Der Aufschwung des TV-On-Demand
Zuerst war das Fernsehen und es war groß. Dann kam das Internet und dies war größer. Groß genug, um die Gesellschaft zu verändern und groß genug, das Fernsehen zu verdrängen. Aber wie und warum? Welche Veränderungen brachte das Internet?
Fernsehen auf und nach Verlangen. Das ist in Zeiten des Internets kein großes Problem mehr. Zu Beginn des Fernsehens gab es nur drei Kanäle. Die einzige Entscheidung war, welcher dieser drei Kanäle man einschaltete. Für neue Filme musste man ins Kino gehen. Heute ist das anders. Es gibt weitaus mehr als drei Sender und diese sind sehr verschieden. Da ist es nicht verwunderlich, dass von 1997 bis 2020 die durchschnittliche Sehdauer des Deutschen um 37 Minuten gestiegen ist. Aber jetzt fängt das Internet an, dem beliebten Zeitvertreib Konkurrenz zu machen. Netflix und Co ziehen, die Massen der jüngeren Generationen an sich.
Die Anzahl der Abonnenten bei Netflix sind rasant gestiegen, von 25,71 Millionen auf 230,7 Millionen weltweit, in den Jahren von 2012 bis 2022. Einen ähnlichen Aufschwung haben auch andere Streamingdienste zu verzeichnen. Keiner will mehr schauen müssen, was irgendein Produzent ihm vorsetzt, und das dann auch noch zu festgelegten Zeiten. Durch on demand wird das geändert. Man kann schauen, was, wo und wann man will. Durch die Funktion des Downloads wird die Reichweite der Selbstbestimmung noch mehr gestützt. Die TV-Sender versuchen nachzurücken, da auch ihr Angebot mehr und mehr im Internet gestreamt wird. Von 1800 Befragten in 2020 sagten 75 %, dass sie die Mediathek nutzen, dagegen gaben nur 29 % an, Live fernzusehen. Auch die Corona-Krise hat ihren Teil dazu beigetragen. In 2020 sind im Vergleich zum Vorjahr die Umsätze des traditionellen TVs um 4,9 % gesunken. Bei den Streamingdiensten hat es einen Zuwachs von 12,6 % gegeben.
Aber dieser Wandel bedeutet noch weitaus mehr. Es gibt den Nutzern die Freiheit, zu schauen, was ihnen gefällt und dies zu beliebigen Zeiten. Es hält die soziale Blase, in der wir ohne hin schon stecken, aufrecht. Dadurch erhalten die Menschen noch mehr die Möglichkeit, ihre Augen vor bestimmten Themen zu verschließen. Dieses gezielte Aussuchen der Themen, könnte zur Folge haben, dass unangenehmen, aber notwendigen Inhalten aus dem Weg gegangen wird.
Davor war jeder gezwungen, auch hin und wieder Anderes zu sehen. Jeder konnte dem Zuschauer über die Schulter sehen, da es in einem Wohnzimmer stattfand. Somit wurde man zum Beispiel in der Familie oft auch durch den Konsum der anderen geprägt und schaute diesen mit, auch wenn es eigentlich nicht im eigenen Interessengebiet liegt.
An sich ist das Konsumieren von Filmen mittlerweile mehr ein Einzelsport als ein Gemeinschaftserlebnis. Früher war das abendliche gemeinschaftliche Fernsehen ein Familienevent, an dem alle teilnahmen. Es ging mehr um das Zusammensitzen und Entspannen von dem stressigen Arbeitstag als einsam im Zimmer eine Serie zu bingewatchen. Das führte zu einem leichteren Austausch und Verarbeitung des gesehenen.
Jedoch ist auch der Anspruch durch Freunde und Bekannte stärker immer alles geschaut zu haben, was sie schauen. Es gibt Kreise, in denen wird man regelrecht abgefragt über das Repertoire, um die Kompatibilität zu prüfen. Bestimmte Streamingdienste müssen genutzt werden, um dazuzugehören. Dies kann auch zur Folge haben, dass bestimmte Gruppen als schlecht gesehen werden, und somit Menschen ausgegrenzt werden. Besonders bei großen Franchise wie zum Beispiel bei Star Wars und Star Treck kann ein regelrechter Meinungskrieg beobachtet werden. Das Resultat sind regelrechte Glaubensgemeinschaften, die nur ihr Lieblingsuniversum als logisch, glaubwürdig und wertvoll erachten. Somit können sich Gesellschaftsgruppen spalten und führen zu Streitereien.
Solch eine Auffächerung in Gruppen ist nur möglich, da jeder die Freiheit hat selbst zu wählen und sich das vermeintlich richtige Programm selbst zu erstellen.
Und trotzdem hat das TV-On-Demand auch seine positiven Seiten. So die Internationalität von im Internet stattfindenden Konsummöglichkeiten. Das Internet ist in den meisten Ländern nicht an die Nationalität gebunden und kann somit auch Einblicke in andere Kulturen bieten. Zum Beispiel haben sowohl Netflix als auch Amazon Prime ein breites internationales Angebot mit Filmen und Serien aus unterschiedlichen Ländern und einheimischen Regisseuren. Das Angebot ist nicht mehr wie beim Fernsehen auf den westlichen Lebensraum eingeschränkt. Somit können neue Formen der Kunst entdeckt werden und durch Veranschaulichung ein reales Bild von anderen Ländern entstehen.
Das Hauptmotiv zum Medienkonsum auf Internetplattformen und im Fernsehen ist meistens Spaß. Ein Film oder eine Serie können, einem nicht nur eine neue Welt zeigen, sondern auch, die Realität für einen Augenblick verschwinden lassen. Da Filme durch Bild und Ton die zwei Sinne ansprechen, mit denen die meisten die Realität zum Großteil wahrnehmen, ist es mit ihnen möglich vollkommen in andere Lebenswirklichkeiten zu versinken und Emotionen zu erleben, die man vielleicht in der eigenen Realität vermisst. Es kann jedem Gemütszustand die richtige Medizin in Form von Bild und Ton gegeben werden und kann den emotionalen Zustand verbessern.
Dass wir uns als Gesellschaft immer verändern, ist nichts Neues. Und die Veränderungen, die mit dem TV-On-Demand kommen, sind, weder aufhaltbar noch vermeidbar. Es ist wichtig, wie bei vielen neuen Errungenschaften, sich selbst darüber klar zu werden, wie man dem Neuen in seinem Leben Platz gibt. Und so ist es auch mit dem Fernsehen, wie auch mit dem TV-On-Demand. Wie man die Selbstbestimmung nutzt, ist jedem persönlich überlassen.
Quellen:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/118/umfrage/fernsehkonsum-entwicklung-der-sehdauer-seit-1997/#professional
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/653794/umfrage/zuschauermarktanteile-der-groessten-sendergruppen/
https://de.statista.com/themen/1840/netflix/#dossierSummary__chapter3
https://de.statista.com/infografik/22829/geschaetzte-umsatzentwicklung-bei-tv-und-video/
https://de.statista.com/infografik/24135/anteil-der-befragten-die-gelegentlich-fernsehsendungen-ueber-das-internet-schauen/