Wissenschaft sollte für jeden zugänglich sein!
Von Amelie Behringer
Wissenschaftskommunikator ist kein Wunschberuf, den man von Kindesalter an hat. Für André Lampe war das auch nie ein berufliches Ziel, dass es zu erreichen galt. Er kommunizierte sein Wissen schon lange bevor er sich überhaupt als Wissenschaftskommunikator bezeichnete. Im Interview mit ihm haben wir über seine Anfänge und die Herausforderungen, in seinem Beruf gesprochen. Außerdem hat er ganz klare Forderungen an seine Kollegen, die ihr Wissen noch nicht kommunizieren.
André Lampe ist Wissenschaftler, Science Slammer und Moderator, inzwischen auch Wissenschaftskommunikator. Das Kommunizieren von Wissenschaft war für ihn keine dezidierte Entscheidung, er ist in die Sache eher hineingerutscht. Wissenschaft und Kommunikation waren anfangs für ihn zwei getrennte Leidenschaften. Während des Studiums stand er bereits auf Bühnen für Poetry Slam Auftritte. Mit dem Aufkommen der Science Slams konnte er die private Begeisterung und das berufliche Interesse der Wissenschaft endlich vereinen. Mit mehr als 90 Auftritten und dem Ostdeutschen Meister und Deutschen Vizemeister Titeln, kommuniziert er definitiv Wissenschaft, realisiert hat er es bis zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht. Die Erkenntnis, dass er sowohl Wissenschaftskommunikator als auch Wissenschaftler ist, kam erst bei einem Treffen in der Denkwerkstatt des Siggener Kreis. „Wenn man zurück blickt habe ich das schon 2005 gemacht. Damals war ich in der Fachschaft und habe Vorträge und Experimente für Schüler in der Physikfakultät gehalten. Nebenbei war ich Physiklehrer an einer Schule für medizintechnische Assistenten (MTAs).“
Zusammenschluss von WissenschaftlernDer Siggener Kreis ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftler, Wissenskommunikatoren und -journalisten, die den Dialog und den Austausch von Forschung in Deutschland fördern. Gegründet wurde der Siggener Kreis im Jahr 2013 als eine Initiative des Bundesverband Hochschulkommunikation und Wissenschaft im Dialog. |
„Nimm die Idee und schmeiße sie gegen Köpfe.“
Während seiner Zeit als Lehrer war es ihm immer wichtig, seinen Schülern und Studenten das Wissen praktisch zu vermitteln. Die Verdunstungskälte wurde deshalb nicht an irgendeinem Becherglas demonstriert, sondern mit dem Schwitzen des menschlichen Körpers verglichen. Bei der Wissenschaftskommunikation ist nicht nur das Ausschmücken mit praktischen Beispielen wichtig. Was hilft André Lampe die komplizierte Wissenschaft auf simple Art und Weise runter zu brechen? „Nimm die Idee und schmeiße sie gegen Köpfe!“ Anders gesagt: Man muss mit Laien über die Themen diskutieren. Davon überzeugt hatte ihn der Physiker Richard Fenyman. Dieser erklärte seine neuen Theorien zuerst seiner Mutter, wenn sie sich äußert mit dem Kommentar, sie habe zwar keine Ahnung was die Theorie besagt, es klinge aber dennoch alles logisch, arbeitete er weiter. André Lampe hat sich das zu Herzen genommen und versucht das in der Mikroskopie zu adaptieren. „Mich hat es schon immer aufgeregt, wenn Bilder mit 200-facher Vergrößerung gekennzeichnet sind. Das macht bei digitalen Bildern einfach keinen Sinn! Der Mensch braucht etwas zum Größenvergleich, sonst kann er sich das nicht vorstellen. Also habe ich den Internet-Trend ‚Banana for scale‘ aufgegriffen.“ Die Theorie für Laien einfach zu erklären ist ein Prozess, in dem man immer besser wird, vieles hängt auch von dem Gegenüber ab. Manchmal fällt es ihm aber auch schwer. In dem Podcast Wirkstoffradio unterhalten sich Bernd Rupp und er über Wirkstoffe und die Forschung in diesem Gebiet. André Lampe ist selbst Rettungssanitäter und hat in dem Bereich großes Interesse, was es ihm erleichtert hier auch mal über andere Themen fern ab von seinem Fachgebiet zu sprechen. In einer Folge über die Wirkstoff-Herstellung unter dem Mikroskop, war ein Professor zu Gast, also ein Kollege aus demselben Fachgebiet wie Lampe. Hier fiel es André Lampe schwer nicht in die Fachsprache abzurutschen. „Bernd war hier ganz wichtig. Der hat irgendwann gesagt: Halt stopp über was redet ihr da?“
„Die eine Zielgruppe gibt es für mich nicht.“
André Lampe sagt über sich selbst: Ich bin Physiker, der in die Biochemie gewechselt ist, um ein Mikroskop zu bauen. So vielfältig diese Kurzbeschreibung ist, ist auch seine Art Wissenschaft zu kommunizieren. Ob er über Podcast, Blog oder auf der Bühne sein Wissen verbreitet ist ihm eigentlich egal. Über seine Zielgruppe sagt er: „Die Eine gibt es für mich nicht.“ Bei dem Podcast sind es oft Menschen, für die nur eine Folge interessant ist, weil sie beispielsweise davon persönlich betroffen sind. Bei dem Blog und auf der Bühne sieht das schon wieder anders aus, manchmal sind es Menschen aus dem gleichen Wissensgebiet und manchmal sind die Zuhörer und Zuschauer fachfremd. Durch die Vielfalt der Zuschauer wählt er die wissenschaftlichen Themen auch nicht nach deren Bedürfnissen, sondern nach eigenem Interesse aus. Wo das Thema dann letztendlich auf Interessierte trifft, macht er meistens davon abhängig, ob er die Mittel und Ressourcen für das Medium hat. „Jedes Medium eignet sich für die Wissenschaftskommunikation, solange man überhaupt kommuniziert, denn Wissen ist dazu da es zu mehren.“
Science Slams, Blog und zwei PodcastsAndré Lampe ist 1980 in Bad Oeynhausen geboren. Sein Physikstudium hat er an der Uni Bielefeld abgeschlossen. Seine Doktorarbeit schrieb er im Bereich Hochauflösungsmikroskopie. Neben dem Wissenschaftler Daseins, steht er regelmäßig als Moderator für Wissenssendungen oder Science Slams auf der Bühne und führt außerdem mit anderen Wissenschaftlern einen Blog, sowie zwei Podcasts. |
„Das ist zu spät!“
André Lampe kritisiert seine Kollegen, denn viele tragen ihr Forschungswissen nicht an die Gesellschaft weiter. Wissenschaftler sind von Steuergeldern finanziert und deshalb sollten sie das Wissen an diejenigen kommunizieren, die dafür bezahlen. „Dabei sage ich nicht jeder Wissenschaftler muss sich auf eine Bühne stellen und Vorträge halten, einen Einblick gewähren in irgendeiner Form genügt dabei schon. Es darf aber nicht ausreichend sein, wenn 40 Jahre nach der Veröffentlichung des Papers die Thesen in ein Schulbuch eingetragen werden. Das ist zu spät!“ Das sieht er besonders negativ, weil im heutigen Zeitalter die Wissenschaft unglaublich schnell wächst.
„Ich glaube es wäre ein großer Gewinn für die Wissenschaft, wenn sie mehr kommunizieren würde.“ Das sehen ein paar Menschen aber auch anders. André Lampe bekommt immer wieder Mails in denen unschön geschrieben steht, er solle die Wissenschaftskommunikation sein lassen. Das ist inzwischen eine dreistellige Zahl an Nachrichten und diese sind häufig nicht von Laien, sondern Wissenschaftlern mit Doktortiteln geschrieben. An die Wissenschaft hat er deshalb mehrere Forderungen, wie sie besser kommunizieren könnten, damit solche Nachrichten in Zukunft der Vergangenheit angehören:
- Es muss ein System von Anreizen geschaffen werden, welche die Wissenschaftskommunikation in irgendeiner Art und Weise honoriert. Die Professuren kommen oft mit Verpflichtungen, wie beispielsweise 12 Veröffentlichungen oder drei Nature Paper, da bleibt keine Zeit für Wissenschaftskommunikation. Es wäre gut, wenn sich dies ändern würde.
- Wissenschaftskommunikation muss Thema im Bachelorstudium sein. Jeder der diesen Abschluss als Ziel hat, soll erklärt bekommen, wie das Kommunizieren von Wissenschaft funktioniert. Es würden schon zwei Semesterwochenstunden ausreichen, damit diejenigen, die Lust haben das Gebiet kennenlernen. Im Master könnte es dann verpflichtend sein.
Für sich persönlich hat André Lampe aber beschlossen, trotz des Gegenwinds aus eigener Reihe mit der Wissenschaftskommunikation nicht aufzuhören. „Ich bin stur und deshalb sorgt das nur dafür, dass ich weiter machen werde.“ Die Wissenschaft hat die letzten 30 Jahre zu sehr den Mund gehalten und André Lampe wünscht sich, dass sich das in Zukunft ändert.