Der Meister der Stille

von Andrea Kroner

Wirkliche Ereignisse in Terrence Malicks Film „To the Wonder“ sind bloß zu erahnen, da es kaum Gespräche gibt, die Informationen vermitteln könnten. Aber darauf liegt auch nicht das Hauptaugenmerk des Films.

 

Auf der Suche nach Handlung

Die Geschichte beginnt in Paris mit der frischen Liebe des Amerikaners Neil (Ben Affleck) und der Französin Marina (Olga Kurylenko). Beide wollen ihr Leben gemeinsam verbringen, weshalb Marina mit Neil in eine Kleinstadt in Oklahoma zieht. Doch sie bleibt dort eine Fremde und fühlt sich nicht verstanden – nicht einmal von Neil. Auf der Suche nach Unterstützung flüchtet sie sich zu Pater Quintana (Javier Bardem), der jedoch seinen eigenen Glauben verloren hat und ihr deshalb auch nicht weiterhelfen kann. So zieht sie schließlich zurück nach Frankreich, woraufhin Neil eine neue Beziehung mit seiner Jugendliebe Jane (Rachel McAdams) anfängt. Doch sowohl Marina, als auch Neil können ihr Leben ohne den anderen nicht bewältigen und so kehrt die Französin schließlich wieder in die USA zurück und heiratet Neil. Vordergründig scheinen sie eine glückliche Beziehung zu führen, die jedoch geprägt ist von viel Streit und einer Affäre Marinas. Der Zuschauer merkt anhand kleiner Gesten und Blicke schon von Anfang an, dass diese Beziehung nicht funktionieren kann, doch die beiden Protagonisten sind geblendet von ihrer Zuneigung und der Hoffnung auf eine gemeinsame Utopie – doch am Ende müssen sie einander dennoch loslassen.

Auf den ersten Blick hört es sich nach einer gewöhnlichen Liebesgeschichte an. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Filmen, sind die meisten Aspekte der Handlung hier vage und unbestimmt gehalten. Einiges lässt sich sogar nur mithilfe von Zusammenfassungen oder dem Klappentext erschließen.

 

Die Macht der Bilder

Durch die Handlungsarmut wird der Schwerpunkt des Films auf die beeindruckende Kraft des Visuellen gelegt. Dabei liegt Malicks große Stärke in besonders atemberaubenden Naturdarstellungen. In „To the Wonder“ hat er sogar das Bild einer Herde wilder Bisons eingefangen, zwischen denen Neil und Jane andächtig dahinschreiten. Diese eindrucksvollen Darstellungen versetzen den Zuschauer zwar in Staunen, tragen aber nicht wirklich zur Handlung bei. Durch diese Aneinanderreihung von einzelnen Szenen ist es schwierig, eine Chronologie oder Zusammenhänge zu erkennen.

Als Kontrast zur Weite und Schönheit der Natur dient das Haus von Marina und Neil. Selbst nach der Hochzeit finden sich hier kaum Möbel oder persönliche Gegenstände. Die meisten Zimmer sind leer oder werden lediglich von Umzugskartons gefüllt. Dadurch bekommt das Haus eine bedrückende, triste und leblose Aura, die auch das Innere der Protagonisten widerspiegelt.

 

Es fehlen die Charaktere

Der Pfarrer Quintana ist „die einzige Figur aus Fleisch und Blut“, so beschreibt ein Redakteur der ZEIT die Personenkonstellation. Der Pater führt als einziger reflektierte innere Monologe und setzt sich intensiv mit seinen Problemen und seiner Glaubenskrise auseinander. Doch über die anderen Personen erfährt man äußerst wenig, denn ihre Interaktion beschränkt sich hauptsächlich auf Mimik und Gestik.

Dabei lässt Malick den Schauspielern viele Freiheiten. Es gibt kein festes Drehbuch und dadurch auch viel Raum für Improvisation. Sie sollten bewusst frei spielen, um ihren Gedanken und Gefühlen freien Lauf zu lassen. Dabei erkennt man aber gerade bei Marina immer wiederkehrende Bewegungsmuster: Sie befindet sich des Öfteren auf einer freien Fläche und dreht sich mit ausgebreiteten Armen im Kreis. Grundsätzlich ist es keine schlechte Idee, die spontanen Einfälle und Aktionen der Schauspieler einzufangen, doch auf Dauer wirken diese Bewegungen bei Marina, als würde ihr nichts anderes einfallen. Das verfehlt dann leider in derart ausgeprägter Form die intendierte Wirkung und führt zu einer schlechten Nachvollziehbarkeit der Handlung, an Empathie ist gar nicht zu denken.

 

Ein Poet kommt an seine Grenzen

Malick gilt als ein Meister Hollywoods, doch mit „To the Wonder“ kommt er bei Weitem nicht an seine früheren Werke wie „Badlands“(1973) oder „The Thin Red Line“(1998) heran. Dieser Film glänzt zwar durch seine atemberaubenden Bilder, doch Handlung und Charaktere sind viel zu unscharf und verwirrend angelegt, was es für den Zuschauer äußerst schwierig macht, sich auf den Film einzulassen.

Foto: flickr.com/Fougerouse Arnaud (CC BY-NC 2.0)

Weitere Artikel aus dieser Reihe:

Teil Eins: Vergessene Filme – verborgene Schätze

Teil Zwei: Der Meister der Stille

Teil Drei: „Faust“ – die Geschichte lebt wieder auf

Teil Vier: „Erleuchtung garantiert“ – wirklich?

Teil Fünf: „5×2“ – Wieso ging es schief?

Teil Sechs: „Moolaadé“ – Bann der Hoffnung