Gender, Butler und die Medien
von Alexander Karl
Sie ist die Wissenschaftlerin, die man als Erste mit der Gender-Debatte in Verbindung bringt: Judith Butler. Längst behandelt sie nicht mehr nur dieses Feld, sondern wendet sich auch anderen, ethischen Themen – etwa der Trauer – zu. Diese Transdisziplinarität macht sie auch für die Medienwissenschaft interessant.
Wiederholung über Wiederholung
Zunächst sei gesagt: Judith Butlers Texte sind komplex und oftmals sehr abstrakt – weshalb Einführungen in ihre Gedankenwelt nützlich sind (etwa Paula-Irene Villas „Judith Butler – Eine Einführung“, dazu eine Rezension weiter unten). Schafft man es aber, sich in Butlers Theorien einzuarbeiten, eröffnet sich dem Leser eine spannende und komplexe Welt aus Theorien, die sicherlich streitbar ist – aber wahrscheinlich macht sie das nur interessanter.
Greift man beispielhaft die Theorie der Performativen Akte und Geschlechterkonstruktion heraus, lassen sich schnell interessante Medienbezüge feststellen. Butler sagt, dass Geschlechter nicht nur konstruiert sind, sondern die Geschlechtsidentität durch „die stilisierte Wiederholung von Akten zustande kommt“ (Butler, 2002, S. 302). Vereinfacht ausgedrückt: Wir sehen täglich, welches Verhalten männlich und welches Verhalten weiblich ist. Dadurch wird die Geschlechtsidentität – so Butler – geformt. Solche Wiederholungen finden aber nicht mehr nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Leben statt – also auch in den Medien. Auf dieser zusätzlichen Ebene zeigen uns fiktive Charaktere, dass man für männliche Babys blaue und für weibliche Babys rosafarbene Strampler kauft. Dass die Männer hart arbeiten und die Frauen wahlweise Hausfrauen sind und/oder shoppen. Kurzum: Die Medien sorgen für noch mehr Wiederholungen von Akten, gerade dann, wenn stereotype Figuren zugrunde liegen. Diese „Gender Performance“ ist damit nie orginal oder gar orginell, sondern nur „eine Imitation einer Imitation einer Imitation“ (Villa, 2012, S.77) – eben aufgrund der Wiederholungen, die wir uns tagtäglich ansehen und sie selbst performen.
Die Frau, der Nicht-Mann
Butler befasst sich sehr stark mit theoretischen Überlegungen zur Subjektwerdung und der Identität, wobei letztere nicht immer nur auf das Geschlecht abzielen muss. Menschen werden, so Butler, bestimmte Identitäten zugeschrieben, die sie je nach Kontext erfüllen: Ein Mensch ist Frau (oder Mann), heterosexuell (oder homosexuell), Schriftsteller (oder Wirtschaftsexperte) und vieles mehr. Doch oftmals findet eine Reduktion auf ein Merkmal – oder eine Identität – statt. Dann ist man nur ein Mann, nur heterosexuell, nur Schriftsteller. Gerade in den Medien findet man diese Reduktion auf den Euro-Rebellen, den Wirtschaftsexperten oder den PR-Berater. Hinter diese eine Identität treten dann all seine anderen Identitäten zurück – etwa liebender Familienvater oder Schrebergarten-Besitzer. Zudem bedeutet nach Butler die Zuschreibung einer Identität, dass man eine andere nicht ist: Wer Mann ist, ist Nicht-Frau. Wer schwul ist, ist nicht-hetero (vgl. hierzu: Villa, 2012, S. 45ff.).
Diese beiden Beispiele – mögen sie an dieser Stelle die Theorien Butlers auch nur knapp und in Aspekten ausführen – machen deutlich, dass gerade die Geschlechterfrage in den Medien eine große Rolle spielt: Wie werden Mann und Frau dargestellt? Gibt es ausschließlich Darstellungen von Mann und Frau oder auch von intersexuellen Menschen? Wenn sie sich in ihren neueren Texten mit ethischen Fragen – etwa der Trauer – auseinander setzt, gilt es zu fragen: Welche Leben werden öffentlich und medial betrauert? Paula-Irene Villa nennt hier als Beispiel den Begriff der „Döner-Morde“ (2012, S. 139).
Judith Butler regt zu interessanten Gedanken an, wenn man sie denn versteht. Deshalb ist gerade für den Einstieg in Butlers Theorien eine erklärende Hilflektüre empfehlenswert, etwa die Folgende:
Judith Butler – Eine Einführung (2. aktualisierte Auflage), 2012.
„Judith Butler – Eine Einführung“ von Paula-Irene Villa, Professorin für Soziologie und Gender Studies an der LMU München, hält, was sie verspricht: Villa gelingt eine gute und systematische Gliederung des Buches, die den Leser in die Gedankengänge Butlers einführt. So geht es zunächst um den Diskurs und die Sprache, die für Butlers gesamte Argumentation wichtig sind. Gleichzeitig handelt es sich bei diesen Themen um sehr abstrakte Überlegungen Butlers, die ein harter Einstieg in die Materie sind. Über das gesamte Buch hinweg werden aber immer wieder Querverweise in Butlers Argumentation herausgestellt, die für eine gute Verständlichkeit der Theorien und Aha-Effekte sorgen. Neben der Abhandlung der wichtigsten Theorien geht Villa auch auf die Rezeption und Wirkung Butlers ein. Sicherlich gibt es Autoren, deren Ausführungen einfacher zu erläutern sind als Butlers, doch eine Komplexitätsreduktion hätte an mancher Stelle das Lesen erleichtert. Insgesamt eignet sich das Buch aber sehr gut für einen Überblick über Butlers Werke und ihre Theorien.
„Judith Butler – Eine Einführung“ (2. aktualisierte Auflage) von Paula-Irene Villa ist am 16.08.2012 in der Reihe Campus Studium erschienen. Kartoniert, 179 Seiten, € 16,90.
Ebenfalls erwähnt: Butler, J. (2002). Performative Akte und Geschlechterkonstruktion. Phänomenologie und feministische Theorie. In: Wirth, U. (Hg.). Performanz: Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. (S. 301-320). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
flickr/Andrew Rusk (CC BY 2.0); Buchcover: Campus Verlag
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