„Das Fernsehen ist tot!“

Pierre M. Krause war an der Uni Tübingen als Workshop Coach zu Gast. Was er über die Zukunft des Fernsehens denkt, welche Geheimnisse er rund um das Fernseh-Business verraten hat und wofür eigentlich das M steht, lest ihr hier. 

Meine Erfahrungen mit Airbnb

Meine Erfahrungen mit Airbnb: Zuhause an der Algarve?

von Fadwa Al Homsi

2007 riefen drei Freunde aus dem Silicon Valley „AirBed and Breakfast“, kurz Airbnb, ins Leben. Das Konzept: Privatpersonen bieten Reisenden eine Unterkunft. Das kann ein Zimmer, eine Wohnung oder auch ein ganzes Haus sein.

Airbnb ist nicht nur bei den deutschen Reisenden gut angekommen. Im vergangenen Jahr buchten weltweit fast 17 Millionen Menschen[1] ihre Unterkunft bei Airbnb. Vor allem in Metropolen wie Berlin, München und Frankfurt, wo Hotelpreise deutlich höher sind als in anderen Städten, sei Airbnb eine willkommene Alternative. Doch ist Airbnb das, was es verspricht? Die Medienwissenschaftlerin Fadwa Al Homsi hat es für euch getestet:

Foto: Pixabay.com

[1] Summer Travel Report: http://blog.airbnb.com/wp-content/uploads/2015/09/Airbnb-Summer-Travel-Report-1.pdf

Rückblick hinter die Panels

von Marius Lang

Illustrationen von Henrike Ledig

Es ist bereits eine ganze Weile her, dass ich dieses Projekt begonnen habe. Schon damals war mir klar, dass Comics noch immer ein sträflich unterschätztes Medium sind. Sie werden als kindisch angesehen, als Literatur zweiter Klasse und nicht als ernstzunehmende Lektüre. Intelligente Menschen lesen richtige Bücher, keine Geschichten über unbeugsame Gallier oder Helden in Strumpfhosen. Auch in der Theorie werden Comics oft vernachlässigt. Diese Einstellung ändert sich zunehmend, wenn auch etwas verspätet und noch immer recht träge. Aber heute ist der Einfluss von Comics fest angekommen im Mainstream der Gesellschaft und nicht mehr ein bloßes eskapistisches Nischenprodukt.

Fortschritt des Mediums

Nur zehn Artikel sind eigentlich nicht genug, um das Thema ausreichend zu beleuchten. Der Comic als Medium hat so viel mehr Facetten, die dieses Projekt nicht abdecken konnte. Aber werfen wir dennoch einen Blick zurück, um unsere Erkenntnisse Revue passieren zu lassen. Ein zentrales Vorurteil, das Comics bis heute anhängt, ist die Behauptung, dass sie sich zumeist nur mit kindischen Problemen beschäftigen und keine realistischen Probleme in Angriff nehmen. Die Welt der Comics ist danach einfach zu weit von der realen Welt entfernt. Zwei Artikel dieses Projektes haben sich demgegenüber mit neueren Strömungen in und um das Medium beschäftigt. Schon der erste Artikel setzte sich mit dem wichtigen Thema von Sexismus in Comics auseinander. Es hat sich in der Geschichte des angloamerikanischen Comicraumes gezeigt, dass weibliche Haupt- und Nebencharaktere, vor allem in Superheldencomics, oft schlechter behandelt werden, als ihre männlichen Gegenstücke. Die Autorin Gail Simone konnte dies nicht mehr einfach so hinnehmen und rief die Website Women in Refrigerators ins Leben, benannt nach dem tragischen Schicksal einer spezifischen Figur, die brutal ermordet und in einem Kühlschrank zurückgelassen wurde, nur um die Entwicklung eines männlichen Charakters voranzutreiben. Es zeigt sich, dass zu oft Heldinnen ein grausameres Schicksal blüht, als Helden. In den letzten Jahren hat sich der Stand weiblicher Charaktere deutlich gebessert, sodass der Comicheld Thor schließlich sogar von einer Frau ersetzt wurde.

Mit diesem Wandel und anderen progressiven Änderungen im Status Quo des Marvel-Universums beschäftigte sich ein weiterer Artikel. Wie sich immer noch zeigt, vor allem in unserem Internet-Zeitalter, in dem jedem offen steht, seine oft schädlichen Meinungen kundzutun, ist das Comicfandom bei weitem nicht so progressiv, wie es eigentlich sein sollte. Mit der Nachricht, dass Thor eine Frau wird und Captain America künftig von einem Afroamerikaner verkörpert wird, folgte sofort ein Aufschrei rechter, rassistischer und sexistischer Gruppen im Fandom. Man erkennt, dass trotz allen positiven Änderungen, die Comicwelt und seine Fans noch immer einen weiten Weg zu gehen haben.

Filmgroßmacht Comics

Dabei sollten diese Änderungen eigentlich viel schneller vorangehen. Schließlich sind Comics derzeit die wichtigste Vorlage für das Mainstream-Kino. Fast alle großen, erfolgreichen Filme basieren derzeit auf Comics oder Charakteren. The Avengers, The Dark Knight, Kick-Ass, Deadpool, alles Filme, die auf spezifischen Comics oder Comic-Charakteren basieren. Zwei Artikel dieses Projektes haben sich mit Comics im Film auseinandergesetzt. Der erste Teil ging eher auf die Geschichte des Comicfilms ein. Doch der zweite Artikel nahm sich dann unser derzeitiges, großes Zeitalter der Comicfilme vor und untersuchte, wie Comicfilme dieser Tage die Gesellschaft wiederspiegeln. Die Filme wurden düsterer, erwachsener, die Hintergründe waren stärker verwurzelt mit der Gesellschaft, die sie hervorbrachten. Allerdings machten sie auch die Charaktere, deren Entstehung oft weit zurück lag, zugänglicher für ein modernes Filmpublikum. Auch reale Probleme werden mittlerweile in Angriff genommen und nicht nur Superschurken in bunten Kostümen. Die Interpretationen der Figuren und ihre Abenteuer sind in einem steten Wandel, ebenso wie unsere Gesellschaft selbst. Es ist jedoch auch interessant, dass die Eroberung des Kinos durch den Comicfilm  richtig begonnen hat, nachdem das wohl düsterste Kapitel der Comicgeschichte endete.

Die neunziger Jahre waren nicht so großartig, wie die selbsternannten „Nineties-Kids“ uns in ihrer verklärten Nostalgie glauben machen wollen. Vor allem für Comics war diese Zeit furchtbar, womit sich der dritte Artikel dieser Reihe auseinandersetzte. Die Comicindustrie erlebte Ende der achtziger Jahre einen enormen Aufschwung und rückte mehr ins Rampenlicht der Gesellschaft. Schlechtes Wirtschaften und eine zu große Konzentration auf düstere Geschichten und große Event-Comics führten allerdings, in Kombination mit anderen Problemen im darauffolgenden Jahrzehnt zu einem vollständigen Kollaps der Comicindustrie, von dem sie sich lange nicht wirklich erholte. Doch Grundlagen waren geschaffen und das Medium setzte seinen Weg weiter fort.

Auch im Fernsehen sind Comics mittlerweile ein fester Bestandteil des Storytellings. In einer kooperativen Arbeit behandelt ein Artikel dieser Reihe die Comicreihe The Walking Dead, die die Grundlage einer der erfolgreichsten Serien unserer Zeit bildet. The Walking Dead bildete ein Musterbeispiel einer erfolgreichen Reihe abseits des Superheldengenres, die ihren eigenen, in vielerlei Hinsicht anderen Charme hat, um den Leser bei der Stange zu halten. Man hatte einfach eine alte, durchgekaute Idee genommen und ihr einen neuen Anstrich verpasst, sie neue interpretiert und somit etwas noch nie Dagewesenes erschaffen.

Medium mit Möglichkeiten

Comics werden dieser Tage zunehmend ernster genommen, wenngleich noch nicht überall und oft unter Vorbehalten. Comics die allgemein jedoch schon seit längerem einen besseren Stand haben, vor allem in gebildeteren Umfeldern, werden oft unter dem Begriff der Graphic Novel zusammengefasst. Meines Erachtens nach ist zweifelhaft, ob der Begriff tatsächlich sinnvoll ist, nur um einzelne Vertreter vom Mainstream abzuheben. Was allerdings unbestritten ist, ist, dass einzelne Künstler das Medium des Comics nutzen, um sehr persönliche Geschichten zu erzählen. Im siebten Artikel setzten wir uns mit biografischen Comics auseinander. Comics wie Persepolis oder Maus, von Marjane Satrapi respektive Art Spiegelman, erzählen zutiefst persönliche Geschichten aus dem wahren Leben. Dabei nutzen sie die visuelle Komponente des Comics, um den Geschichten durch Bilder mehr Gewicht zu verleihen. Da Comics eine Kombination aus Bildern und Worten sind, geben sie Autoren und Künstlern einmalige Möglichkeiten, ihre Geschichten noch tiefer und persönlicher zu gestalten. Es ist dem wohl auch zu verdanken, dass Comics endlich auch in der Theorie mehr Beachtung finden. Einer der Vorreiter dabei war der Comicschaffende Scott McCloud, der Anfang der neunziger einen Comic über Comics veröffentlichte. Understanding Comics war Grundlage des letzten Artikels dieser Reihe, ein Buch, dass mit Leidenschaft über das Medium berichtet und sich dabei selbst der Möglichkeiten bedient, die Comics ihren Autoren und Künstlern bieten.

Raus aus den Panels

Es ist unklar, was genau die Zukunft für das Medium bereithält, und ob es jemals alle seine Stigmata loswerden kann. Was jedoch bereits im vollen Gang ist, ist die digitale Revolution. Einer der jüngeren Teile dieser Reihe setzte sich mit Webcomics und digitalen Vertretern des Mediums auseinander. Es zeigten sich viele Möglichkeiten für die Industrie, aber auch die Notwendigkeit, sich mit dem Thema in Zukunft noch mehr auseinander zu setzen. Ängste führen nur zu Stillstand, nie zu Fortschritt. Und wenn das Medium sich nicht weiterentwickelt, kann es nie wirklich in Zentrum der Gesellschaft ankommen.

Ich habe diese Reihe begonnen, um Aspekte eines Mediums zu beleuchten, das mir persönlich viel bedeutet. Über die Dauer des Projektes habe auch ich vieles gelernt und hoffe, das auch nach außen getragen zu haben. Wenn die Artikel nur einen Menschen überzeugt haben, Comics künftig etwas ernster zu nehmen, ist das schon ein Gewinn. Das Medium hat großes Potential, eine reichhaltige Industrie und so viele gute Geschichten, die es zu lesen und erleben gilt. Und damit ist es aber auch an der Zeit zurückzukehren, aus der Welt hinter den Panels, hinaus in die Realität. Und dann kann man vielleicht ein paar Comics lesen.


Alle Artikel dieser Reihe:

Hinter den Panels – Das Comic als Medium

Kühlschränke, Frauen und Comics

Tod und Rückkehr der Comic-Industrie

Superhelden in Zelluloid – Teil 1

Superhelden in Zelluloid – Teil 2

Untot und trotzdem Spaß – The Walking Dead

Die Rache der Minderheiten

Ein Leben in Panels

Endlose Leinwände und digitale Comics

Ein Comic über Comics

 

Medienperspektiven à la francaise_Titelbild

Medienperspektiven à la française: eine Schlussbetrachtung

von Sonja Sartor

Einen Blick nach Frankreich zu werfen, lohnt sich. Diese Artikelreihe hat in den letzten Wochen versucht, an einzelnen Aspekten die Vielfalt der französischen Medienlandschaft widerzuspiegeln und dabei auch Themen zu betrachten, die man aus der deutschen Tagespresse weniger kennt. Wir blicken zurück auf die fabelhafte Welt der Medienperspektiven à la française.

Frankreich im Fokus

Die Artikelreihe begann mit zwei großen Medienevents: Die Filmfestspiele von Cannes zeigen jedes Jahr im Mai, das Frankreich immer noch zu den großen Playern der Cineastik gehört. Die Bedeutung des Festivals für das Autorenkino ist immens und die goldene Palme kann als wichtigster Filmpreis nach dem Oscar gesehen werden. In Cannes wird nicht nur bereits gefilmtes Material geehrt, sondern den Weg für die Filme von morgen geebnet.

Der medial weltweit verfolgte Eurovision Song Contest verbreitete Hoffnung in dem von Terror gebeutelten Land. Frankreichs Kandidat Amir landete unter den Top Ten und gab seiner Heimat ein Stück des Nationalstolzes zurück.

Frankreich auf der Leinwand

schluss2Vom französischen Volk anerkannt und verehrt ist nicht nur Amir, sondern vor allem einer der großen Charakterspieler der Grande Nation: Gérard Depardieu. Er kann auf ein turbulentes Leben und herausragende Schauspielleistungen in jeglichen Rollen und Filmgenres zurückblicken. Dass er privat öfters über die Stränge geschlagen hat, wird ihm angesichts des Ruhms, den er über die französischen Grenzen hinaus trägt, großzügig verziehen. Bleibt nur zu hoffen, dass der hünenhafte Tausendsassa mit der sanften Stimme uns noch lange mit neuen Filmen oder Fernsehserien beschenken kann.

In einer kleinen Rückschau wurden die Tabubrüche analysiert, die für das französische Kino so typisch sind. Jean-Jacques Beineix‘ Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen (1986) stellte sich als Meisterwerk des Cinéma du look heraus, das dem Zuschauer so eindringlich wie kaum ein anderer Film vor Augen führt, welche extremen Wege ein Liebespaar gehen kann, von dem eine Person an einer ausgeprägten Persönlichkeitsstörung leidet. Der Kontrast zwischen den impulsiven, wutgeladenen und den zärtlichen, zerbrechlichen Momenten Bettys zeugt von großer Filmkunst.

Frankreich hat jedoch auch aktuell interessante und einzigartige Filme anzubieten: In einer Kritik wurde der Dokumentarfilm Tomorrow – die Welt ist voller Lösungen unter die Lupe genommen. Filmemacher Mélanie Laurent und Cyril Dion stellen darin kreative Konzepte vor, die sich gegen den prognostizierten Zusammenbruch der Zivilisation stellen und dazu anregen, selbst Hand anzulegen, damit die Kinder von morgen in einer genauso gut oder sogar besser funktionierenden Welt leben können. Der Film ist ein gelungener Gegenentwurf zu Horrorszenarien rund um den Weltuntergang und ist nicht nur unterhaltend, sondern spendet auch viel Hoffnung, was die Zukunft dieser Erde betrifft.

Frankreich streitet, leidet und steht wieder auf

Weiter ging es mit einem Exkurs zur Debatte rund um das Gesetz Loi Evin. Es setzt seit 1991 relativ strenge Maßstäbe zu Werbung für Alkohol und Tabak. Jedoch ist es französischen Abgeordneten gelungen, das Gesetz im Herbst 2015 aufzuweichen. Wo Medien vorher in Beiträgen aus Vorsicht vor keinen Bezug zu Alkohol erwähnten, ist es jetzt legal, über Wein und andere alkoholische Getränke zu „informieren“. Diese Gesetzesänderung soll den Weintourismus und damit die ins Schwanken geratene französische Wirtschaft fördern. Mitunter zeigt die Debatte, dass Wein trotz aller Warnungen seitens gesundheitlicher Behörden zum französischen Leben dazugehört.

Der Artikel über französische Internettrends räumte mit dem Vorurteil auf, dass Franzosen arrogant sind und nicht über sich selbst lachen können. Anhand der Erfolgs-Webseite Viedemerde.fr wurde festgestellt, dass Internetnutzer heute die peinlichen und frustrierenden Aufreger des Tages mit Tausenden von Leuten teilen, die man früher nur dem engsten Freundeskreis erzählt hätte.

Über ein Jahr nach dem Terroranschlag auf Charlie Hebdo war es Zeit, den Status quo von französischer Satire aufzuarbeiten. Basierend auf einer langen Tradition von Karikaturen und Pamphleten, die bis in die Aufklärung zurückreicht, hat sich in Frankreich eine besonders scharfzüngige Satire ausgebildet. Kein Blatt vor den Mund nehmen, Problematiken überspitzen und Persönlichkeiten und Institutionen lächerlich machen – dies ist essenziell für die funktionierende Demokratie der französischen Republik. Charlie Hebdo hat durch das Attentat Kollegen und damit viel künstlerisches Potenzial verloren und versucht heute, eindeutigere Botschaften zu vermitteln. Aufgeben ist keine Lösung: Frankreich bleibt Charlie.

Abschließend ist zu betonen, dass diese Artikelreihe keinen Anspruch auf die vollständige Abbildung der französischen Medienlandschaft gelegt hat. Ziel war es vielmehr, den Lesern von media-bubble.de einen Einblick in interessante und wichtige französische Medienthematiken zu geben. Frankreich und Deutschland lassen sich im Hinblick auf Medien nur schwer vergleichen. Jede Medienlandschaft ist einzigartig. Einzigartig ist an der französischen Medienlandschaft die große Rolle, die Satire einnimmt. In Zeiten der permanenten Terrorangst ist es bewundernswert, welch standfeste Haltung Frankreich einnimmt, die sich auch in den Medien widerspiegelt. Im Kino hat Frankreich immer wieder neue Maßstäbe gesetzt, Filmgeschichte geschrieben und bringt auch aktuell mit neuen Konzepten frischen Wind in die Kinosäle. Internettrends zeigen, dass sich das französische Volk nicht den Humor und vor allem die Lust am Leben nimmt. Medien aus Frankreich sind besonders und vielfältig – und es wird sich auch in Zukunft lohnen, ab und zu in die französische Medienwelt einzutauchen.

Fotos: Pixabay.com , flickr.com/Becky Lai (CC BY-NC-ND 2.0)


Alle Artikel dieser Reihe:

Wenn Leid zu Glück wird –  Der Eurovision Song Contest 2016

Die Crème de la Crème des Autorenkinos

Gérard Depardieu: „Es hat sich so ergeben“

Ein bisschen Wein muss sein

Filmkritik: Tomorrow – die Welt ist voller Lösungen

Frankreich bleibt Charlie

Der Tabubruch im französischen Film

Französische Webtrends: Mit Humor geht’s besser

Die schwarzen Schafe der Bewertungsportale

von Fadwa Al Homsi

Seitdem wir vom Web 2.0 sprechen, hat sich vieles verändert. Auch wenn einige Stimmen behaupten, wir werden dank Suchmaschinen immer gemütlicher, so kann dies in einem Punkt widerlegt werden: Nämlich dann, wenn es darum geht, seinen eigenen Senf zu etwas beizutragen. Zum Beispiel zum letzten Hotel, das man gebucht hat und über das man aufgrund der sehr positiven Erinnerung daran, die Erfahrung gerne mit der Welt teilt, unter anderem auf Bewertungsportalen. Doch wie vertraulich ist Lob und Kritik auf solchen Seiten?

Bewertungsportal vs. Buchungsportal

Grafik 1Immer mehr Menschen werden auf Bewertungsportalen aktiv und geben fundiertes Wissen weiter. Und von diesem Wissen machen immer mehr Menschen Gebrauch. Mittlerweile besuchen 53 Prozent der Urlaubsbucher solche Portale, um sicher zu stellen, dass bestimmte Hotels auch wirklich das sind, was sie versprechen. Nutzerbewertungen für Hotels gibt es auf speziellen Hotelbewertungsportalen, beispielsweise holidaycheck.de. Aber auch direkte Buchungsseiten ermöglichen ein Feedback zu den jeweiligen Hotels. Hier ist zu beachten, dass beide Plattformen einen wesentlichen Unterschied aufweisen: Auf Hotelbewertungsportalen kann jeder seine Erfahrungen mitteilen. Der Nutzer gibt meist nur eine E-Mail-Adresse an und braucht eine kurze Registrierung. Bei Buchungsportalen hingegen darf nur derjenige ein Hotel bewerten, der auch auf derselben Seite zuvor gebucht hat.

Schwarzes Schaf vs. Weißes Schaf

Grafik 2Auf dem Schaubild wird deutlich, dass die Liste von Bewertungsplattformen groß ist. Zu den besten Bewertungsportalen gehören laut einer Studie für die Zeitschrift „Reise und Preise“, (Ausgabe 1/2014) holidaycheck.de, Testsieger bei den Buchungsportalen wurde HRS mit einer Gesamtnote von 2,2. Vorteile haben solche Portale allemal: Man schmökert durch Bilder und Beschreibungen und bekommt so eine detaillierte Vorstellung von der Unterkunft. Es sollten also keine bösen Überraschungen mit Schimmel und Co. auf einen warten.

Doch Vorsicht ist geboten: Viele Unternehmen haben das Einflusspotential von Bewertungen erkannt und versuchen, auf den Portalen mitzumischen. Demnach kursieren auch zahlreiche Fake-Bewertungen im Internet. Es werden sogar Profis engagiert, um möglichst gut bei Rankings abzuschneiden. Der Vorteil liegt daher bei den Bewertungsportalen, wo vorerst die Buchung inklusive Check out eines Hotels vorgenommen werden muss. Meistens werden die Bewertungen vor der Freigabe nach Glaubwürdigkeit überprüft. Dies macht eine Software, die auch rechtswidrige Äußerungen und Beleidigungen filtert. Andere Bewertungsportale veröffentlichen ohne Vorabcheck die Meinung des Urlaubers.

Grafik 3Stiftung Warentest musste in einer Untersuchung von 2010 feststellen, dass die Bewertungsportale sich überwiegend von Pseudo-Urlauber täuschen lassen. Nur hotelkritiken.de ließ keine Fake-Bewertung durchkommen. Der Ruf dieser Online Portale ist mangelhaft, so postulierte die Welt im letzten Jahr einen Artikel mit der Überschrift „Das hinterhältige Spiel auf den Bewertungsportalen“ und weist damit auf die schwarzen Schafe der Unternehmer hin. Unter den Urlaubsbuchern sind holidaycheck.de und Co. trotz vieler Kritik kaum noch wegzudenken. 82 Prozent schätzen die Bewertungen als glaubwürdig ein.

Das Böse erkennen

Um Bewertungen von Fälschern zu erkennen, gibt es verschiedene Hinweise. Tobias Arns, Social-Media-Experte beim IT-Verband Bitkom, gibt Nutzern Tipps.

Wer bei der Urlaubsplanung ungern auf Bewertungsportale verzichten möchte, solle am besten bei verschiedenen Quellen recherchieren und Urteilen nicht blind vertrauen. Ein Hinweis auf echte Bewertungen können angehängte Fotos sein. Auch für professionelle Fälscher sei das Bebildern von jedem einzelnen Eintrag zu aufwendig. Lobeshymnen und zu geschliffene Formulierungen sollten Skepsis erwecken. Nicht falsch sei es, neben den Bewertungsportalen auch die Webseiten der Hotels zu checken.

Einen Anhaltspunkt gibt die Anzahl der Bewertungen. Je mehr Bewertungen zu einem Hotel existieren, desto weniger fallen die extremen Fake-Bewertungen auf. Die Zahlen und  Sternchen selbst dürfen jedoch nicht die entscheidende Rolle spielen. Denn jeder Urlauber hat individuelle Erwartungen und Kriterien, die er an eine Unterkunft stellt.  Deshalb ist es sinnvoll, sich die Inhalte genau durchzulesen.

 

Foto: Pixabay.com

 

Quellen:

http://de.statista.com/statistik/daten/studie/372646/umfrage/umfrage-zur-glaubwuerdigkeit-von-hotelbewertungen-in-deutschland/

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/reise/hotel-bewertungsportale-skepsis-ist-angebracht/11568072.html

https://www.test.de/Hotelbewertung-Die-besten-Portale-im-Netz-1841156-0/

Ein Comic über Comics

von Marius Lang

Illustrationen von Henrike Ledig

Was sind Comics? Als Kind war diese Frage für Scott McCloud einfach zu beantworten: Comics sind grelle, bunte Heftchen, gefüllt mit schlechten Zeichnungen, dummen Geschichten und Typen in Strumpfhosen. Doch als ein Freund ihm seine Comicsammlung zu lesen gab, änderte sich Scotts Einstellung und sogar sein Leben drastisch. Der junge McCloud war von da an gefesselt und setzte es sich in den Kopf, einmal selbst Comickünstler zu werden und anderen die wunderbare Welt des Mediums zu eröffnen.

Einige Jahre später hatte er es dann geschafft und sein Hobby zum Beruf gemacht. Sein wohl wichtigstes Werk ist zu Anfang das fröhliche Superhelden-Comic Zot!, veröffentlicht zwischen 1984 und 1990. Nach dem Ende der Reihe fiel McCloud erneut auf, dass Comics in der öffentlichen Diskussion noch immer ein fragwürdiger Ruf anhaftete. Um seinen Beitrag zum Diskurs zu leisten und ihn möglicherweise sogar komplett neu aufzurollen, entschied sich McCloud dazu, ein theoretisches Werk über Comics zu schreiben. Dabei war sein Ziel, das Medium und das Verständnis von Comics von Grund auf neu zu definieren. 1993 erschien schließlich Understanding Comics – The Invisible Art. Ein leidenschaftliches Werk, dass sich mit dem grundsätzlichen Konzept des Mediums auseinander setzt: seiner Definition, Geschichte und allen Eigenheiten, die Comics zu dem machen, was sie sind. Oder eben zu dem, als das sie verstanden werden sollen. Verfasst in der Form, die dem Comickünstler und -fan McCloud natürlich am ehesten lag und die den Charme des Werkes ausmacht: Als Comic über Comics.

Auf Will Eisners Fußspuren

In seiner Einführung erklärt Scott McCloud, dass das Werk nicht einfach nur ein historischer Blick auf das Medium ist, sondern, dass es sich viel eher um eine Untersuchung der gesamten Kunstform handelt. Er gibt einen Ausblick, mit was genau er sich beschäftigen will. Wie definieren wir Comics, welche Elemente machen das Medium im Kern aus und wie lesen und verstehen wir die Geschichten. Hier treffen wir auch erstmals Scott McClouds gezeichnetes Ich. Die Eigenheit des Mediums, die bewusste Entscheidung, das Buch als Comic zu erschaffen, gibt McCloud die Möglichkeit, selbst in Erscheinung zu treten und den Leser als stilisierter Fremdenführer durch das Buch zu begleiten. Die Reise durch das Medium beginnt dann auch bei der simpelsten Frage, die dabei jedoch nicht einfach zu beantworten ist: Was genau ist denn nun eigentlich ein Comic?

McCloud beruft sich auf den großen Comickünstler Will Eisner, der 1985 selbst ein theoretisches Werk veröffentlichte, das sich mit ähnlichen Fragen über Comics beschäftigte. In diesem Werk, Comics and Sequential Art, definiert Eisner Comics als „sequentielle Kunst“. Das heißt, dass Bilder für sich genommen keine Comics machen, erst in einer, mehr oder weniger geordneten, Reihe, also einer Sequenz werden sie zu dem, was man als Comic bezeichnen kann. McCloud schlägt davon ausgehend vor, die Definition zu verfeinern und kommt bald zu seiner eigenen Definition: Comics sind „juxtaposed pictorial and other images in deliberate sequence“ (Understanding Comics, S. 9), grob in Deutsche übersetzt also aneinandergereihte, gemalte oder andere Bilder in einer bewussten Abfolge. McClouds Ansicht nach gibt diese verfeinerte Definition die Möglichkeit, das Medium in all seinen Inkarnationen durch tausende von Jahren an Geschichte näher zu untersuchen.

Historisches und Technisches

Mit dem Ziel, das Medium unter anderen Gesichtspunkten zu betrachten, holt McCloud weit aus. Sehr weit. Bis zu narrativen Wandmalereien des antiken Ägyptens verfolgt er die Geschichte des Mediums zurück. Nach McClouds Ansicht ist es seine detailliertere, präzisere Definition, die es möglich macht, die Anfänge des Comics bereits im Altertum aufzufinden und zu erforschen. Auch vertritt er die Meinung, das selbst in der Gegenwart Comicschaffende sich durchaus von der Vergangenheit inspirieren lassen und möglicherweise sogar davon lernen können. McClouds Ansatz, so weit in die Vergangenheit vorzudringen, ist möglicherweise nicht neu, aber auch nicht populär. Bis zu diesem Zeitpunkt sahen die meisten Werke über Comics die Anfänge des Mediums kurz vor dem Beginn des 20. Jahrhunderts. In Understanding Comics dagegen haben schon Holzschnitte, frühe Druckwerke und Wandmalereien Comiccharakter, wenn sie sich prinzipiell mit McClouds Definition umschreiben lassen.

Doch der Autor und sein Comic-Ich beschäftigen sich, wie in der Einleitung des Buches schon erwähnt, nicht nur mit der Geschichte des Mediums. Auch die technischen und künstlerischen Facetten des Comics werden genau untersucht und beispielhaft erklärt. Da gibt es unter anderem ein Kapitel, welches zentrale Begriffe des Mediums erklärt. Ein anderes untersucht genauer, was in der Lücke zwischen den Panels eines Comics passiert oder passieren kann. Wieder ein anderes Kapitel befasst sich mit der Frage, wie Zeit in einem Comic verläuft und wie das Fortschreiten der Zeit von Comics dargestellt werden kann. Zuletzt befasst sich McCloud aber auch mit dem Schaffensprozess selbst, untersucht und erklärt, wie ein Comic aus dem Kopf des Künstlers auf das Papier gelangt.

Ein Buch mit Humor

Eine weitere Besonderheit des Buches ist McClouds Sinn für Humor und seine Erfahrung mit dem Medium selbst. Understanding Comics ist gespickt mit viel Witz rund um Comics, dazu kommen diverse medienspezifische Spielereien, die einerseits das Buch einfach und kurzweilig lesbar machen, dabei aber auch Beispiele spezifischer darstellen. Ein Beispiel hierfür ist das Kapitel über Farbe. In dem gesamten Buch ist dieses das einzige Kapitel, in dem mit Farbe gearbeitet wird, was diesen Teil des Buches vom Rest abhebt. Auch die Idee, sich selbst als Experten in das Buch einzufügen hilft beim problemlosen Verständnis des Buches, ist aber auch Grundlage eines großen Teils des Humors des Werkes. McClouds stilisiertes Ich kann sowohl mit dem Inhalt der Panels des gesamten Buches agieren, aber auch gleichermaßen durchgehend, die vierte Wand durchbrechend, mit dem Leser kommunizieren. Seine Figur ist zudem stets im selben Zeichenstil gehalten, durchstreift und erforscht aber auch andere Stile, weniger cartoonhafte, realistischere Zeichnungen etwa. Der Kontrast des Erzählers mit dem Untersuchungsobjekt ist dabei nie störend und hilft stattdessen beim Verständnis, als Konstante in einem alles andere als konsistentem Medium.

Der Autor als Fan

Natürlich muss erwähnt werden, dass es sich bei Understanding Comics nicht im klassischen Sinne um ein wissenschaftliches Werk handelt. McCloud gibt zwar stets Quellen seiner Bildbeispiele und Fußnoten zu einzelnen Theorien an, beschäftigt sich jedoch nur am Rande mit anderer theoretischer Literatur, vor allem natürlich mit dem Werk von Will Eisner. Es ist offensichtlich, dass es sich bei dem Buch vor allem um die Arbeit eines Comicfans handelt, sowie eines Künstlers, der nicht aus einem wissenschaftlichen Hintergrund kommt. Allerdings macht dies das Werk nicht weniger informativ. McCloud hat sich seine Gedanken über ein Thema, das ihm sehr am Herzen liegt gemacht und will dem Leser helfen, sein Bild von Comics zu überdenken und zu formen. An keiner Stelle aber ist McCloud absolut in seinem Standpunkt, sieht ihn eher als einen Ansatz an die Theorie des Mediums.

Im Zentrum aber steht für ihn immer noch die Liebe für das Comic und mit Understanding Comics lieferte Scott McCloud ein umfangreiches, interessantes und kurzweiliges Werk für Fans, Künstler und all jene, die sich es sich vorstellen können, Fans oder Künstler zu werden.

Französische Webtrends: Mit Humor geht’s besser

von Sonja Sartor

Es gibt unzählige Internettrends in dieser vernetzten Welt. Die meisten finden ihren Anfang in den sozialen Netzwerken und verbreiten sich wie ein Lauffeuer um den Erdball. Verrückte Ideen, Aktionen und witzige Videos und Fotos, die jeder Nutzer nachahmen kann, erfreuen sich großer Beliebtheit. Unter dem Stichwort Ice-Bucket-Challenge lassen sich Promis und Normalos einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf gießen, um Spenden für Patienten der Nervenkrankheit ALS zu sammeln. Beim Face-Swap werden durch eine Anwendung zwei Gesichter vertauscht und man kann plötzlich sehen, wie einem beispielsweise das Gesicht der Queen stehen würde. Ganz aktuell erlebt die Facebook-Seite des fiktiven BWL-Studenten Justus einen  großen Hype, denn der schnöselige Pullunderträger verkörpert alle Vorurteile seines Studiengangs und bringt mit seinen arroganten Sprüchen Studenten in ganz Deutschland zum Lachen. Die bekanntesten Internettrends scheinen vor allem aus dem anglo-amerikanischen Raum zu uns herüberzuschwappen.

Woher ein Internettrend ursprünglich stammt, ist eigentlich weniger von Bedeutung, Hauptsache, er macht Spaß. Trotzdem sind gerade französische Internettrends einen Bericht wert, denn sie sagen viel über das französische Volk aus und vervollständigen das Bild der französischen Medienlandschaft, das diese Artikelreihe skizzenhaft abzubilden versucht.

Vie de merde – Was für ein Scheißleben

Franzosen wirft man manchmal vor, arrogant zu sein. Wer der französischen Sprache nicht Herr ist, kommt oft mit Englisch auch nicht weiter in der Grande Nation. Die meisten Franzosen sprechen ungern Englisch, nicht etwa aus Arroganz oder fehlender Bildung, sondern weil sie keine Fehler machen möchten. Das Gesicht zu bewahren, ist überaus wichtig.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Franzosen nicht über eigene Malheure des Alltags lachen können, wie ein französischer Internettrend zeigt. Auf der Seite www.viedemerde.fr können User Anekdoten teilen, die beweisen, dass sie ein vie de merde, also ein „Scheißleben“ haben. Ein Beispiel gefällig?

Der Autor folgender Anekdote hatte richtig Pech: „Nachdem ich wegen der Streiks tagelang ohne Sprit auskommen musste, steht mein Auto nun ein Meter unter Wasser, aber dafür mit vollem Tank. Scheißleben“ (Zum besseren Verständnis: Aktuell werden Tankstellen aus Protest gegen eine Arbeitsreform der Regierung bestreikt, außerdem gab es kürzlich in Teilen Frankreichs Überschwemmungen). Die Nutzer können in Form von kategorisierten Klicks ihre Zustimmung zeigen. So hat der beschriebene Post am 9. Juni 2016 schon über 45.000 Mal die Bestätigung bekommen, dass der Autor ein „Scheißleben“ hat.

Ein Anderer klagt: „Heute hat meine Katze ihr großes Geschäft im Katzenklo gemacht. Dann ist sie auf den Küchentisch gesprungen, um sich den Hintern mit der Spitzentischdecke abzuputzen und ist, als wäre nichts gewesen, wieder hinuntergesprungen. Scheißleben.“

Die Anekdoten sind meistens zwei bis maximal drei Sätze lang und enden mit einer Pointe. Eine Garantie für ihre Wahrheit gibt es nicht, aber sie müssen witzig und dürfen weder rassistisch noch sexistisch sein. Die Themen Tod, Krankheit und Unfälle sind ebenfalls tabu.

Die Seite www.viedemerde.fr ist bis heute noch überaus erfolgreich. Gegründet wurde sie 2008 von dem Programmierer Maxime Valette. In einem anfänglichen Blog schrieb der junge Mann alles nieder, was er täglich an Kuriositäten und Aufregern erlebte. Das Timing war perfekt, denn die Auswirkungen der Finanzkrise traten zu Tage und viele Bürger konnten sich mit dem „Scheißleben“ identifizieren. Laut der Tageszeitung L’Est Républicain erreichte die Seite innerhalb der ersten zwei Monate eine Reichweite von 40.000 Lesern. Eine englische Version der Seite gibt es inzwischen auch, mit dem passenden Namen F my Life.

Internettrends2Was man früher nur dem engsten Kreis erzählt hat, möchte man heute mit so vielen Menschen wie möglich teilen. Die kleinen und großen Aufreger mit der Öffentlichkeit zu teilen, ist eine Art Selbsttherapie, bei der man den Zuspruch und die Anerkennung anderer bekommt. Das Erlebte ist plötzlich weniger dramatisch und wird ins Lustige verkehrt.

Schadenfreude spielt natürlich trotzdem eine Rolle. Wie das Wall Street Journal feststellt, basiert französischer Humor darauf, sich über das Unglück anderer lustig zu machen. Ganz nach dem Motto: Le malheur des uns fait le bonheur des autres“, was dem deutschen Sprichwort „Des einen Freud, des andern Leid“ entspricht. Nicht umsonst gibt es auch auf Viedemerde.fr den Button „Das hast du verdient“

Das ganz normale Stadtleben

Humor mit Augenzwinkern zeichnet auch eine junge Facebook-Seite aus.
Jugendliche, die sich außen an der Straßenbahn festklammern und so eine kostenlose Bahnfahrt einheimsen? Ganz normal in Lyon! Die Facebookseite C’est normal à Lyon (dt. Das ist normal in Lyon) veröffentlicht kuriose Fotos, die zeigen, was scheinbar normal ist in der drittgrößten französischen Stadt. Eigentlich stammt dieses Konzept aus Niort, einer Gemeinde in Poitou-Charentes. Der Facebook-Auftritt über Lyon, der im November 2014 kreiert wurde, hat inzwischen mit 24.000 Likes ingesamt etwa 5000 mehr Likes als die Originalseite über Niort.

Selbst, wenn man so wie ich nur ein paar Monate in Lyon gelebt hat, schaut man sich gerne die Bilder von den ungewöhnlichen Seiten der Stadt an. Man erkennt Situationen wieder, die man selbst erlebt hat und muss schmunzeln. Das Konzept, die typischen Seiten einer Stadt zu zeigen, gibt es natürlich auch in Deutschland. Auf dem Blog „When you live in Berlin“ zeigt eine Engländerin persönliche Stadtmomente, zu denen sie die Filmsequenzen als Gif-Animation einfügt.

Das Schöne an Internettrends ist, egal ob sie aus Frankreich stammen oder nicht, dass jeder Nutzer sie imitieren und daraus etwas Eigenes machen kann. Sie unterhalten und helfen uns, unseren Alltag, so kompliziert und mühsam er auch sein mag,  leichter zu nehmen. Denn Humor ist ja bekanntlich, wenn man trotzdem lacht.

Fotos: flickr.com/joffreydelacour (CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/Duncan Hall (CC BY 2.0)


Weitere Artikel dieser Reihe:

Wenn Leid zu Glück wird –  Der Eurovision Song Contest 2016

Die Crème de la Crème des Autorenkinos

Gérard Depardieu: „Es hat sich so ergeben“

Ein bisschen Wein muss sein

Filmkritik: Tomorrow – die Welt ist voller Lösungen

Frankreich bleibt Charlie

Der Tabubruch im französischen Film

Endlose Leinwände und digitale Comics

Autor: Marius Lang

Illustration: Henrike Ledig

Mit dem Wandel der Technologie geht immer auch ein Wandel der Medien einher. Der Film hat sich seit seinen Anfängen in einem konstanten Zustand der Veränderung befunden, stets beeinflusst von neuen Technologien zur Produktion, Speicherung und Sendung an die Adressaten. Von den ersten bewegten Bildern der Gebrüder Lumière über den Tonfilm, den Farbfilm, Fernsehen, VHS, DVD und schließlich das Internet und Portale wie Netflix, immer haben technische Neuerungen den Film mit beeinflusst. Dies ist bei dem Medium des Comics nicht anders. Neuere Methoden der Zeichnung, Kolorierung und des Drucks haben den Stil des Comics geprägt und verändert. Und auch das Internet mit all seinen Schwierigkeiten und neuen Möglichkeiten für das Medium trägt dazu bei, dass sich Verlage, Künstler und Leser von Comics immer mehr mit diesem Feld auseinandersetzen. Digitale Comics sind das Stichwort: Einige sehen in ihnen ein Problem, ein Risiko für die Industrie. Andere bleiben optimistisch und sehen gleichermaßen neue Möglichkeiten für die Kunst und den Vertrieb und damit auch für die Leser. Eine gesunde Einstellung, erst recht in einem Medium, dass gerade dieser Tage die Basis gewaltiger Franchises in Film und TV bildet.

Panels auf dem Bildschirm

Nun stellt sich die Frage, was genau Digitale Comics eigentlich sind. Unter diesem Begriff kann man viele verschiedene Formen des Mediums verstehen. Webcomics, die zumeist exklusiv im Netz einsehbar sind, sind dabei eine der populärsten Inkarnationen. Allerdings zählen auch digitale Versionen von Comics dazu, die oft zusätzlich in gedruckter Form erhältlich sind oder waren. In seinem Buch Reinventing Comics befürwortet Scott McCloud, dass wir unser allgemeines Verständnis von Comics nicht in der gleichen Form auf digitale Comics übertragen können, insbesondere, weil digitale Comics nicht denselben Regeln folgen müssen, denen sich das Print-Format unterwerfen muss. So funktionieren viele digitale Comics nicht auf dem Papier oder lesen sich, wenn sie denn in gedruckter Form erscheinen, teilweise oder gänzlich anders. Vielen Zwängen, denen sich klassische Comics unterwerfen müssen, können digitale Comics durchbrechen. Das eigentlich übliche Konzept, nachdem Comics ihre Erzählung Seite pro Seite staffeln müssen, um den Leser zum umblättern zu bewegen, ist in digitaler Form nicht gegeben. Stattdessen könnten diese Comics ihre Panels ewig nebeneinander legen, ein Konzept, welches McCloud als „infinite canvas“ bezeichnet. Digitale Comics stellen somit Künstler wie Autoren, Verlage und sogar den Leser vor andere, neue Herausforderungen, bringen aber auch völlig neue Möglichkeiten des Storytellings und Lesevergnügens mit sich, mit denen es zu experimentieren gilt.

Konzept der Zukunft?

Neue Möglichkeiten bringen oft eine Sache mit sich: Ängste. Auch digitale Comics sind davon nicht ausgenommen. Eine große Angst, die vor allem große Verlage herumtreibt, ist die Furcht vor Profitverlust. Oft vorgehalten ist die Angst, dass digitale Comics die Verkäufe von gedruckten Comics deutlich mindern würden, dass illegale Downloads und Online-Piraterie zunehmen würden. Diese Ängste haben viele der großen Verleger, insbesondere MARVEL, DC Comics oder Image Comics davon abgehalten, bereits früh auf den Zug aufzuspringen und ihre Produkte auch oder teilweise exklusiv online zu vertreiben. Dabei waren die Möglichkeiten bereits sehr früh vorhanden. 2007 wurde die Online-Plattform ComiXology gegründet, ein cloudbasierter Vertrieb digitaler Comics. 2014 wurde der Betrieb von Amazon.com aufgekauft. Dieser Tage bietet die Website eine breite Auswahl an digitalen Comics an, sowohl von großen Herausgebern als auch von kleineren Independent-Verlagen und freien Künstlern und Autoren. Die digitalen Comics sind oft günstiger als ihre gedruckten Ausgaben und der Erfolg von E-Readern und Tablets als ernstzunehmende Alternative zu Büchern spricht ebenfalls dafür, einen ernsthaften Blick auf digitale Comics als Alternative zum gedruckten Comic zu werfen. Doch auch in einer anderen Hinsicht sind digitale Comics für die Welt von besonderer Bedeutung. Was man nicht vergessen darf ist, dass Comics auch Kunst sind. Kunst, die es zu erhalten gilt.

Viele Comics werden im Print nie neu aufgelegt oder sind nur in teuren Kollektionen noch aufzufinden. Doch die digitale Revolution ermöglicht es uns als Lesern, Comics zu rezipieren, die möglicherweise seit Jahren schon nicht mehr gedruckt werden, da ein Vertrieb auf Papier nicht veritabel wäre. Da viele Kosten, für Papier und Druck etwa, bei digitalen Comics wegfallen, stellen diese für Verlage eine durchaus profitable Möglichkeit dar, Comics der Vergangenheit für die Nachwelt und künftige Leser  zu erhalten. Ein weltweit und simpel zugänglicher Tresor, gefüllt mit Geschichten aus der Vergangenheit.

Endlose Leinwand, endlose Möglichkeiten

Es ist freilich schwer zu sagen, was die Zukunft noch für neue Technologien mit sich bringt, die eventuell die Comicwelt erneut revolutionieren. Wichtig ist es, diesen neuen Technologien ihre Chance zu geben und somit möglicherweise neue Wege zu finden, die Welt des Storytellings in Comics neu auszulegen. Ängste, dass das gedruckte Werk deswegen aussterben würde, sind hierbei zwar verständlich, aber sollten niemals im Weg stehen, neue Wege zu gehen und neue Ideen auszutesten. Stattdessen sollten Verlage, Autoren und Künstler sich damit auseinandersetzen, wie man den gedruckten Comic auch in der Zukunft erhalten kann, in Koexistenz mit digitalen Werken. Bücher sind schließlich nicht verschwunden, nur weil E-Books existieren. Und Digitale Comics geben Künstlern neue Möglichkeiten, sich zu verwirklichen. Viele Webcomic-Künstler sind dieser Tage so erfolgreich wie bekannte Comicautoren, eine Leistung, die sie im hart umkämpften Printgewerbe vielleicht nie erreicht hätten.

Digitale Comics haben noch einen weiten Weg vor sich. Doch es ist für alle Beteiligten, Produzenten wie Konsumenten, wichtig, diesen Weg mitzugehen. Scott McCloud sagt, wir sollten digitale Comics mit anderen Augen betrachten als ihre gedruckten Gegenstücke. Doch er bleibt dabei optimistisch, sieht die Möglichkeiten und weniger die Schwierigkeiten. Er plädiert dafür, dass man neue Technologien nutzen sollte, neue Wege der Kunst zu erschließen. Und mit einem Klick können wir völlig neue Comic-Welten betreten.

Empfehlung:

Reinventing Comics: How Imagination and Technology Are Revolutionizing an Art Form – Von Scott McCloud (2000)

Der Tabubruch im französischen Film

von Sonja Sartor

Das Brechen von Tabus sorgt für Aufschreie in der Gesellschaft. Das französische Kino hat in der Vergangenheit besonders gern mit Tabubrüchen gespielt. Anhand der Filme Die Liebenden (1958) und Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen (1986) soll gezeigt werden, wie französisches Kino Tabubrüche in Szene setzt und welche Effekte diese erzielen.
„Sie hatte Angst, aber sie bereute nichts“

Mit diesem Satz endet Louis Malles Die Liebenden (1958). Die Handlung ist schnell auf den Punkt gebracht: Hausfrau Jeanne (Jeanne Moreau), verheiratet mit einem wohlhabenden Verleger, entflieht der ehelichen Monotonie nahe Dijon immer wieder mit Reisen nach Paris, da ihr die Komplimente Pariser Männer schmeicheln. Eines Tages macht ihr Auto auf der Rückfahrt schlapp und Bernard (Jean-Marc Bory), ein unprätentiöser Archäologe, fährt sie nach Hause. Dort bittet Jeannes Mann den Fremden, bei ihnen in der Villa zu übernachten. In der Nacht lernen sich Jeanne und Bernard kennen und lieben. Ohne Rücksicht auf Mann und Kind brennt Jeanne mit ihrem Liebhaber am nächsten Morgen durch.

Tabubruch 2Das Skandaldrama im Stil der Nouvelle Vague bricht mit den Konventionen der 50er Jahre. Das letzte Drittel des Films ist unglaublich sinnlich und romantisch. Bernard und Jeanne wandeln durch den nächtlichen Garten, sie küssen sich. Jeanne hat die Liebe wie ein Blitz getroffen. Zurück in der Villa gibt sie sich ihren Gefühlen völlig schamlos hin und es kommt zum Sex zwischen den Verliebten, während Mann und Kind ein paar Türen weiter selig schlafen. Die von Brahms Musik untermalte Szene ist ungewohnt freizügig und erotisch. Das Close-up auf Jeannes Ehering, den Bernard anschließend mit seiner Hand überdeckt, hebt hervor, dass hier gerade ein Ehebruch begangen wird. Skandalös ist, dass Jeanne die eigene Freiheit wichtiger ist als ihr Kind, das sie bei einem gefühlskalten Vater zurücklässt. Daher wurden in der deutschen Fassung die Szenen mit Jeannes Kind herausgeschnitten. Im prüden Amerika wurde der Film wegen Obszönität angeklagt. Ultrakatholische Vereine kämpften vergeblich für das Verbieten des Films bei den Filmfestspielen von Venedig. Trotzdem erlangte Louis Malle mit diesem Werk internationale Anerkennung.

Liebe am Rande des Wahnsinns

Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen erzählt die Geschichte eines Liebespaares, das versucht, sich eine Zukunft aufzubauen und gnadenlos scheitert. Die junge, extrem verführerische Betty (Béatrice Dalle) taucht eines Sommers im Leben des Hausmeisters Zorg (Jean-Hugues Anglade) auf und stellt alles auf den Kopf. Eines Tages entdeckt sie Zorgs Manuskripte und ist besessen von der Idee, dass er ein Schriftsteller-Genie ist. Als Betty in einer Phase der Wut Zorgs Bungalow in Brand steckt und er fast alles verliert, reist das Paar nach Paris. Sie kommen bei einer Freundin von Betty unter und kellnern übergangsweise in der Pizzeria von Lisas Freund Eddie. Betty tippt Zorgs Manuskripte ab und schickt sie an die Pariser Verlage. Statt einer Zusage erhält er jedoch eine vernichtende Kritik. Dies führt dazu, dass Betty dem Verleger auflauert und ihn attackiert.

Die Beerdigung von Eddies Mutter führt Betty und Zorg in ein Provinzstädtchen. Spontan entscheiden sie sich, das Klaviergeschäft der verstorbenen Frau zu übernehmen. Die Situation verschlechtert sich jedoch dramatisch, als Betty wider Erwarten erfährt, dass sie nicht schwanger ist. Völlig verstört verwüstet sie die gemeinsame Wohnung und reißt sich das rechte Auge aus. Als Zorg sie im Krankenhaus besucht, steht Betty unter Beruhigungsmitteln und  befindet sich in einer Art Wachkoma. Zorg sieht keine andere Lösung mehr und erstickt die junge Frau mit einem Kissen.

Tabubruch 3Das Drama aus dem Jahre 1986 von Jean-Jacques Beineix begeht gleich mehrere Tabubrüche: Zum einen sind da die expliziten Sexszenen, denen sich das Paar leidenschaftlich hingibt. Allein der Beginn des Films besteht aus einem mehrminütigen Liebesakt, auf den die Kamera langsam zufährt. Zum anderen ist da die unterschwellige Auseinandersetzung mit einer scheinbar wahnsinnig gewordenen Frau, die zur Selbstzerstörung neigt. Ihre Wutanfälle sind beängstigend wie faszinierend. Kleinigkeiten treiben die zerbrechliche Frau zur Weißglut und lassen sie Dinge tun, bei dem der Zuschauer nur ungläubig den Kopf schüttelt. So schüttet sie einen Eimer pinker Farbe auf den Sportwagen von Zorgs Chef, als dieser verlangt, das Paar solle die gesamte Ferienanlage von 500 Bungalows streichen. Mehrmals deuten Außenstehende mit Aussagen wie „die muss wahnsinnig sein“ darauf hin, dass Betty an einer Persönlichkeitsstörung, möglicherweise an Borderline, leidet. Der Film zeigt eindringlich, wie eine extreme Liebe und zerplatzte Träume in einem Mord enden können.

Regisseur Jean-Jacques Beineix ist mit Betty Blue einer der stilbildendsten und einflussreichsten Kultfilme der 80er Jahre gelungen. In seinem unglaublichen 178-minütigen Director’s Cut kann man die Einflüsse des Cinéma du look betrachten, in das sich Beineix einschreibt. Intensive Farb- und Lichteffekte sowie eine äußerst künstliche Kulisse charakterisieren diese Filmbewegung. Es ist einzigartig, wie dramatisch Beineix die Persönlichkeitsstörung inszeniert und so auf diese medial wenig thematisierte Störung aufmerksam macht.

Der  notorische Tabubrecher

Wenn die Rede von Tabubrüchen im französischen Kino ist, darf ein Name nicht fehlen: François Ozon. Die Filmplattform http://www.moviepilot.de/schreibt über den Ausnahme-Regisseur: „Auf fast schon sadistische Art und Weise liebt er es, seine Zuschauer zu frustrieren – Ozon erschafft gerne eine trügerische Idylle, nur um sie zunächst langsam von Innen und letzten Endes mit voller Gewalt zu zerstören“. Ozon thematisiert gerne Tabus: Homosexualität (Sitcom), Transgender (Tropfen auf heiße Steine) oder Krankheit (Die Zeit die bleibt). Ozon führt die Tradition des Tabubruchs im französischen Kino weiter.

Was macht Tabubrüche so reizvoll? Tabus sichern laut Bundeszentrale für politische Bildung die Überlebensfähigkeit der Gemeinschaft. Außerdem dienen sie der Identitätsbildung, da sie sich auf Werte berufen, die von der Gesellschaft als besonders schützenswert erachtet werden. Tabubrüche zeigen der Gesellschaft ihre selbst errichteten Grenzen auf. Sie ermöglichen, die Aufmerksamkeit auf ein Thema zu richten, das Teil der Gesellschaft ist, aber gewöhnlich totgeschwiegen wird. In Filmen können wir sehen, was mit Menschen passiert, die Tabus brechen – und uns darauf eine eigene Meinung bilden.

Fotos: flickr.com/bswise (CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/bswise (CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/startinghere71 (CC BY-NC-ND 2.0)


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Sascha Lobo_Mediendozentur

Das Ende der Gesellschaft – von den Folgen der Vernetzung

von Jasmin Gerst

Auch in diesem Jahr luden das SWR Studio und das Institut für Medienwissenschaften zur 13. Mediendozentur in der Neuen Aula der Universität Tübingen ein. Um den journalistischen Nachwuchs zu fördern, werden jährlich herausragende Persönlichkeiten eingeladen, die über aktuelle und brisante Themen zu referieren.

Am vergangenen Dienstag, den 07.06.2016, war der Blogger und Journalist Sascha Lobo mit seinem Vortrag „Das Ende der Gesellschaft – von den Folgen der Vernetzung“ zu Gast.

Das Ende der Illusion, die wir Gesellschaft nennen

IMG_5131Gleich zu Beginn stellt der 41-jährige klar, dass es in seinem Vortrag keineswegs um „das Ende der Gesellschaft gehe, sondern um das Ende der Illusion, die wir Gesellschaft nennen.“ Denn unsere Gesellschaft durchlebt momentan einen unvorstellbaren Wandel, der nicht nur durch unser Umfeld, sondern auch durch die Massenmedien genährt wird. Dieser Wandel ist unaufhaltsam, denn es wird alles veröffentlicht und alles dokumentiert. Es ist ein Trend geworden, alles mit der Welt zu teilen: sei es das gerade zubereitete Mittagessen, das härteste Sporttraining aller Zeiten oder das kürzlich erworbene Outfit.

Dieser soziale Trend lässt uns in „die Köpfe der Menschen schauen“. Diesen Prozess beschreibt Lobo als Live-Auflösung der Illusion der Gesellschaft – wir können live dabei sein und zuschauen wie sie sich verändert und was sie aus uns Menschen macht.

Zusätzlich entsteht daraus eine neue Qualität der sozialen Medien: Es entsteht nicht nur ein rauer Umgangston bei Menschen, die sich im Netz hinter anonymen Identitäten verstecken, sondern Menschen aller Klassen kommentieren und kritisieren unter vollem Namen. Wir müssen uns bewusst sein, dass durch diesen sozialen Trend unsere Gesellschaft immer mehr abblättert.

Eine neue Sprache entsteht mit unfassbarer Geschwindigkeit

Durch den sozialen Wandel sehen auch die Massenmedien sich gezwungen, eine Veränderung durchzuführen – eine neue formalisierte Sprache der Nachrichten entsteht als Inbegriff der Mäßigung. Auch sogenannte „Fake News“, eine satirische Nachahmung der Nachrichten als eine Art gesellschaftlichen Abschied der sozialen Mäßigung, werden zum Trend. Die Medien richten sich nun nach ihrem Publikum: erst kommen Emotionen, dann kommen die Informationen. Dadurch entsteht eine neue Ebene der digitalen Vernetzung.

Und als wäre dies nicht genug. Mit einer unfassbaren Geschwindigkeit zieht alles an uns vorbei. Dinge geschehen, bevor man versteht warum. Auf einmal geschieht etwas Neues und das Ereignis zuvor ist schon veraltet. Um dieser Entwicklung zu begegnen, braucht man nach Lobo eine emotionale Brille, denn diese Entwicklung manipuliert unsere Emotionen und unsere Wissensbildung scheint damit in Gefahr geraten zu sein.

Ein weiteres Problem ist das Teilen in den sozialen Netzwerken. Erzählungen, die man aufschnappt – ohne konkretes Wissen – sind zentral für diese Problematik und damit gerät auch das wichtigste Instrument des Journalisten in Gefahr: die Recherche. Im Grunde hat man keine andere Wahl, man muss glauben, was einem gesagt wird, obwohl ein Restzweifel bleibt. Dem Wahrheitsbegriff wird sozusagen ein Filter des Gefühls übergestülpt und so wird auch dieser – wie vieles im Netz – zum Fake.

Aber was sind die Gründe für eine derartige Entwicklung? Nicht nur die zunehmende Komplexität der Welt oder die Tatsache, dass es vermeintliche Verschwörungen gibt, können hier als Erklärung angeführt werden, sondern ebenso die immer steigende Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit. Es wird immer deutlicher, dass immer mehr Menschen sich im Netz öffentlich darstellen und sich dabei weitgehend an Äußerlichkeiten orientieren: Der Beauty-Trend oder der Fitness-Trend sind dabei große Vorreiter.

Jedoch bleibt es dabei nicht bei netten Komplimenten. Menschenfeindlichkeit, Neid, Radikalität und auch Gefühle der Notwehr stehen dabei an der Tagesordnung und so nimmt der Extremismus in den sozialen Medien immer mehr zu.

Kampf gegen den Extremismus im Netz

Für Sascha Lobo ist es also „das Ende der Illusion der Gesellschaft“, denn alles scheint möglich zu sein – auch kalte Hysterie und Gewaltbereitschaft gehören wie selbstverständlich dazu. Zusammenfassend kann Lobo feststellen, dass es im Gegensatz zu früher nicht mehr wichtig ist die Nachrichten so emotionslos wie möglich zu präsentieren, sondern dass sich die Reihenfolge umgedreht hat: Emotionen vor Informationen. Dennoch sei es an der Zeit, sich diesen gesellschaftlichen Entwicklungen zu stellen und sich gegen diese mit aller Kraft zu wehren und die sozialen Netzwerke wieder zu dem zu machen, was sie einst waren.

 

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