XBox One is watching you
von Svitlana Magazova
Eine Box für alles
Was sich wie ein Auszug aus George Orwells Roman „1984“ anhört, ist die Beschreibung der neuen Spielkonsole Xbox One. Man könnte fast meinen, dass die sogenannte „Black Box“, deren Existenz man als eine Fehlannahme abstempelte, bald für Millionen erhältlich sein wird und den Alltag bestimmen könnte. Die Idee einer Black Box ist, nach Henry Jenkins ( in seinem Buch „Convergence Culture“), die Zusammenführung von verschiedenen Funktionen auf einem Gerät. Somit fließen unterschiedliche Medientechnologien durch nur eine „Box“. Noch dieses Jahr soll die neue Spielkonsole Xbox One, Nachfolgerin der acht Jahre alten Xbox 360, auf den Markt kommen. Eine Spielkonsole, die jedoch weit mehr als lediglich über eine Vielzahl an Videospielangeboten verfügt. Sie wurde Anfang Mai 2013 als ein wahres „All-In“- Gerät vorgestellt. Mithilfe einfacher Befehle kann man zwischen Spielen, Musik, Videos sowie dem aktuellen Fernsehprogramm umschalten. Über Sprachsteuerung lassen sich Kanäle auswählen oder Programmhinweise einblenden. Mithilfe von Gesten können die Nutzer Filme minimieren und Texte scrollen. Die Box ermöglicht außerdem das Surfen im Netz und das Skypen. Den Möglichkeiten sind mit dieser Box scheinbar keine Grenzen gesetzt.
Kinect – der aufmerksamste Freund
Dem System entgeht darüber hinaus nichts, was sich in den Wohnzimmern der Nutzer
abspielt. Marc Whitten, Microsoft-Vizepräsident des Xbox Live-Bereiches meint, die Xbox One würde die kleinste Drehung eines Handgelenks oder einer Schulter erkennen. Sogar der Herzschlag könne registriert werden. Das ist möglich durch den neuen Bewegungssensor Kinect, welcher mit vier Mikrofonen, zwei Kameras und einem Infrarot-Scanner ausgestattet ist. Damit kann die Konsole auch im Dunkeln noch sehen. Gespräche können durch die Funktion der Sprachsteuerung mitgehört werden und auch die Mimik des Spielers wird genau erfasst. So lässt sich auf momentane emotionale Zustände des Spielers schließen.
Kinect – der zuverlässigste Aufseher
Die Super-Kamera der neuen Xbox One ist nicht nur hautnah am Spieler dran, sie könnte auch manch andere Bereiche revolutionieren. Die Anzahl der Anwesenden kann von Kinect erfasst werden. Ein Film wird folglich desto teurer, je mehr Leute vor dem Fernsehgerät sitzen. Für Extra-Zuschauer muss eine Extra-Lizenz erworben werden. Die Lizenzen umfassen unter anderem auch den Aspekt des Jugendschutzes. Der Zugang zu bestimmten Inhalten kann einer Person verwehrt werden, falls sie noch nicht das entsprechende Alter erreicht hat. Ob Microsoft das Patent bei der Xbox One aber tatsächlich zur Anwendung bringen wird, steht noch offen.
Unentrinnbare Allgegenwärtigkeit
Ist es denn nicht praktisch, ein Gerät für alles zu haben, welches in direkte Interaktion mit dem Nutzer tritt?
„Die Xbox registriert ständig alle möglichen persönlichen Informationen über mich. Reaktionsgeschwindigkeiten, meine Lernfähigkeit oder emotionale Zustände”, so Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, über die kürzlich vorgestellte Spielkonsole. „ Die [Informationen]werden dann auf einem externen Server verarbeitet und möglicherweise sogar an Dritte weitergegeben“, so Schaar weiter. Selbst im Stand-by-Modus registriert ein Mikrofon jedes Wort, und eine Software untersucht auch das kleinste Gemurmel auf Schlüsselbegriffe. Man müsse die Konsole komplett vom Netz nehmen, wenn man sicher gehen will, nicht belauscht oder beobachtet zu werden.
Nur ein Nachfolger von Mr. Mobilfunk?
Der Informationsethiker Michael Nagenborg von der Universität Tübingen meint zu diesem Thema: „Vieles, was wir jetzt in der Xbox sehen, hat Vorbilder im Mobilfunk: die Sprachsteuerung, der permanente Datenaustausch mit großen Rechenzentren, die stets verfügbare Kamera mit Videofunktion.“ Die Xbox One wäre somit eine logische Weiterentwicklung ihrer Vorgänger.
Wenn Produkte den Nutzer beherrschen
Doch wo liegen die Grenzen solcher Weiterentwicklungen? Wie sicher kann man sich sein, dass die eigenen Daten, welche im System abgespeichert werden und leicht an Microsoft geschickt werden können, nicht instrumentalisiert werden? Schließlich könnte die Auswertung dieser Daten wertvolle und aufschlussreiche Informationen über die Kunden liefern.
Vielen ist mittlerweile gar nicht mehr bewusst, wie viele ihrer Daten bereits abgespeichert sind und auf wie vielen Kameraaufzeichnungen sie sich wiederfinden könnten. Durchaus geht die zunehmende Informationsabspeicherung und Medienpräsenz mit der rasanten technologischen Entwicklung einher. Der Hamburger Datenschützer Caspar unterstreicht, dass die Entwicklung durch Konzerne und Privatleute einen Schub erhält.
Eine Black Box, durch die nicht nur verschiedene Angebote fließen, sondern auch Informationen über Emotionen und Verhalten der Nutzer, würde das Verhältnis zwischen Rezipient und Produkt drastisch verändern. Die Frage stellt sich nämlich nun weniger, was der Rezpient mit seinem Produkt macht, sondern was das Produkt mit dem Rezipienten macht. Der Nutzer sollte darauf aufpassen, dass er sich selber nicht von der Box zum Objekt machen lässt, mitsamt all seinen Informationen und Emotionen. Diese sollten nämlich nur einem System angehören – seinem eigenen.
Fotos: Copyright Microsoft
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