Die Gedanken sind frei?!

Von Miriam Lenz

„Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten, sie fliehen vorbei wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen, es bleibet dabei: die Gedanken sind frei.“ Seit jeher ist diese Aussage, die in einem deutschen Volkslied getroffen wird, wahr. In der menschlichen Geschichte veränderten zwar Kriege die Landkarte und Kulturen und Religionen setzten sich zu Ungunsten anderer durch, doch niemals wurde etwas anderes als äußere Grenzen angegriffen. Die Grenze, nämlich die zu unseren Gedanken, vor der wir dank der Technik heute stehen, ist eine ganz andere als alle, die wir davor verschoben oder zerstört haben. Fällt diese Grenze, verändert sich alles.

Gedankenlesen mittels Gehirn-Computer-Schnittstellen

Mit Gehirn-Computer-Schnittstellen oder brain-computer-interfaces wird Gedankenlesen möglich. Es handelt sich um eine mit technischen Mitteln hergestellte direkte Interaktion zwischen Gehirn und Maschine. Hierbei werden Hirnaktivität und Hirnströme einer Person mittels EEG beobachtet und analysiert. Grob gesagt: Weiß man einmal, wie das Muster für den Befehl, den Arm zu heben, aussieht, erkennt man ihn immer wieder. Für einen reibungslosen Ablauf muss der Computer einerseits lernen, die individuellen Muster der interagierenden Person zu erkennen, und die Person muss andererseits lernen, den Computer zu steuern. Jede Schnittstelle passt somit genau zu einer Person. Bisher werden Gehirn-Computer-Schnittstellen vor allem in der Medizin eingesetzt, sollen bald aber auch in Computerspielen Anwendung finden und auf immer mehr Bereiche unseres Lebens ausgeweitet werden.

Wie genau es Gehirn-Computer-Schnittstellen möglich machen, mit Gedankenkraft etwas nicht Körpereigenes zu bewegen, zeigt das Video der Max-Planck-Gesellschaft auf anschauliche und verständliche Weise:

Das Video verdeutlicht, dass ein Gehirn unglaublich viele Rechenoperationen gleichzeitig ausführt. Deshalb konzentrieren sich die Forscher stets nur auf einen Hirnbereich, wenn sie nach Mustern in den Hirnströmen suchen. Zum Beispiel auf den, der für die Ausführung von Bewegung zuständig ist. Dort wiederum separiert man die Signale, die etwa für die Beinbewegung zuständig sind. So wird es möglich, dass Personen, die einen Schlaganfall hatten, nur durch einen Gedanken eine Beinprothese bewegen. Sind allerdings die Neuronen im motorischen Cortex beschädigt, wie das bei Locked-in-Patienten der Fall ist, sind die Signale für den Computer zu schwach. In solchen Fällen kann man den Computer darauf trainieren, statt Bewegungsimpulsen Emotionen als solche zu deuten. Stellt sich der Patient dann Freude vor, kann das der gespeicherte Befehl für das Heben des Beines sein.

Dem direkten Gedankenlesen kommt das Brain-to-Text-Verfahren noch näher. Hier können aus Gehirnströmen mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit Wörter und Sätze rekonstruiert werden. Hierfür wird ein Elektrodennetz direkt auf die Großhirnrinde einer Person gelegt, während diese spricht. Anhand der gewonnenen Daten und des Wissens, was gesagt wurde, wird ein Spracherkennungs-Algorithmus auf die Signale trainiert. Auch von diesem Prozedere könnten Locked-in-Patienten profitieren und wieder eine Möglichkeit bekommen, zu kommunizieren. Bisher ist die Datenbasis allerdings noch zu gering. Dafür ist ganz anderes bereits möglich. So gelang es Forschern, den Bewegungsimpuls einer Person aufzufangen und mittels Internet auf eine andere Person zu übertragen, die diesen dann ausführte.

Ein schmaler Grat zwischen Nutzen und Gefahr

Die Gedanken sind frei 2So faszinierend und hilfreich diese Erkenntnisse auch sind, sie sind auch beängstigend. Wenn das Gedachte über das Internet übertragen wird, kann es theoretisch jedem zugänglich und nur schwer aus dem Netz zu entfernen sein. Auch wird schon darüber nachgedacht, Gehirn-Computer-Schnittstellen in militärischen Einsätzen zu verwenden. So könnte ein nicht fachkundiger Soldat aus dem Hintergrund von einem Fachmann gesteuert werden. Ebenso könnten Gehirn-Computer-Schnittstellen in Verhören eingesetzt werden, wie das schon auf freiwilliger Basis mit Lügendetektoren gemacht wird. Gelangt die Technologie allerdings in falsche Hände, könnte sie auch dafür eingesetzt werden, Gefangenen Geheimnisse zu entreißen. Und auch die Wirtschaft wird ein großes Interesse an den Gedanken und Kaufpräferenzen ihrer Kunden haben. Es wird daher Regelungen brauchen, die wenn die Technik einmal so weit ist, festlegen, was gemacht werden darf und was nicht. Allerdings schützen auch Gesetze nicht vor Missbrauch. Zudem muss man sich bewusst machen, dass es nicht immer ein EEG oder Elektrodennetz auf der Großhirnrinde braucht, um zu erraten, was wir denken. So sagte bereits der Vorstandsvorsitzende von Google, Eric Schmidt: „Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, wo du warst. Wir können mehr oder weniger wissen, was du gerade denkst.“ Denn Google hat ein globales Netzmonopol, speichert und analysiert unsere Daten, kann unsere E-Mails mitlesen und weiß anhand unserer Suchanfragen, was uns interessiert. So groß ist da der Unterschied zum direkten Gedankenlesen mittels EEG gar nicht mehr.

Noch gibt es keine universale Gedankenlesmaschine. Die Datenbasis ist zu gering, die Hirnströme und die daraus abgeleiteten Muster von Menschen zu unterschiedlich und sogar die Muster einer einzelnen Person können sich im Laufe ihres Lebens ändern. Auch ist es noch nicht möglich, komplexe Gedankengänge zu erkennen. Die Wissenschaft ist sich daher einig, dass niemandem gegen seinen Willen Gedanken entrissen werden können. Allerdings glaubte man auch noch bis vor Kurzem, die Gedanken seien frei.

Fotos: flickr.com/Ars Electronica (CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/Derek Bruff (CC BY-NC 2.0)

Eine Frage der Macht

Von Miriam Lenz

Sagt Ihnen „Cold Turkey“ etwas? Damit ist allgemein ein Entzug gemeint, richtig. Aber es ist auch ein Computerprogramm, das für eine vom Nutzer bestimmte Zeit ausgewählte Internetseiten auf dem eigenen Rechner blockt, sozusagen den Entzug einleitet. Das Programm wird von Menschen benutzt, die es nicht mehr aus eigener Kraft schaffen, nicht im Internet zu surfen. Dieses Gefühl kennen immer mehr Menschen, denn erhöhter Medienkonsum kann suchtartige Symptome erzeugen. Doch lässt das bereits den Schluss zu, dass viele von uns von Medien abhängig sind und uns diese dominieren?

Vollkommene Selbstbestimmtheit ist unmöglich. Das sagt der amerikanische Medientheoretiker Harold A. Innis. Er glaubt, dass die aktuell dominanten Medien stets die Gesellschaft prägen. So haben wir beispielsweise einen Großteil unseres Lebens, wie etwa unser Kommunikationsverhalten oder unsere Jobs, an die Arbeit mit dem Computer angepasst. Ebenso ist es für uns normal geworden, immer weniger Wissen im Kopf zu behalten, weil wir uns daran gewöhnt haben, dieses mit einem Mausklick online abrufen zu können. Aktuell fühlen sich aber viele schon so sehr verändert und fremdbestimmt, dass sie wie etwa mithilfe von „Cold Turkey“ versuchen, sich aktiv der Macht eines Mediums zu entziehen.

Dass wir jetzt überhaupt gegensteuern müssen, liegt laut dem Medienwissenschaftler Neil Postman daran, dass wir nur zu Beginn der Nutzung eines Mediums dieses kontrollieren können. Ist es erst einmal Teil unseres Alltags, wird es immer schwieriger, das Medium unabhängig zu betrachten. Mit den Worten von McLuhan stehen wir dann unter einem unsichtbaren, aber dominanten Regime der Medien. Ein gewisse Skepsis sollte daher allen Medien gegenüber bestehen bleiben, denn Medien, das wussten schon der französische Soziologe Michel Foucault und sein Landsmann Jean-Louis Baudry, wirken vor allem unterbewusst, wodurch es leicht passieren kann, dass der Nutzer unter ein Diktat gestellt wird. Unsere Unmündigkeit wird aktuell vor allem dann sichtbar, wenn es um den Verkauf unserer im Internet erzeugten Daten an die Wirtschaft geht. „So eine Unverschämtheit!“, sagen wir empört, aber unsere Accounts bei den betreffenden Unternehmen löschen, das wäre dann doch auch zu schade.

Mit Prothesen zur Göttlichkeit

Mit all seinen technischen Hilfsmitteln und Prothesen will der Mensch seine eigene Begrenztheit, wie etwa nicht an verschiedenen Orten gleichzeitig sein zu können, überschreiten, da sind sich Ernst Kapp, Marshall McLuhan, Arnold Gehlen und Sigmund Freud einig. Dagegen ist grundsätzlich auch nichts einzuwenden, doch hat der Mensch sich schon allzu sehr an seine Prothesen und die Nutzung der Medien gewöhnt. Auflehnungsversuche wie „Cold Turkey“, „Managerurlaub im Funkloch“ oder „Handy-Fasten“ fallen hierbei nicht wirklich ins Gewicht. Es ist so gut wie nicht möglich, aus unserer Medienkultur auszusteigen, da sonst die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs gefährdet ist, so Hans Magnus Enzensberger.

Muss man Horkheimer und Adorno also recht geben, die den Menschen als Glied in einer Produktionskette sahen, der durch immer neue technische Möglichkeiten darüber hinweggetäuscht wird, dass nie wirklich Neues angeboten wird? Wird der Mensch tatsächlich von Medien produziert, von der Technik beherrscht, und legen technische Standards fest, was Menschsein bedeutet, wie Friedrich A. Kittler glaubte?

Ohne den Menschen geht es nicht

Medien können abhängig machen, manipulieren und beeinflussen. Deshalb muss man den Menschen aber noch lange nicht als wehrlosen Rezipienten sehen, der den Anschluss an die Außenwelt verliert, wenn er sich nicht durch die Medien up to date hält.

Es liegt bei uns, wie viel Macht wir den Medien zugestehen und wie abhängig wir uns von ihnen machen. So können wir uns beispielsweise bemühen, bewusst wahrzunehmen. Dadurch haben wir Zeit, alles zu verarbeiten, einzuordnen und zu hinterfragen, und werden nicht an die von Walter Benjamin beschriebene Reizflut gewöhnt. Wir sollten uns zudem, wie der tschechoslowakische Medienphilosoph Vilém Flusser rät, informieren und mündig werden. So verhindern wir, dass wir im Chaos untergehen, das droht, wenn wir ständig von Wissen umgeben sind. Und wir können darüber hinaus unsere Kultur aktiv mitproduzieren, indem wir uns nicht immer konform, und so wie die Medienproduzenten es intendieren, verhalten, erklären Michel de Certeau und die Vertreter der Cultural Studies.

Nehmen wir uns doch die Begrüßungsworte „Cold Turkeys“ zu Herzen, die bei Programmstart erscheinen: „Admitting it is the first step.“ Sind wir uns also der Gefahr einer Abhängigkeit von den Medien bewusst und beobachten uns selbst und unseren Medienkonsum kontinuierlich, sinkt die Gefahr, unter einem medialen Diktat zu stehen, erheblich. Wir müssen uns bewusst machen, dass es nicht DIE Medien sind, die an allem schuld sind, sondern dass es auch wir sind, die unseren Teil dazu beitragen, wie sehr die Medien uns beeinflussen können.

Foto: flickr.com/Gongashan (CC BY-NC-ND 2.0)

„Ein Freund, ein guter Freund…“?

Von Anita Mäck

Permanente Erreichbarkeit durch Online-Kommunikation kann Segen und Fluch zugleich sein. Einerseits besteht die Möglichkeit, wichtige Dinge unmittelbar zu teilen und zeit- und ortsunabhängig zu besprechen. Andererseits kann einen die Informationsflut in sämtlichen Kanälen schlichtweg überfordern. Der Bedarf nach Vernetzung ist hoch und stellt gleichzeitig eine Belastung dar, da er auch etwas mit Druck und Erwartung zu tun hat. Wie beeinflusst ständige Verfügbarkeit Freundschaften? Werden sie intensiver, da man häufiger und schneller in Kontakt treten kann? Oder entfernen sich Freunde voneinander, weil sie lieber chatten während sie parallel andere Dinge erledigen, anstatt sich Zeit für persönlichen Kontakt zu nehmen? Dieser Artikel gibt einen Einblick, inwiefern sich Freundschaften in der digitalen Welt verändern.

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Das Chatprotokoll ist ein Beispiel von Kommunikation unter Freunden, wie wir sie heute oftmals zwischen Tür und Angel über das Smartphone pflegen. Ob es um spontane Verabredungen, um banale oder wichtige Informationen geht, Online-Kommunikation ermöglicht uns permanenten Austausch. Sherry Turkle, eine US-amerikanische Soziologin und Professorin für Science, Technology and Society am Massachusetts Institute of Technology, nutzte diese Unterhaltung in ihrem Vortrag:

Sie spricht über eine Auswirkung von Online-Kommunikation, die sie den „Goldilocks effect“ nennt. In der Psychologie spricht man von diesem Effekt, wenn sich z.B. Kinder bevorzugt Aufgaben widmen, die ihrem Entwicklungsstand entsprechen und sie weder über- noch unterfordern. Übertragen auf Online-Kommunikation haben wir die alleinige Kontrolle darüber, wem wir wann und mit welcher Ausführlichkeit antworten. Wir steuern, wie nah wir andere an uns heranlassen und mit welcher Intensität wir Kontakt halten. Durch verzögerte Rückmeldung entkoppeln wir beispielsweise den natürlichen Prozess zwischen Sender und Empfänger, der uns im face-to-face-Gespräch durch eine Reaktion Aufschluss über unseren Gesprächspartner gibt. Turkle betont daher, dass Online-Kommunikation nicht dazu führen könne, einen Menschen tiefgründiger kennenzulernen.

Bedeutet vereinfachte Kommunikation gleich vereinfachte Freundschaft?

Kai Erik Trost, akademischer Mitarbeiter an der Hochschule der Medien mit dem Spezialgebiet Medien- und Sozialforschung, hat sich ebenfalls mit der Auswirkung von Online-Kommunikation auf Freundschaften befasst. Die oben erwähnte Chat-Unterhaltung entspricht dem, was Trost Vereinfachungslogik nennt. In sozialen Netzwerken sei es Jugendlichen wichtig, informativ und ökonomisch zu kommunizieren. Dem gegenüber stehe die moralische Interpretation von Freundschaft in der Lebenswelt, also sich zu treffen, sich zu umarmen, real füreinander da zu sein. Gerade wenn wir reduziert kommunizieren, ohne die Mimik und Gestik des Gegenübers zu erleben, erhöht sich das Risiko eines Missverständnisses – auch unter Freunden.

Trost fragt sich, ob dadurch ein neues Paradigma von Freundschaft entstehe und kommt zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall sei. Soziale Netzwerke stellen lediglich einen ergänzenden Weg der Beziehungspflege dar. Verändert habe sich Freundschaft dennoch: Durch die ständige Verfügbarkeit entstehen eine Omnipräsenz und eine erhöhte Kontaktgeschwindigkeit. Freundschaftliche Beziehungen durchdringen unseren Alltag daher zunehmend. Es ist inzwischen einfach geworden, innerhalb weniger Augenblicke ein Gruppengeschenk von zehn Leuten für einen gemeinsamen Freund zum Geburtstag zu organisieren. Freundinnen schicken sich gegenseitig Fotos von Outfits und binden sich so in eine Alltagsentscheidung ein, die innerhalb kurzer Zeit gefällt werden sollte. All das erfordert jedoch, dass wir immer auf Sendung sind.

Immer schneller, immer weiter – auch als Freunde?

Unser Alltag in der digitalen Welt wird zunehmend schnelllebiger. Im Job wird ein hohes Maß an Mobilität und Flexibilität von uns verlangt. Da können Freundschaften schon mal auf der Strecke bleiben. Der Spagat zwischen den genannten Vor- und Nachteilen von Online-Kommunikation und permanenter Erreichbarkeit beinhaltet viele Facetten. Sie alle einmal auf die Seite gestellt, bedeutet intensives Chatverhalten doch auch, dass uns Beziehungspflege im Alltag wichtig ist. Wir teilen Erlebnisse, Vorlieben, Werte, und Ziele durch die virtuelle Simulation gemeinsamer Aktivitäten. Doch genau dann, wenn uns mal wieder alles zu viel und zu schnell wird, schadet es nicht, einmal innezuhalten und zu reflektieren, wie wir unsere Freundschaften gestalten möchten. Denn: „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt.“

Foto: flickr.com/kodachrome65 (CC BY-NC-ND 2.0)

Das Identitätsdilemma im digitalen Zeitalter

Von Valerie Heck

Nur noch sehr wenige Menschen sind nicht in mindestens einem sozialen Netzwerk wie Facebook, Instagram oder Twitter angemeldet. Es wird neben der realen eine virtuelle Welt geschaffen, in der der Mensch die Möglichkeit bekommt, sich so zu präsentieren, wie er sein möchte. Doch was bedeutet dies für die eigene Identität? Gibt es noch das eine Ich, wenn im Internet eine Vielzahl virtueller Identitäten aufgebaut werden können?

Ich – Das können viele sein

Daniela Schneider ist Aktionistin für Veganismus, die regelmäßig Beiträge und Artikel zu diesem Thema auf ihrer Facebook-Seite postet. Bei Instagram heißt sie „danispics“, ist Hobbyfotografin und veröffentlicht die schönsten Schnappschüsse aus Alltag und Urlaub. Und bei Tinder ist sie „Daniela“, die gerne kocht und sportlich ist, um mit diesen Eigenschaften die Männer in der Umgebung zu beeindrucken. Es sind drei Namen und drei Identitäten, doch eigentlich steckt nur eine Frau dahinter.

Was im realen Leben nicht denkbar ist, wird in der virtuellen Welt Wirklichkeit, denn das Internet und soziale Netzwerke ermöglichen es, in viele verschiedene Rollen zu schlüpfen oder bestimmte Facetten der Persönlichkeit in den Vordergrund zu stellen. Man spricht von „virtuellen Identitäten“ und meint damit die Art und Weise, wie Menschen sich selbst in der computervermittelten Kommunikation präsentieren. Gründe für den Aufbau von virtuellen Identitäten gibt es viele.

Zum einen geht es darum, bestimmte Eigenschaften zu betonen, um mehr Akzeptanz im virtuellen Umfeld zu erlangen. Wie Daniela, die bei Facebook ihre vegane Lebensart betont, weil viele Freunde Veganer sind. Bei Instagram stellt sie ihre aktive Seite mit Fotos von Reisen und Ausflügen in den Mittelpunkt. Bei Tinder hebt sie Eigenschaften hervor, die bei Männern gut ankommen könnten. In diesem Fall sind die Grenzen zwischen den Identitäten fließend. Zum anderen ist es durch die Anonymität in Chatrooms möglich, seine wirkliche Identität vollkommen zu verbergen und eine Tarnidentität aufzubauen. Die Person macht sich dünner, erfolgreicher oder attraktiver, um befreit von Vorurteilen und sozialem Druck ernst genommen zu werden. In diesem Fall spricht man von „Selbstmaskierung“: Es wird eine virtuelle Identität konstruiert, die sich stark von der Realität unterscheidet, um etwas ausleben zu können, was im realen Leben nicht möglich ist.

Eine selbstidealisierende Maskerade

Identität

In sozialen Medien wie Facebook oder Instagram ist das virtuelle Ich aber nicht länger eine Maske, sondern eng mit dem Offline-Leben verwoben. Die Alltagswelt wird auf den Plattformen geprägt, wo größtenteils Freunde, Familienmitglieder und Kollegen aus der realen Welt durch Fotos, Videos und Kommentare einen Einblick in das eigene Leben bekommen. Das heißt allerdings nicht, dass die „Freunde“ oder „Follower“ in sozialen Netzwerken die eine „echte“ Identität präsentiert bekommen. Die präsentierte Person hat vielleicht Ähnlichkeit mit der Person in der realen Welt, aber heute ist nichts einfacher als sein Selbstbild im Netz mitzubestimmen oder zu idealisieren. Es geht dabei nicht darum zu zeigen, wer ich bin, sondern um die Frage „Wer könnte ich sein?“. Das Selfie wurde in den letzten zwei Jahren zur vorherrschenden Ausdrucksform dieses idealisierten Ichs, denn darin wird das reale Leben häufig wie auf einer Bühne inszeniert. Wer postet schon ein Foto, auf dem er traurig und alleine auf dem Sofa sitzt? Man zeigt sich in Situationen, in denen man etwas Positives aus dem eigenen Leben mitteilen möchte: „Ich habe etwas Leckeres gekocht“ oder „Ich habe eine wunderschöne Zeit im Urlaub“. Der Trend liegt darin, den eigenen Alltag zu überhöhen und so wird im Internet ein „besseres Ich“ bzw. eine idealisierte Identität geschaffen, die sich aus Status Updates, Fotos und Tweets zusammensetzt.

Insbesondere Kevin Systroms Plattform Instagram, bei der Fotos mit schmeichelnden Filtern verschönert und dann hochgeladen werden können, ist zum Sinnbild der öffentlichen positiven Selbstdarstellung geworden. Instagram liefert nämlich kein gnadenlos ehrliches Bild, sondern schmeichelhafte Bilder, die, laut Alex Williams von der NY Times jeden „ein bisschen jünger, hübscher und Cover-würdiger aussehen“ lassen. Nutzer präsentieren sich und ihr Leben „im Layout eines Hochglanzmagazins“. Leute, die durch das Instagram Profil scrollen, sollen wollen, was du hast. Beeindrucken und Selbstreklame ist hierbei vor allen Dingen bei jungen Leuten das Motto, egal wie die Realität dahinter aussieht.

Virtuelle Anerkennung als Existenzbeweis

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Ist der Urlaub eigentlich wirklich passiert, wenn ich kein Foto vom Strand auf meiner Instagram-Seite veröffentlicht und dazu Feedback in Form von Likes und Kommentaren bekommen habe? Hinter den Fotos, Kommentaren und Videos in sozialen Netzwerken steckt der Wunsch nach Aufmerksamkeit und Anerkennung, der eng mit der Identitätsfrage verwoben ist. Zugehörigkeit und soziale Akzeptanz sind im Kollektiv wichtig: Nur wenn ich von meinem sozialen Umfeld akzeptiert werde, bilde ich eine Identität.

Der Alltag wird immer mehr vom Nachrichtenstrom in den sozialen Netzwerken bestimmt. Mit Tweets und Instagram-Fotos wird das eigene Dasein bewiesen, denn wer nicht postet, hört auf, zu existieren. Jürgen Fritz, Professor am Institut für Medienforschung und Medienpädagogik in Köln, schreibt, dass Aufmerksamkeit die Essenz sei, die die virtuelle Welt mit Leben füllt und die Interaktionen ermöglicht. Über Posten wird eine eigene Relevanz geschaffen.

Mit dieser Erkenntnis wird die am Anfang gestellte Frage, ob es überhaupt noch das eine Ich gibt, wenn im Internet eine Vielzahl virtueller Identitäten aufgebaut werden, fast hinfällig. Wer ich bin wird durch das virtuelle Umfeld bestimmt und damit stellt sich die Frage: Gibt es überhaupt noch eine Identität außerhalb der virtuellen Welt?

Fotos: flickr.com/Zlatko Vickovic (CC BY 2.0), flickr.com/Kroejsanka Mediteranka (CC BY-NC-ND 2.0)

Update completed: Sie sind jetzt vollständig vernetzt

Von Valerie Heck, Miriam Lenz und Anita Mäck

Vollständige Vernetzung, permanentes Einspeisen von Daten und selbstständig miteinander kommunizierende Maschinen – das ist längst kein Zukunftsentwurf mehr. Studenten organisieren den Unialltag über Facebook und WhatsApp. Frischgebackene Mütter tauschen sich in Blogs über Erziehungstipps aus. Familien überprüfen im Urlaub über ein Tablet, ob zu Hause die Tür verschlossen ist. Locked-in-Patienten kommunizieren mit Hilfe von Computern. Sportbegeisterte bekommen immer wieder Werbung für Sneakers, für die sie sich zuvor interessiert hatten. Gesundheitsbewusste überprüfen mit Pulsarmbändern ihre Aktivität.

Es sind alltägliche Kommunikationsmittel und Anwendungen, die zusammenhangslos scheinen, aber zur vollständigen Vernetzung und Profilerstellung führen. Die folgende Artikelreihe beschäftigt sich deshalb damit, was mit uns passiert, wenn wir zunehmend online unterwegs sind, unsere Daten preisgeben und uns auf Maschinen verlassen. Es stellen sich politische und ethische Fragen, wie z. B. wie viel Macht wir Maschinen zugestehen, wie sehr wir uns noch auf unsere eigenen Fähigkeiten verlassen, wie sehr wir zum gläsernen, manipulierbaren Bürger werden und wie sich die Definition von Privatsphäre verändert.

In den kommenden neun Tagen wird täglich ein Artikel veröffentlicht, der eine oder mehrere dieser Fragen behandelt. Das sind die Titel:

  1. Das Identitätsdilemma im digitalen Zeitalter
  2. „Ein Freund, ein guter Freund…“?
  3. Eine Frage der Macht
  4. Die Gedanken sind frei?!
  5. Scrollst du noch oder weißt du’s schon?
  6. Das Streben nach Perfektion
  7. Der errechnete Mensch
  8. Smart Home: Vernetztes Wohnen heute und in Zukunft
  9. Silicon Valley: Die Tech-Elite unter sich

Foto: flickr.com/Sacha Fernandez (CC BY-NC-ND 2.0)

Gewalt als Attraktion

Von Philipp Mang

Gewaltdarstellungen besitzen in unserer Gesellschaft eine lange Tradition: So erzählten sich zum Beispiel bereits die ersten Menschen am Lagerfeuer Horrorgeschichten. Und auch die Höhlenmalereien der Steinzeit beschäftigten sich intensiv mit den grausamen Details der Jagd. Erst mit den technischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts erreichte die mediale Gewalt jedoch ein neues Niveau. Heute existieren ganze Filmgenres, die für ihre schonungslose Brutalität berüchtigt sind (z.B. der Horror- oder Actionfilm). Jeden Sonntag sitzen Millionen von Deutschen vor dem Fernseher, um zuzusehen wie ein Ermittlerteam der Tatort-Reihe ein neues Gewaltverbrechen aufklärt. Und Ego-Shooter, die Jugendliche in die Rolle eines virtuellen Auftragkillers schlüpfen lassen, erklimmen immer häufiger die Spitzenplätze der Verkaufscharts. Mediale Gewalt, so scheint es, ist in der heutigen Zeit fast omnipräsent.

Warum Brutalität fasziniert

Wie ist diese eigenartige Faszination aber zu erklären? Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es sich bei Gewalt um ein äußerst komplexes Konstrukt handelt, das je nach Kontext und den beteiligten Akteuren oft gänzlich unterschiedlich bewertet wird. Nichtsdestotrotz lässt sich ein unveränderlicher Bedeutungskern ausmachen: So bezeichnet der Begriff die physische oder psychische Schädigung eines anderen Menschen. Im Rahmen der Mediengewaltforschung wurde dieses Phänomen in den letzten Jahren intensiv erforscht. Den Wissenschaftlern ist es dabei gelungen, unterschiedliche Motive für die Nutzung gewalthaltiger Inhalte zu identifizieren. So spielt in diesem Zusammenhang etwa die Zu- bzw. Abneigung zu bestimmten Charakteren (affektive Disposition) eine große Rolle. Wird z.B. ein Bösewicht am Ende eines Films bestraft, empfindet dies der Zuschauer häufig als Genugtuung. Überdies sind jedoch auch Phänomene wie das so genannte „Sensation-Seeking“ oder „Eskapismus“ für die Popularität von Gewalt verantwortlich. Nicht zu verachten ist außerdem ein Motiv, das der Medientheoretiker Lothar Mikos als „Angstlust“ bezeichnet – wonach es ein Rezipient genießt, sich aus einem sicheren Kontext (wie z.B. der heimischen Couch oder dem Kinosessel) heraus, lustvoll seiner Furcht hinzugeben.

Mensch & Zombie im Blutrausch

Casey Florig 2In The Walking Dead wird dem Zuschauer hierfür reichlich Gelegenheit geboten. Dafür sorgen nicht nur unzählige Kopfschüsse, sondern auch aufgeschlitzte Torsos und Unmengen Blut. Gewalt gehört praktisch von der ersten Minute an zum Standardrepertoire der Serie. Überraschend wenig Raum wird dabei jedoch der zwischenmenschlichen Brutalität gewidmet. Diese kommt nur vereinzelt zum Vorschein – etwa wenn der Governor mit einer Armee im Rücken ein ganzes Gefängnis in Schutt und Asche verwandelt. Oder Merle zu mittelalterlichen Foltermethoden greift, um an Informationen zu gelangen. Deutlich mehr Screentime kann stattdessen die Gewalt zwischen Mensch und Zombie für sich verbuchen. Nicht selten ist zu sehen, wie ein Untoter seinem Opfer bei lebendigem Leib das Fleisch von den Knochen reißt. Umgekehrt erweisen sich aber auch die Menschen als wenig zimperlich – z.B. wenn sie den Schädel eines Zombies regelrecht zu Brei schlagen.

Inszenierung der Gewalt

Bei der filmischen Umsetzung solcher Szenen bedient sich die Serie einer drastischen Strategie. So werden brutale Handlungen oft in detaillierten Nahaufnahmen ohne Zwischenschnitte gezeigt. Diese Montage-Technik verleiht dem Setting zusätzliche Glaubhaftigkeit: In einer postapokalyptischen Welt ist Gewalt für das eigene Überleben nun einmal unabdingbar. Darüber hinaus setzt The Walking Dead in ästhetischer Hinsicht vor allem auf spritzendes Blut – d.h. auf eine Reihe klassischer Splatter-Effekte (von englisch „to splat“ = spritzen). Der dargestellten Gewalt sind dabei visuell nahezu keine Grenzen gesetzt: Sie reicht von abgetrennten Gliedmaßen bis hin zu herausquellenden Innereien und lässt sich häufig nur durch komplizierte CGI-Effekte realisieren. Hinzu kommt, dass die Kampfszenen lediglich in Ausnahmefällen von bedrohlicher Musik untermalt sind. Stattdessen setzten die Sound-Designer vor allem laute Geräusche ein, um den gewaltsamen Eindruck der Bilder zusätzlich zu verstärken.

Blutiger Höhepunkt

Auf die Spitze getrieben wird diese explizite Darstellung von Gewalt aber schließlich mit Beginn der fünften Staffel, als die Gruppe um Rick mit Terminus einen neuen Zufluchtsort erreicht. Spätestens hier ist für viele Zuschauer die Grenze des Zumutbaren erreicht. In der Eröffnungssequenz ist nämlich eine brutale Hinrichtung zu sehen. Die Gefangenen werden darin zuerst mit einem Baseballschläger ausgeknockt, ehe man ihnen die Kehle aufschlitzt und sie anschließend in einen Trog zum Ausbluten wirft. Auch für die deutschen TV-Wächter (FSF) war damit die „Grenze zur Sendeunzulässigkeit“ überschritten. Der Staffelauftakt wurde deshalb nur unter Schnittauflage zur Ausstrahlung freigegeben.

Macht The Walking Dead aggressiv?

In der Öffentlichkeit ist seitdem eine hitzige Diskussion darüber entbrannt, wie jugendgefährdend die Serie tatsächlich ist. Kritiker stören sich dabei vor allem an der Beiläufigkeit, mit der die einzelnen Gewaltakte regemäßig von statten gehen. Sie kritisieren, dass The Walking Dead seiner gesellschaftlichen Verantwortung als mediales Massenphänomen nicht gerecht werde und Gewalt nur unnötig zelebriere. Doch wie gerechtfertigt sind solche Vorwürfe? Haben die Splatterszenen wirklich eine aggressionsfördernde Wirkung auf Jugendliche? Auch dazu wurde in der Mediengewaltforschung in den letzten Jahren intensiv geforscht. Die Ergebnisse belegen jedoch, dass aggressives Verhalten nicht allein auf gewalthaltige Medieninhalte zurückzuführen ist. Stattdessen spielen in diesem Prozess zahlreiche intervenierende Einflussfaktoren (wie z.B. das soziale Umfeld, Persönlichkeitsmerkmale usw.) eine zentrale Rolle. Nicht jeder Fan der Gewalt in The Walking Dead ist damit automatisch ein potentieller Serienkiller.

 

Fotos: flickr.com/Casey Florig (CC BY 2.0), flickr.com/Casey Florig (CC BY 2.0)

Wenn die Welt untergeht

von Philipp Mang

Eine verlassene Straße irgendwo in den Vereinigten Staaten. Deputy Grimes steigt aus seinem Wagen, kramt einen alten Benzin-Kanister hervor und geht auf eine Tankstelle zu. Soweit erscheint noch alles normal in der Öffnungssequenz der TV-Serie The Walking Dead. Dann schwenkt die Kamera über zerstörte Autos, ein verwüstetes Camp sowie mehrere Leichen und der Zuschauer ahnt, dass in dieser Welt nichts mehr so ist, wie man es kennt. Als Rick kurz darauf von einem Zombie-Mädchen im Nachthemd angegriffen wird, ist dieser gezwungen die Kleine mit einem Kopfschuss hinzurichten. Spätestens jetzt hat jeder begriffen: Die Serie zeigt den harten Überlebenskampf in der Zombie-Apokalypse.

Ein Synonym für die Endzeit

Um zu verstehen, was es mit diesem Begriff überhaupt auf sich hat, sollte man sich zunächst mit seinen Wurzeln auseinanderzusetzen. So bedeutet das griechische Wort apokalypsis ursprünglich nichts anderes als Entschleierung oder Enthüllung. Es ist in seinem Kern damit neutral bis positiv besetzt. Mit Verwendung des Begriffs in der so genannten Offenbarung des Johannes erfuhr die Apokalypse jedoch eine negative Bedeutungsänderung. Hierbei handelt es sich um eine neutestamentarische Schrift, die von der finalen Schlacht zwischen Gut und Böse und schließlich dem Ende der Zeit erzählt. Heute ist der Begriff deshalb ein Synonym für den Weltuntergang und steht im übertragenen Sinne für Unheil und Grauen.

Die Lust an der Apokalypse

02 Waiting for the WordTrotz dieses biblischen Einflusses ist die Idee vom Weltuntergang aber noch einmal deutlich älter als das Christentum. So finden sich bereits in der Antike erste Überlieferungen von der drohenden Zeitenwende. Und auch die Gallier befürchteten, wie Fans der Asterix-Comics nur zu gut wissen, dass ihnen eines Tages der Himmel auf den Kopf fallen könne. Tatsächlich zieht sich die Faszination an der Apokalypse wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit. Selbst in der heutigen Zeit lässt uns die Thematik einfach nicht los: Zuletzt datierte der Maya-Kalender das Ende der Welt auf den 21. Dezember 2012 – und lag damit wie viele andere vermeintliche „Propheten“ vor ihm falsch.

Deshalb ist es keine Überraschung, dass auch die Unterhaltungsindustrie zunehmend Gefallen an der Apokalypse findet. So ist in den letzten Jahren beispielsweise eine Vielzahl dystopischer Romane entstanden, in denen sich zumeist jugendliche Charaktere in einem feindlichen Endzeit-Szenario beweisen müssen (Die Tribute von Panem, Die Bestimmung). Darüber hinaus wird das Thema Weltuntergang immer wieder auch von Hollywood aufgegriffen. In Katastrophenfilmen wie The Day after Tomorrow, 2012 oder World War Z muss sich die Menschheit dabei gegen unterschiedlichste Bedrohungen zur Wehr setzen (u.a. Naturkatastrophen, Kriege, Zombie-Seuchen usw.).

Das 9/11-Trauma und seine Folgen

Was sagt diese unverkennbare Lust an der Apokalypse nun über uns als Gesellschaft aus? Sind wir alle nur ängstliche Zukunftspessimisten, die still ihrem Verderben entgegensehen? Oder lässt sich Hollywoods Fixierung auf apokalyptische Stoffe möglicherweise durch die traumatische Geschichte des Landes erklären? Am 11. September 2001 blickte Amerika nämlich zuletzt dem Untergang ins Auge, als zwei entführte Passagierflugzeuge in die Zwillingstürme des World-Trade Centers in New York krachten und tausende Menschen in den Tod rissen. Knapp 15 Jahre später haben viele Amerikaner diesen Schicksalsschlag längst noch nicht überwunden. Ihre Angst vor der Zeitenwende verarbeiten sie deshalb aus sicherer Distanz, z.B. vor dem Bildschirm – mit Geschichten wie The Walking Dead.

Sicherheit als Utopie

01 Daniel SemperteguiWie eingangs bereits deutlich gemacht verliert das Zombie-Franchise keine Zeit bei der Etablierung des postapokalyptischen Settings. Das Leben des Protagonisten Rick und seiner Familie wird praktisch von der ersten Minute an bedroht – und das anfänglich vor allem durch die titelgebenden Walker. Der Tod stellt damit sowohl zentralen Antriebsmotor als auch Lebensmittelpunkt der Charaktere dar. Ständig ist man auf der Suche nach einem sicheren Zufluchtsort. Ein ums andere Mal entpuppt sich dauerhafter Schutz jedoch als trügerische Utopie. Deshalb sind Rick und seine Familie gezwungen, ein fast schon nomadenhaftes Leben zu führen – die Angst immer im Nacken, ohne festen Wohnsitz oder Erinnerungsstücke. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, entwickeln sich die Menschen mit fortschreitender Handlung auch noch zur weitaus größeren Gefahr als die Untoten. Wann immer die Gruppe auf einen Fremden trifft, regiert das Misstrauen. Gemeinschaftsbildung wird in der Postapokalypse so zur Mammutaufgabe. Viele Charaktere sind diesem täglichen Überlebenskampf nicht gewachsen. Auch angesichts mangelhafter medizinischer Versorgung müssen sie bereits früh ihr Leben lassen. Ein friedliches Sterben findet dabei so gut wie nie statt. Alles in allem erweist sich die Welt in TWD somit als überaus lebensfeindlich.

„Wir sind die wandelnden Toten“

Da passt es, dass es Erfinder Kirkman laut eigener Aussage vor allem darum geht, zu zeigen, wie sich ein Mensch in einer solchen Welt verändert. Und tatsächlich lassen sich bei vielen Charakteren mit fortschreitender Handlung teils drastische Wesensänderungen beobachten. Am deutlichsten wird dies wohl bei Betrachtung des Protagonisten Rick Grimes: Dieser ist zu Beginn der Serie ein besonnener Polizist; ein liebender Vater, der an das Gute in den Menschen glaubt und stets versucht, Konflikte auf friedliche Art zu lösen. Die Apokalypse verwandelt den Deputy jedoch in einen lebenden Toten – in einen kaltblütigen Diktator, der über Leichen geht, um seine Familie zu schützen. Es sind vor allem realistische Charakterentwicklungen wie diese, die den Rezipienten Woche für Woche bei der Stange halten.

Fotos: flickr.com/Casey Florig (CC BY 2.0), flickr.com/Waiting For The Word (CC BY 2.0), flickr.com/Daniel Sempértegui (CC BY-NC-ND 2.0)

Mythos Zombie

von Philipp Mang

Vampire, Werwölfe und Dämonen – die Mythen- und Sagenwelt kennt viele Monster. In den letzten Jahren machen jedoch vermehrt andere Kreaturen von sich Reden: Zombies. Die Untoten sind in nahezu jedes Medium eingefallen. So belegte die satirische Novelle „Stolz und Vorurteil und Zombies“ zum Beispiel wochenlang die vordersten Plätze der Bestsellerlisten. Brad Pitt kämpfte in dem Blockbuster „World War Z“ gegen eine globale Zombie-Pandemie. Und das Videospiel „Plants vs. Zombies“ brach Downloadrekorde in App-Stores. Auch in der Fernsehserie The Walking Dead spielen die Monster eine zentrale Rolle – als tödlichste Gefahr des transmedialen Universums.

Ein wahrer Kern

2988494095_d366536cbd_zDie wandelnden Toten sind jedoch keine Erfindung der Film- oder Fernsehindustrie. Tatsächlich lassen sich ihre kulturellen Wurzeln bis nach Afrika zurückverfolgen. Ursprünglich stammt der Begriff Zombie aus den so genannten Bantusprachen und bedeutet so viel wie „Totengeist“. Er wurde im 17. Jahrhundert erstmals durch afrikanische Sklaven nach Haiti importiert. Dort glaubt man auch heute noch an die Magie des Voodoo – wonach ein Mensch mittels eines schwarzmagischen Pulvers zuerst getötet und anschließend als willenloser Arbeitssklave wieder zum Leben erweckt werden kann.

Doch auch im europäischen Raum übten die Wiedergänger bereits früh eine makabere Faszination auf die Menschen aus. So finden sich bereits im 14. Jahrhundert in vielen Kirchen so genannte Transi (franz. „ein (vor Kälte) Erstarrter“). Hierbei handelt es sich um spezielle Grabplastiken, die den Verstorbenen nicht selig schlafend oder körperlich unversehrt zeigen, sondern als lebende Leiche in teils drastischen Phasen der Verwesung. Diese sollten den Menschen die Vergänglichkeit des eigenen Lebens vor Augen führen.

Vom Grab auf die Leinwand

Erst hundert Jahre später wurde der Mythos um die Zombies schließlich erstmalig auf die große Leinwand übersetzt. Mit Filmen wie „The White Zombie“ (1932) hielten die Untoten Einzug in die Populärkultur. Für den endgültigen Durchbruch des Genres sorgte aber George A. Romero. Mit „Die Nacht der lebenden Toten“ (1969) erfand der amerikanische Regisseur die Monster gewissermaßen neu: Von bemitleidenswerten Sklaven wurden sie zu fleischfressenden Mordmaschinen. Romero beraubte die Zombies hierfür nicht nur ihrer haitianischen Wurzeln (indem er die Handlung in amerikanische Metropolen verlegte), sondern auch jeglicher Individualität. Es ist der Beginn der Zombies, wie wir sie heute kennen.

„ (…) they don’t talk. They don’t think. They eat people.“

45 Jahre später schreibt The Walking Dead die Geschichte dieser Kreaturen weiter. Ähnlich wie in Romeros frühen Werken werden die titelgebenden „Walker“ hier ebenfalls als triebgesteuerte Leichen dargestellt, die nur ein Ziel kennen: zu töten. Dabei können die Zombies nur durch eine massive Verletzung des Gehirns in ihrem Blutrausch gestoppt werden. Dies macht sie alles in allem zu einer ernstzunehmenden Bedrohung. Immer wieder müssen auch beliebte Charaktere wegen den Untoten ihr Leben lassen. Wodurch die Zombieapokalypse ausgelöst wurde? Hierüber ranken sich unter den Fans die wildesten Theorien. Geht es nach Erfinder Robert Kirkman wird diese Frage aber möglicherweise niemals abschließend geklärt werden. Nur so viel ist bislang bekannt: Weder radioaktive Strahlung noch schwarze Magie sind für die Verwandlung der Toten verantwortlich – sondern ein ominöser Virus!

Im Comic braucht es zur Darstellung dieser Transformation nur ein paar Striche und etwas Farbe. Für ein realistisches Medium wie die TV-Serie stellen die wandelnden Leichen dagegen eine ästhetische Herausforderung dar. Um eine Horde Untoter zu schaffen, braucht es hier allein zahlreiche Statisten, unzählige Liter Kunstblut und aufwändige Masken. Darüber hinaus werden die Darsteller bei jedem Dreh genau instruiert, auf eine zombietypische Art zu gehen – so als würden sie betrunken aus einer Bar wanken.

Monster von nebenan

Während The Walking Dead die Untoten aufwändig als mörderische Gefahr inszeniert, gehen andere Produzenten in Hollywood längst neue Wege. Die US-amerikanische Fantasyserie Resurrection erzählt beispielsweise die Geschichte eines kleinen Jungen, der über 30 Jahre nach seinem vermeintlichen Tod ungealtert in seine Heimatstadt zurückkehrt. Und in iZombie bekämpft eine Untote Pathologin Verbrecher, indem sie die Gehirne der Opfer verspeist. Still und heimlich ist hier eine neue Generation von Zombies herangewachsen. Diese sind nicht länger eine Plage, die es zu bekämpfen gilt. Stattdessen handelt es sich um körperlich unversehrte Monster von nebenan, die Mitgefühl wecken – und uns manchmal sogar zum Lachen bringen.

Die Welt im Zombiefieber

9998500733_022494c414_zWie wir es also auch drehen und wenden – die Untoten faszinieren. Und das so sehr, dass immer mehr Menschen auch an so genannten Zombie Walks teilnehmen. Hierbei handelt es sich um Veranstaltungen, bei denen Fans als Untote verkleidet durch Großstädte auf der ganzen Welt ziehen. Wie ist diese eigenartige Faszination für die Wiedergänger aber zu erklären? Als lebende Tote stellen diese zunächst einmal ein faszinierendes Paradoxon dar, das die Grenze zwischen tot und lebendig zu einer diffusen Grauzone verwischt. Außerdem lassen sich an den Untoten tiefgreifende Fragen der Humanität verhandeln. So ist für viele Fans z.B. unklar, wie viel Menschlichkeit in den Leichen überhaupt noch steckt. Am wichtigsten erscheint jedoch, dass Zombies als Spiegelung unserer Furcht vor dem Tod betrachtet werden können. Serien wie The Walking Dead sind damit auch ein Stück weit „Therapie“: Sie ermöglichen es uns, in einem sicheren Kontext diese Ängste durchzuspielen.

Fotos: flickr.com/Daniel Sempértegui (CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/Lawrence OP (CC BY-NC 2.0), flickr.com/traumweltenwanderer (CC BY-NC 2.0)

Das Transmediale Phänomen The Walking Dead

Von Philipp Mang

Lange Zeit fristeten Comics in unserer Gesellschaft ein Nischendasein. Sie wurden belächelt, geächtet und sogar auf Scheiterhaufen verbrannt. Heute begeistern so genannte graphic novels die Massen. Das liegt vor allem daran, dass Hollywood die Stoffe immer häufiger für die große Leinwand adaptiert – mit riesigem Erfolg: So basieren drei der zehn erfolgreichsten Filme aller Zeiten laut Box-Office Ranking auf einer Bildergeschichte (u.a. Marvel’s The Avengers und Iron Man 3). Interessanterweise lassen sich ein Großteil dieser Werke dabei dem Superhelden-Genre zuordnen. Doch nicht nur Comic-Filme brechen derzeit alle Rekorde. Auch bei amerikanischen Fernsehsendern erfreuen sich die zumeist kosmischen Geschichten immer größerer Beliebtheit. Allein in den letzten Jahren sind hier mit Arrow, Gotham, Supergirl und The Flash eine Flut von Serien-Adaptionen entstanden.

Warum Comics Hollywood erobern …

3376341189_64a7381d18_zWer diese Entwicklung nun allein auf die mangelnde Kreativität der Drehbuchautoren in Hollywood zurückführt, der irrt. Tatsächlich lässt sich die Anziehungskraft von Comics auf Film- und Serienmacher vor allem durch die enorme Visualität des Mediums erklären. Bei Comicadaptionen kann beispielsweise auf die Entwicklung so genannter Storyboards verzichtet werden. Hierbei handelt es sich um meist skizzenhafte Darstellungen des Drehbuchs. Diese sollen Produzenten bereits früh eine genaue Vorstellung von der Umsetzung der Geschichte vermitteln. Ein weiterer Grund für die Popularität von Comicadaptionen liegt in der sowohl seriellen als auch episodischen Erzählweise der Vorlagen. Darüber hinaus können die Bildergeschichten oft auf eine bereits etablierte Zuschauerschaft zurückgreifen – angesichts zahlreicher loyaler Fans scheinen hohe Zuschauerzahlen so nur noch reine Formsache zu sein.

Zombies brechen Rekorde

Die dystopische Horror-Serie The Walking Dead ist ebenfalls ein Produkt dieses neuen Hollywood-Trends. Auch sie basiert auf einem Comic (von Robert Kirkman) und bricht seit ihrer Erstausstrahlung im Jahr 2010 auf dem Sender AMC regelmäßig Quotenrekorde. Mit über 15 Millionen Zuschauern gehört sie zu den erfolgreichsten Serien in der Geschichte des amerikanischen Kabelfernsehens. Seit Staffel 2 wird die Sendung deshalb zusätzlich von einer einstündigen Talkshow (The Talking Dead) begleitet. Cast, Crew und Fans lassen hierin noch einmal die zentralen Ereignisse der vergangenen Folge Revue passieren. Mittlerweile haben selbst Kritiker Gefallen an den lebenden Toten gefunden – so wurde die Serie unlängst mit dem wohl bedeutendsten Fernsehpreis der Welt ausgezeichnet: dem Emmy. Und auch an den Universitäten des Landes setzt man sich immer häufiger wissenschaftlich mit dem popkulturellen Phänomen auseinander.

Ein multimediales Franchise

Amerika ist jedoch nicht das einzige Land, in dem der Hype um The Walking Dead keine Grenzen kennt. Längst hat sich die Serie zu einem internationalen Medienereignis entwickelt, das über verschiedenste Kanäle auf der ganzen Welt erzählt wird. So sind aus dem Comic nicht nur eine Fernsehsendung, sondern auch zahlreiche Webserien, Computerspiele und Apps hervorgegangen. Im Mittelpunkt des Franchise steht dabei der Polizeibeamte Rick Grimes, der nach einer gefährlichen Schussverletzung ins Koma fällt. Als er wieder zu sich kommt, findet sich der Sheriff in einer alptraumhaften postapokalyptischen Welt wieder, in der Tote durch ein Virus wieder auferstehen und die Lebenden attackieren. Gemeinsam mit anderen Überlebenden macht sich Rick auf die Suche nach seiner Familie und kämpft fortan täglich um sein Überleben – ein Plot der beim Publikum Anklang findet, denn mittlerweile zählt die internationale Facebookseite der Serie mehr als 32 Millionen Fans.

Faszination TWD – ein Ausblick

Wie ist diese einzigartige Erfolgsgeschichte aber zu erklären, wo doch der Serienmarkt von Comicadaptionen in den letzten Jahren zunehmend überschwemmt wird? Wodurch hebt sich The Walking Dead von anderen Genre-Vertretern ab? Oder anders ausgedrückt: Was fasziniert die Menschen auf dem ganzen Globus so stark an diesem Franchise? Die folgende Artikelreihe unternimmt den Versuch genau diese Fragen zu beantworten. Hierfür werden mit den titelgebenden „Walkern“ und dem postapokalyptischen Setting zunächst zwei zentrale Gründe für die generelle Faszination des Publikums beleuchtet. In einem nächsten Schritt soll es dann um spezielle Gestaltungsmerkmale der TV-Serie gehen, die sich entscheidend auf das Rezeptionserlebnis auswirken können. So zeichnet sich die Sendung beispielsweise nicht nur durch eine explizite Darstellung von Gewalt, sondern auch durch die Verhandlung moralischer Dilemmata aus. Charakteristisch ist außerdem, dass die Geschichte über unterschiedliche mediale Plattformen erzählt wird. Abschließend sollen deshalb zwei unbekanntere Dimensionen des Franchise näher vorgestellt werden: die Computerspiele und Webserien. Ein Streifzug durch die transmediale Welt von The Walking Dead beginnt …

Fotos: Flickr.com/Heather Paul (CC BY-ND 2.0); Flickr.com/Dave (CC BY-ND 2.0)

Captive – Gefangen in der eigenen Wohnung

Von Andrea Kroner

Ashley (Kate Mara) befindet sich am Tiefpunkt ihres Lebens: Sie ist drogenabhängig, alleinerziehend und hat Probleme bei der Arbeit. Doch als sie als Geisel genommen wird, ändert sich alles.

Zwei Welten prallen aufeinander

Ashley weiß nicht, wie sie mit den Problemen in ihrem Leben umgehen soll. Sie möchte unbedingt eine gute Mutter sein, für dieses Ziel ist sie bereit, alles zu tun. Sie besucht sogar eine Selbsthilfegruppe. Doch sie fällt trotzdem immer wieder in alte Muster zurück und schafft es nicht, von ihrer Sucht loszukommen.

Zeitgleich bricht Brian Nichols (David Oyelowo) aus seiner Zelle in einem Gerichtsgebäude aus. Er ist wegen Vergewaltigung verurteilt. Während seiner Flucht verletzt und tötet er mehrere Menschen ohne mit der Wimper zu zucken. Wieder in Freiheit zieht es ihn zunächst zu seinem neugeborenen Sohn, doch dort kreuzt auch die Polizei bald auf. Ihm wird schnell klar, dass seine ehemalige Freundin nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte.

Deshalb fährt er ziellos weiter und stößt zufällig auf Ashley. Er bedroht sie und nimmt sie in ihrer eigenen Wohnung gefangen. Verzweifelt versucht die junge Frau zunächst, eine Fluchtmöglichkeit zu finden. Doch schon bald muss sie sich mit der Situation abfinden und sich ihrem Schicksal ergeben. Nach und nach kommen sich die beiden näher – sowohl auf menschlicher, als auch auf spiritueller Ebene. Denn sie verbindet mehr, als sie glauben. Wie es mit der Geiselnahme weitergeht und ob Nichols am Ende gefasst werden kann, wird sich zeigen.

Eine wahre Begebenheit

Mit diesen Worten wollen viele Filme Zuschauer gewinnen und einen realen Bezug schaffen. Und natürlich trägt es enorm zum Spannungsaufbau bei, sich vorzustellen, dass diese Geschichte sich wirklich in ähnlicher Form zugetragen hat. In diesem Film wurden sogar die Originalnamen der Protagonisten beibehalten. Damit es noch authentischer wirkt, waren zusätzlich im Abspann weitere interessante Informationen über den Vorfall und Bilder oder Videos der Beteiligten zu sehen. Dadurch wurde das reale Geschehen sehr gut in den Film integriert.

Die Tiefe fehlt

An sich behandelt der Film ein sehr spannendes Thema: eine Täter-Opfer-Beziehung. Doch leider kratzt er an vielen Stellen nur an der Oberfläche. Besonders Hintergründe und psychologische Prozesse bleiben oft im Dunkeln. So wird für die Ermittlungen zwar der behandelnde Psychologe von Nichols befragt. Jedoch erzählt dieser nur, sein Patient behaupte, die Tat nicht begangen zu haben. Dieser interessante Punkt wird jedoch nicht näher behandelt, im Gegenteil: Danach hört man nichts mehr davon, weder von den Ermittlern, noch von Nichols selbst.

Auch die Beweggründe beider Protagonisten bleiben sehr oberflächlich. Man versteht als Zuschauer nicht, was Nichols dazu gebracht hat, jemanden zu vergewaltigen oder gar umzubringen. Aber auch Ashleys Lebensgeschichte wird nur angerissen. Man bekommt zwar einen Eindruck von ihrer derzeitigen Situation, erfährt jedoch nicht, wie es dazu gekommen ist. Deshalb gestaltet es sich im Allgemeinen als sehr schwierig, sich in die Personen hineinversetzen zu können.

Die richtige Mischung

Im Gegensatz zu den Figuren ist die Handlung in sich stimmig, da verschiedene Stränge langsam immer mehr miteinander verflochten werden. Auf der einen Seite steht Ashley, die nicht mit ihrem Leben zurecht kommt. Auf der anderen befindet sich Nichols, der vor der Polizei flieht. Dazwischen steht der ermittelnde Kommissar, der den beiden immer mehr auf die Spur kommt. Leider sind jedoch viele Ereignisse auch recht vorhersehbar, wodurch nie wirklich Spannung entstehen kann. Dennoch ist der Film an vielen Stellen unterhaltsam und berührend oder actionreich. Eine gute Mischung also, die viele Geschmäcker vereint.

Foto: Flickr.com/Joseph Morris (CC BY-ND 2.0)