Methodisch inkorrekt

Bühne frei für…die Wissenschaft! (2)

Von Anne Schneider

Wissenschaftskommunikator*innen entwickeln ständig neue Konzepte und Formate, um unsere Gesellschaft stärker für Wissenschaft zu begeistern und diese populärer zu machen. Meist spielen dabei der Eventcharakter und der Aspekt der Unterhaltung eine große Rolle. So auch bei beim Wissenschaftspodcast „Methodisch inkorrekt!“ von Reinhard Remfort und Nicolas Wöhrl, den man zudem als Live-Show auf der großen Bühne miterleben kann. Bei der letzten Tour der selbstbetitelten ‚Rockstars der Wissenschaft‘ war ich einen Abend live dabei und habe mit Nicolas Wöhrl über ihren Podcast, das Konzept ihrer Live-Shows und über Esoterik gesprochen.

Nicolas Wöhrl ist sowohl Physiker als auch Wissenschaftskommunikator und stand bereits als Science Slammer auf diversen Bühnen Deutschlands. Heute ist Nicolas vor allem als Macher des Wissenschaftspodcasts „Methodisch inkorrekt!“ bekannt, den er zusammen mit Reinhard Remfort produziert.

Methodisch inkorrekt

Die Macher des Podcasts „Methodisch inkorrekt!“ Reinhard Remfort (links) und Nicolas Wöhrl (rechts). Foto: Nicolas Wöhrl

Anders als beim Science Slam, bei dem man als Slammer nur zehn Minuten zur Verfügung hat, um über Wissenschaft und Forschung zu sprechen, eignet sich das Format des Podcasts besonders gut, um tiefer in Themen einzutauchen. Das war auch der Grund, warum sich Nicolas und Reinhard vor etwas mehr als sechs Jahren dazu entschieden, gemeinsam einen Podcast zu starten.

 

Ein Heidenrespekt vor der Wissenschaft muss nicht sein

Wissenschaft

Ein kleines Liveexperiment. Foto: Nicolas Wöhrl

Das vorrangige Ziel von „Methodisch inkorrekt!“ ist es, eine Lanze für die Wissenschaft und ihre Methodik zu brechen und das Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft wieder zu stärken: „Mit dem Podcast wollten wir Menschen für Wissenschaft begeistern oder zumindest dafür interessieren. Es gibt ja immer so einen unnatürlichen Respekt vor der Naturwissenschaft; dem wollten wir so ein bisschen begegnen.“

Eine Podcast-Folge dauert rund drei Stunden, Wöhrl und Remfort stellen sich in dieser Zeit gegenseitig wissenschaftliche Paper und Studien vor, berichten von ihrem Arbeits- und Forschungsalltag und gehen Fragen auf den Grund, die ihnen dort begegnen. Auch Experimente sind ein fester Bestandteil des Podcasts. Besser funktionieren solche Experimente aber, wenn man sie vor sich sieht.

Methodisch inkorrekt

Das letzte Experiment des Abends beschäftigt sich mit der Quantenphysik. Foto: Anne Schneider

Im letzten Jahr waren die beiden mit einer Live-Show in Deutschland unterwegs; eine Art Live-Podcast kann man sagen. Damit bieten sie ihren Fans die Chance, einmal hautnah dabei zu sein. Für diese Liveshows mussten und wollten Nicolas und Reinhard das Konzept ihres Podcasts jedoch ein wenig abändern: „Uns waren mehrere Dinge klar: Also, wenn wir auf die Bühne gehen, dann wollen wir visueller sein, dann wollen wir auch die Bühne nutzen, Experimente machen, die im Podcast nicht funktionieren, mit Videos arbeiten oder mit Informationen, die man auf einen Hintergrund wirft.“ Außerdem sollte die Show auch für sich stehen, sodass der Abend auch für Leute funktioniert, die den Podcast nicht kennen oder regelmäßig hören.

Mit offenen Augen durch die Welt

Bei der letzten Tour wurde das Thema Schwurbeleien und Esoterik behandelt (die nächste Tour mit dem Titel „Panic!“ startet im Oktober). Live rechnen die beiden Wissenschaftler mit Homöopathie und ‚informiertem‘ Wasser ab; und das mit wissenschaftlichen Fakten, unter Anführen von Studien und auf unterhaltende und verständliche Art und Weise. Der Abend führte dazu, dass ich im Alltag mit offeneren Augen durch die Welt gegangen bin und Dinge hinterfragt habe, statt sie einfach hinzunehmen wie die Globuli, die mir meine Mutter damals immer gegeben hat. Diese Zuckerkügelchen, die meine Schmerzen einfach verschwinden lassen sollten.

Methodisch inkorrekt

Was hat es mit informiertem Wasser auf sich? Nicolas und Reinhard klären auf. Foto: Anne Schneider

Das passt auch zu Nicolas‘ Antwort auf die Frage, was sie bei ihren Hörern mit dem Podcast (und der Live-Show) erreichen wollen. „Neugierde ist, finde ich, das schönste Wort oder der schönste Zweck unseres Podcasts. Wenn die Leute neugierig sind und sich ständig Fragen stellen – wie es Kinder tun. Kinder hinterfragen alles, was sie beobachten, sie wollen ihre Welt noch verstehen. Ich würde mir wünschen, dass unsere Hörer*innen diese kindliche Neugierde in sich tragen und bewahren. Und so dann auch durch die Welt laufen.“

Wissenschaft und Unterhaltung – geht das denn zusammen?

„Die Frage und Herausforderung ist immer: Wie erreicht man die Leute, die noch gar nicht wissen, dass sie eigentlich ein Interesse für Wissenschaft haben? Daher glaube ich, Wissenschaftskommunikation muss an Orten passieren, an denen man sie vielleicht nicht unbedingt erwartet“, meint der Science Slammer und Physiker Jochen Jens Heinrich. Ein gewisser Eventcharakter und eine gute Portion Unterhaltung sind also gute Voraussetzungen für ein bühnenreifes Format, das beim Publikum ankommt.

Auch Nicolas spricht davon, dass Humor, Unterhaltung und persönliche Aspekte eine große Rolle bei ihrem Podcast spielen, um dauerhaft die Leute für den Podcast zu begeistern. „Ich persönlich mag die Verbindung von Information und Humor beziehungsweise Unterhaltung. Wenn ich einen Podcast höre, möchte ich gut unterhalten sein, ich möchte aber auch was dabei lernen.“

YouTube beweist, Forschung und Unterhaltung, das passt eindeutig zusammen. Viele Kanäle versuchen heutzutage Wissenschaft einfach und verständlich an die Menschen zu bringen, komplexe Fragen zu beantworten, und die Lust an Wissenschaft zu wecken.

Ab auf die Bühne!

Doch auf der Bühne sieht man es noch eher selten, dass Forschung gleichberechtigt neben anderen unterhaltenden Formaten stehen kann, wie Nicolas anmerkt: „Natürlich gibt’s schon so ein paar Wissenschaftsshows wie Experimente-Shows. Dann gibt’s Leute wie die Science Busters aus Österreich, die machen so was Ähnliches wie wir. Aber das ist noch eine relativ kleine Community, dass man so ein Format hat und sagt ‚Ich will mit Wissenschaft unterhalten und damit auf die große Bühne‘. Das sind so zwei Felder, die gerade noch anfangen zusammenzukommen aus verschiedenen Gründen. Ich glaube, Wissenschaftler haben noch eine gewisse Vorsicht, wenn es darum geht, dass man mit Wissenschaft auch unterhalten kann.“

Doch einige Veranstaltungen und Formate machen vor, dass diese ‚zwei Felder‘ definitiv harmonieren können. Welche Formate kennt ihr, die Wissenschaft und Forschung eine Bühne bieten und bei denen der Unterhaltungsfaktor eine große Rolle spielt? Gibt es Formate oder Veranstaltungen, die ihr besucht habt, die euer Interesse geweckt oder eure Begeisterung für Wissenschaft und Forschung entfacht haben?

Warum Wissenschaftskommunikation? Nicolas’ Plädoyer

„Ich denke, dass Entscheidungen, die wir in unserer Gesellschaft treffen, auf wissenschaftlichen Füßen stehen sollten, beispielsweise beim Klimawandel. Wenn es um die Frage geht: Was machen wir als nächstes? Und da liefert die Naturwissenschaft einfach die einzigen Antworten, auf die man hören darf und sollte. Man kann sich natürlich auch andere Sachen ausdenken, von denen man sich leiten lässt, aber der sinnvollste, der sicherste Weg für unsere Gesellschaft, ist der basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und der aktuellen Forschung.
Genau deswegen sollten wir Wissenschaft kommunizieren, zum einen um Leute dafür zu interessieren, was aktuelle Forschungsfragen sind, was uns Wissenschaftler grade interessiert und was wir entdeckt haben. Aber auch zu fragen, was ist die wissenschaftliche Methodik, warum haben wir Vertrauen verdient? Es ist natürlich klar, wir können nicht alles wissen. Aber das, was wir wissen, wissen wir mit einer gewissen Sicherheit. Wissenschaft ist keine Meinung. Es basiert alles auf Erkenntnissen und Experimenten, die seit Tausenden von Jahren gemacht wurden. Das, was wir als wissenschaftliche Erkenntnisse darstellen, ist der aktuelle Stand der Forschung. Wir haben noch nicht alles verstanden, aber es ist die beste Repräsentation unserer Welt, in der wir leben, und hilft, das Weltverständnis zu schärfen und besser zu machen.“