neuanmeldungen in den Facebook-Hochburgen USA und Kanada flachen ab, in der Türkei, die die fünft größte Gemeinde des Netzwerks stellt, übersteigen die Abmeldungen sogar die Neuanmeldungen. Setzt tatsächlich ein Facebook Fatigue ein, wie der Blogger Gutjahr es nennt?
Abwanderung und Lethargie
Gutjahr nennt in seinem Blog das Beispiel eines wahren digital native, Michael Umlandt, der für das ZDF die social web Auftritte betreut, privat aber genug von Facebook hat – und sein Konto deaktiviert hat. Damit scheint er nicht alleine zu sein: Bereits im letzten Jahr schwappte eine Lethargiewelle durch Facebook, gerade in der Kernzielgruppe der 18-44-Jährigen, die einfach keine Lust mehr auf Netzwerk zu haben schienen. Und auch in diesem Jahr häufen sich Meldungen über Abmeldungen bei Facebook. 6 Millionen Menschen sollen Facebook im Mai 2011 verlassen haben – alleine in den USA! Natürlich muss man bedenken, dass Facebook in den USA und anderen internetaffinen Ländern nur noch schwerlich weiterwachsen kann, wenn das Gros der Bevölkerung bereits online ist. Das weiß auch Facebook.
Es stellt sich die Frage: Quo vadis, Facebook?
Vergisst Facebook bei all der Profitmaximierung die User? Der im nächsten Jahr angestrebte Börsengang könnte massig Geld in die Kasse spülen, ja, vielleicht sogar historisch sein: Positiv wie negativ. Kritiker und Experten wittern schon eine neue platzende Blase, wenn das auf 100 Milliarden Dollar geschätzte Unternehmen an die Börse geht und seine Versprechen nicht halten kann.
Doch all die Kritiker und Skeptiker wissen, dass Facebook nicht nur eine globale Marke , sondern mittlerweile der Inbegriff von Globalisierung und Social Web ist. Noch immer ist Facebook – global betrachtet – das größte und wichtigste soziale Netzwerk. So sehr Google+ derzeit von den Medien als Alternative gepriesen wird: An Facebook kommt es trotz allem nicht heran. Es ist mit seinen 25 Millionen Usern ein elitärer Kreis, mehr aber auch nicht. Meldungen, dass Facebook drei Jahre gebraucht hat, um 25 Millionen Mitglieder zu finden, wirkt bei genauerem Hinsehen lachhaft. Denn Facebook war der Primus seiner Gattung, während Google+ sich in das von Zuckerberg gemachte Nest setzen konnte.
Der Blog Gutjahr’s zitiert den ZDF-Web-Experten Michael Umlandt mit den Worten: „70 bis 80 Prozent, von dem, was meine ‚Freunde’ dort posten, ist mehr oder weniger sinnbefreit. Das will ich nicht mehr lesen.“ Doch genauso, wie wir Spam-Mails ignorieren und/oder filtern, werden wir über kurz oder lang auch Facebook-Nachrichten als Junk aussortieren, was ja mittlerweile durch die Einstellungen möglich ist.
Gleichzeitig aber muss sich auch Facebook seiner Rolle als Klassenprimus bewusst werden und endlich verstehen, dass hinter den User-Daten Menschen stecken, die keine Lust haben, ein vollständig gläsernes Leben zu führen. Diese Erkenntnis scheint mittlerweile angekommen zu sein. In den USA stimmte Facebook nun Datenschutz-Auflagen zu: „Teil der Vereinbarung mit der Handelskommission FTC ist die Verpflichtung, in den kommenden 20 Jahren regelmäßig die Datenschutz-Richtlinien von unabhängigen Prüfern inspizieren zu lassen. Außerdem darf Facebook Einstellungen zur Privatsphäre nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der Nutzer verändern.“ Auch Zuckerberg selbst erklärte im Facebook-Blog, dass man „a bunch of mistakes“ begangen habe. Eine wichtige Einsicht, gerade auch im Hinblick auf den Börsengang. Es wäre natürlich aus Unternehmenssicht schlecht, kurz vor dem Gang an die Wall Street die User zu verärgern und zu verprellen. Aber Selbsterkenntnis ist ja sprichwörtlich der erste Schritt zur Besserung.
Foto: flickr/Sean MacEntee (CC BY 2.0)
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