Memes

Mit Memes gesagt – die Generationen im (Kommunikations-)Konflikt

Von Sophie Landolt

Auf den ersten Blick wirken Memes wie ein banales Internetphänomen: Ein semi-lustiges Bild mit einer bedeutungsarmen Phrase, oft losgelöst von jeglicher Syntax – fertig ist der Witz en vogue. So einfach ist es dann aber doch nicht, denn was diese Definition vergisst, ist ein nicht ganz unwichtiger Faktor: Memes sind die Stimme einer Generation, die lange mundtot schien.

Im Gespräch mit meinen Eltern fällt mir eines immer öfter auf: Kommunikation ist ein Generationskonflikt, ein Krieg um Sprache. Denn während ich mich mit Bravour durch ein Labyrinth von Fremdsprachen, Insidern und uneindeutigen Phrasen schlängle, halten meine Eltern an der deutschen Syntax fest, als sei es ihr letztes Hemd. Für sie ist meine Ausdrucksweise nichts anderes als eine langanhaltende Nebenwirkung der Pubertät, die „Jugendsprache“ ­– wie sie es nennen wollen. Der letzte Krieger einer Rebellion, die aus dem Ungleichgewicht meines Hormonhaushalts emporstieg. Momentan herrscht Waffenstillstand. Während meine Eltern hoffen, dass ich in meinem Studium endlich die deutsche Sprache lerne, befinde ich mich längst in einer stillen Renaissance, von der meine Eltern nichts mitbekommen – denn im Internet sind sie irgendwie noch nicht ganz angekommen.

Genau dort scheint nämlich der Dreh-und Angelpunkt des Wandels zu liegen. Während die älteren Generationen gerne weiterhin auf die direkte Kommunikation vertrauen, ruft bereits ein Telefonat bei Generation Y und Z ein beinah unerträgliches Unbehagen hervor. Ihr neues Normativ heißt digital. Kommuniziert wird vor allem über Instant-Messenger Dienste oder noch indirekter, über Verlinkungen auf Memes. Dabei dominiert der Dialog durch Memes vor allem in den sozialen Netzwerken. Aber was steckt eigentlich hinter diesem Phänomen und wieso steht es auf einmal im Zentrum eines Generationskonflikts?

 

 

 
 
 
 
 
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Virale Verbundenheit aka when you know that feel

Als gängige Art der Interaktion verbreiten sich Memes mittlerweile in Lichtgeschwindigkeit. Je mehr Leute ein Meme für „relatable“, also nachvollziehbar, halten, desto öfter wird es geteilt, kommentiert oder geliked. Die Voraussetzung für ein erfolgreiches Meme ist also, dass mehrere Menschen mit der Bedeutung des Memes d’accord sind. Es verweist allerdings auf eine Referenz, die nicht jeder kennt und versteht – beziehungsweise verstehen soll. Damit werden die, die es nicht tun, prompt zum „Outsider“; zwischen denen, die es tun, entsteht wiederrum ein Gefühl der Solidarität.

Für die Kulturwissenschaftlerin Limor Shifman zeigt sich in dieser, im Prinzip offenen, Exklusivität der „vernetzte Individualismus“ unserer Zeit: „Menschen benutzen Memes, um ihre Einzigartigkeit und zugleich ihre Verbundenheit zum Ausdruck zu bringen“.

Jedes Meme hofft also auf Sympathisanten, das heißt Menschen die sich selbst, ihre Gefühle und Bedürfnisse in dem Meme repräsentiert sehen. Gewinnt ein Meme insgesamt an Popularität, dann kann man daraus schließen, dass es stellvertretend für das Kollektivgefühl einer Gruppe von Menschen steht. Dass diese Gruppen sich aus „Digital Natives“, also vor allem aus Millenials und Gen Z zusammensetzen, ist wohl konsequent. Allerdings scheint es für viele eine absurde Annahme zu sein, dass sich in Memes auch gesellschaftliche Probleme wiederspiegeln.

Tschau, Unsagbarkeitstopos!

Dabei liegt auf der Hand: Das Unsagbare lässt sich am besten sagen, indem man so tut, als sei es ein Scherz. Noch einfacher wird es, wenn man dabei anonym bleibt oder sich zumindest hinter einem Kollektiv von Gleichgesinnten verstecken kann. Beide Aspekte finden sich in der Memekultur vereint. In einer Gesellschaft, in der bislang vieles totgeschwiegen oder tabuisiert wurde, ist das zwar eine subtile, aber doch bedeutungsvolle Revolte. Eine leise Art laut zu sein, um auf Themen hinzuweisen, die bislang entweder mit Scham behaftet waren oder denen von Politik und Gesellschaft lange Zeit nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Klimakrise, soziale Ungerechtigkeit, politische Missstände oder die Entstigmatisierung psychischer Krankheiten sind Teil der langen Themenkette, die sich parallel zu gesellschaftlichen Veränderungen in den Memes widerspiegelt. Shifman argumentiert, dass dadurch ein globaler Kulturraum entsteht, der sich durch seine institutionelle Unabhängigkeit uneingeschränkt entfalten kann. Das könne wiederum dazu beitragen, das Gefühl eines gesellschaftlichen Machtungleichgewichts zu katalysieren. Schlussendlich zeigt sich in dieser neuen Kommunikationskultur also eines ganz deutlich: Die Verzweiflung junger Menschen, die sich in ihrer Meinung unbeachtet fühlen.

Ist eigentlich nicht ok, Boomer

Das Meme OK, Boomer wird dadurch wohl auch zur wichtigsten Parole der „Digital Natives“. Es propagiert in subtiler Meme-Manier: Wir sind hier, wir haben eine Meinung und ihr seid taub dafür! Die Phrase entstand als Reaktion auf die pauschalisierende und zurückweisende Kritik an den jüngeren Generationen, inklusive deren Werten und Meinungen. Bislang scheint nämlich vor allem die Machtgeneration Baby-Boomer kein Verständnis für das aufzubringen, was sich durch die neuen Generationen verändert. Und dazu gehört auch der offene, tabulose Dialog, der sich vor allem im Internet vollzieht – aber eben auch seinen Weg in die analoge Welt findet.

Ok Boomer liefert daher die entsprechend pauschalisierende Antwort auf die engstirnigen Aussagen und Grundsätze der älteren Generationen. So wie diese versuchen, die Meinung der Jungen zu banalisieren und sie letztendlich zu unterbinden, weisen letztere diese Ignoranz mit einer einzigen sarkastischen Phrase zurück. Zwar werden die Boomer dadurch wohl nicht entmachtet, aber es demonstriert immerhin den Widerstand gegen ihre Ideologien.


Memes geben jungen Menschen also zumindest ein demokratisches Vehikel und die Möglichkeit, ihre Generation und deren Werte von denen der vorangegangenen Generationen abzugrenzen. Schlussendlich schießen sich die Boomer mit ihrer gewohnten Widerspenstigkeit ohnehin ins Aus der Zukunft. Denn irgendwann stehen sie vor den verschlossenen Toren einer neuen Generation, die sich im Internet zu einer emotionalen Einheit zusammengeschlossen hat.  

Während meine Eltern also meinen, dass ich die deutsche Sprache (und vielleicht auch ihre Werte) ramponiere, finde ich, dass ein Wandel in der Kommunikations- und Sprachkultur eine bedeutsame Begleiterscheinung des gesellschaftlichen Wandels ist. Denn: Wenn sich verändern soll, was gesagt wird, muss sich zwangsläufig eben auch verändern, wie etwas gesagt wird. Memes sind die prononcierten Vertreter dieses Umbruchs. Sicherlich entstehen nicht alle vor dem Hintergrund einer Rebellion und viele sind vermutlich auch das, was sie zu sein scheinen: ein banaler Insiderwitz. Dennoch sollte man auf keinen Fall unterschätzen, wie viel gesellschaftliches Gewicht sich hinter der Meme-Kultur verbirgt.