Feindbilder in den Medien: eine Schlussbetrachtung

von Lara Luttenschlager

Feindbilder sind unsere täglichen Begleiter. In den Medien begegnen wir ihnen beim Surfen auf Facebook, beim morgendlichen Lesen der Zeitung oder wenn wir abends bequem auf dem Sofa einen Action-Thriller anschauen. Wo und warum wir Feindbilder in den Medien finden, war Thema dieser Artikelreihe.

Ein Mittel zur Selbstbeschreibung

Ein Grund dafür, warum wir Feindbildern so oft begegnen, ist ihre identitätsbildende Funktion. Indem Menschen sich von anderen abgrenzen, definieren sie, was sie sind oder zumindest sein wollen. Dies geschieht meist über die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nationalität, Ethnie oder sozialen Gruppe. Selbst- und Fremdbeschreibungen ist deshalb etwas Normatives inne – und da wir selber ja lieber besonders toll sein wollen, verorten wir die negativen Attribute lieber bei anderen Gruppen. Feindbilder als Deutungsmuster ordnen also anderen Gruppen pauschal negative, kollektive Eigenschaften zu, helfen uns so bei der Bildung der eigenen Identität und reduzieren die Komplexität unserer Umgebung. Dabei bewirken sie meist ein Gefühl des Bedrohtseins, bei dem wenig hinterfragt wird, ob dies überhaupt gerechtfertigt ist.

Zur Rolle des Internets

Welche Implikationen die wachsende Bedeutung des Internets bei der Verbreitung von Feindbildern hat, damit beschäftigten sich ein Artikel über Amateurvideos in bewaffneten Konflikten und ein Artikel über das Slut-Shaming. So haben Amateure in den Krisengebieten der Welt schon längst die Wunderwaffe Handyvideo für sich entdeckt und haben nun nicht nur die Möglichkeit, auf ihr Leid aufmerksam zu machen, sondern auch gezielt den Gegner zu diskreditieren und an die Emotionen der Rezipienten zu appellieren, um Empathie und Unterstützung zu bekommen. Das Internet bietet also einen neuen Entstehungs- und Verbreitungsort für Feindbilder. Gleichzeitig ist dort in den letzten Jahren eine Art digitaler Pranger entstanden, wo Menschen jene diffamieren und beleidigen, die ihrer Meinung nach zu einer Gruppe Menschen gehören, welche gegen bestimmte Normen verstößt. Die indirekte Form der Kommunikation und der hohe Anonymitätsgrad im Internet bewirken hier eine Verringerung der Empathiefähigkeit, wodurch die Reaktionen der Öffentlichkeit oft besonders heftig ausfallen. Slut-Shaming, eine Form des Cybermobbings, bei dem Frauen, die angeblich zu freizügig leben oder gekleidet sind, mit Beleidigungen überhäuft und ausgelacht werden, ist da leider keine Seltenheit mehr.

Feindbilder passen in ihre Zeit

Diese Reihe hat sich außerdem mit aktuell besonders beliebten Filmfeinden auseinandergesetzt, darunter vor allem künstliche Intelligenz und lateinamerikanische Drogenkartelle. Filmfeinde erfüllen wichtige dramaturgische Funktionen, da sie wichtig für den Aufbau des Spannungsbogens sind und den Gegenpart zum bewundernswerten Helden spielen, mit dem wir uns identifizieren. Dabei bedienen sich Filme und Serien oft aktueller Feindbilder und bauen sie mit auf. Das sieht man unter anderem daran, dass Darstellungen und Eigenschaften von Filmfeinden meist den aktuellen Feindbildern einer Gesellschaft entsprechen. Angesichts des technischen Fortschritts und der Entwicklung immer intelligenterer Maschinen versucht der Mensch durch Science-Fiction-Filme seine Identität neu zu definieren und kämpft auf der Leinwand gegen böse, menschenähnliche Roboter. Er kommt zu dem Schluss, dass Maschinen zwar vielleicht bald in vielen Gebieten besser sind als er, aber moralisch immer unterlegen sein werden. Am Feindbild lateinamerikanischer Drogenkartelle andererseits, das seit einigen Jahren Einzug in amerikanische Produktionen Einzug findet, lässt sich erkennen, wie Feindbilder in Unterhaltungsmedien politischen Debatten und Legitimationsdiskursen folgen.

Zur Verantwortung der Medien

Mit einem der wohl aktuellsten Beispiele für die politischen Implikationen bei Feindbildern befasste sich ein Artikel über das Feindbild Islam, das zu erheblichen Teilen durch die Medien verbreitet wird. Hier wird die Verantwortung der Medien deutlich, die durch ihre Bilderwelten und selektive Berichterstattung, welche sich oftmals an dem Nachrichtenfaktor „Negativereignis“ orientiert, soziale Ängste und Vorurteile fördern. Deutlich machte die Betrachtung des Feindbild Islam auch, welche Abgrenzungs- und identitätsbildende Funktion Feindbilder für uns erfüllen können.

Doch Medien können auch genau die umgekehrte Funktion erfüllen, wie ein Artikel über Culture-Clash-Komödien zeigte: Indem diese Protagonisten aus verschiedenen Kulturen oder sozialen Schichten mit all ihren Eigenheiten und Vorurteilen aufeinanderprallen lassen, entlarven sie das Überlegenheitsdenken und die Verschlossenheit der Menschen. Sie lassen unsere Feindbilder und jene, die sich zu stark an ihnen festklammern, zur Lachfigur werden. Denn Humor hilft uns dabei, die Situationen mit mehr Abstand zu betrachten und einzuordnen – und lässt auch noch ein Verbundenheitsgefühl entstehen, wenn wir alle über die gleichen Dinge lachen können.

Und deshalb:

Feindbilder dienen uns als Hilfsmittel zur Definition unserer eigenen Identität und bilden kollektive Negativbeschreibungen anderer Gruppen, die unserem eigenen Selbstbild schmeicheln sollen. Diese Vorurteile teilen die Welt in „wir“ und „die Anderen“ ein und sehen keine einzelnen Menschen, sondern nur noch das schlechte Kollektiv. Eine pauschale Schuldzuweisung kann einzelnen Menschen gegenüber nur ungerecht sein. Als Teile von Diskursen bedingen Feindbilder zudem private und politische Handlungsoptionen und haben deshalb enorme soziale und politische Auswirkungen. Zeigen sollte diese Artikelreihe deshalb vor allem, wie allgegenwärtig Feindbilder sind – und dass ihr bewusstes Hinterfragen selbst bei der Rezeption von scheinbar unverfänglichen Unterhaltungsmedien nur mehr als sinnvoll sein kann.

Foto: flickr.com/ Daniel Horacio Agostini (CC BY-NC-ND 2.0)


Alle Artikel dieser Reihe:

Wenn Aladdin zum Feind wird

Feindbilder in den Medien

Skrupellos, gerissen, unentbehrlich: Filmfeinde

Verpixelte Augenzeugen – Amateurvideos in politischen Konflikten

Künstliche Intelligenz: Unsere Angst vor der „Robokratie“

Slut-Shaming: Wenn sich der Mob zur Moralpolizei erhebt

Islamfeindlichkeit: Der Medien-Verkaufsschlager

Hollywood im War on Drugs

Beim nächsten Kulturschock: Lachen bitte!