Tausche Labor gegen Backstube

Von Caroline Ganzert und Johannes Gläser 

Poetry Slam? Kennt jeder. Science Slam? Was sich dahinter verbirgt, verraten wir Euch im Folgenden! Wir haben Martin Werz getroffen, er ist Deutscher Meister im Science Slam (2017) und Wissenschaftler an der Universität Stuttgart. Im persönlichen Gespräch erzählte er uns, was Wissenschaftskommunikation und Science Slams für ihn bedeuten. In diesem Blogbeitrag erfahrt Ihr, wie Martin Werz Wissenschaft anhand von Plätzchenteig und Schokolade für Laien verständlich macht.

Wenn Martin Werz Bekannten früher erzählte, woran er arbeitet, erntete er meist kaum mehr als verständnislose Blicke. So geht es wohl vielen Wissenschaftlern. Werz lehrt und forscht im Bereich Fügetechnik und Additive Fertigung an der Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart. Materialprüfungsanstalt? Additive Fertigung? Für Laien könnte es wohl kaum abschreckendere Wortschöpfungen geben. Noch komplizierter als die Begriffe selbst ist das Fachwissen, das sich dahinter verbirgt.

Martin Werz: Wissenschaftler und Science Slammer. Quelle: Sebastian Weindel

Martin Werz: Wissenschaftler und Science Slammer. Quelle: Sebastian Weindel

Doch Martin Werz fand eine Lösung, seine hochkomplexe wissenschaftliche Arbeit einfach zu beschreiben. Sein Geheimrezept ist, möglichst alltägliche Beispiele zu finden. Diese wiederum dienen als Analogien, um wissenschaftliche Prozesse verständlich zu machen. „Umso alltäglicher, umso besser“, so Werz. Für den 31-Jährigen ist die Grundvoraussetzung zu guter Wissenschaftskommunikation, dass „mich mein Gegenüber versteht und dass ich auf bekanntem Wissen aufbaue. Dazu muss ich natürlich wissen oder zumindest abschätzen können, was der Wissensstand meines Publikums ist“.

Info: Person

Martin Werz ist 1987 in Reutlingen geboren und wuchs in Dettingen an der Erms auf. Er studierte Maschinenbau an der Universität Stuttgart und in Washington D.C. an der George Washington University. Aktuell forscht er als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart. Seine Schwerpunkte sind Schweißprozesse und die additive Fertigung.

Vom Backen zur Wissenschaft

Ein besonders komplexer Fall ist der Rührreibschweißprozess, der in Werz’ Fachgebiet eine wichtige Rolle spielt. Rührreibschweißprozess – dank dieses Begriffes wird Martin Werz gerne auch mal für einen Sportwissenschaftler gehalten. Kaum verwunderlich also, dass sich der Wissenschaftler sehr bemüht, Verwechslungen dieser Art vorzubeugen und sein Forschungsgebiet endlich verständlich zu machen. Dafür setzte Werz seiner Kreativität keine Grenzen. „Backen finde ich gut“, sagte er uns im persönlichen Gespräch. Dass seine Vorliebe fürs Backen noch mehr hervorbringt als leckeren Kuchen, dachte er anfangs auch nicht. Doch der Wissenschaftler fand schnell heraus, dass sich Plätzchenteig und Schokolade hervorragend zum Erklären des Rührreibschweißprozesses eignen. Auf unsere Frage, wie er darauf kam, anhand dieser Elemente Zuschauern das Prinzip des Rührreibschweißens näherzubringen, sagte er uns: „Ich brauchte etwas, worauf ich aufbauen kann. Also habe ich mich gefragt: was weiß wirklich jeder?“ Schokolade und Plätzchenteig kennt wirklich jeder und beides ist positiv konnotiert.

Mit einer Schokoladentafel erklärt Martin Werz physikalische Prinzipien der Schmelzschweißverfahren.

Mit einer Schokoladentafel erklärt Martin Werz physikalische Prinzipien der Schmelzschweißverfahren.

Info: Science Slam

In Science Slams verpacken Wissenschaftler ihre Themen in ansprechende und spannende zehnminütige Vorträge. Im Vordergrund steht dabei der Unterhaltungswert für das Publikum: Unter dem Motto „Forschung verständlich für jedermann“ präsentieren die Wissenschaftler in Kürze, womit sie sich monatelang in Bibliotheken und Laboren beschäftigen.

Doch wie gelingt es Werz, anhand der beiden Analogien, dieses komplexe Vorgehen auf ein leicht verständliches Abstraktionslevel zu bringen? Beispielsweise erklärt er die Zusammensetzung einer klassischen Schweißnaht anhand des Schmelzvorgangs von Schokoladentafeln: Eine Schokoladentafel wird in heißem Wasser erhitzt. Diese Masse, auch Schweißgut genannt, wird anschließend in den Spalt zwischen zwei weiteren festen Schokoladentafeln gegossen. An den Rändern der beiden festen Tafeln befindet sich nun die Wärme-Einflusszone, dort hat die geschmolzene Schokoladenmasse die beiden Tafeln angewärmt. Die beiden äußeren Ränder der Schokoladentafeln blieben kalt. Ein Querschnitt dieser Schokoschweißnaht zeigt: eine richtige Schweißnaht sieht genauso aus! Die Idee für den ersten Science Slam war geboren. So hieß es bald für Werz: Raus aus dem Hörsaal, ab auf die Bühne!

Wenn Wissenschaftler auf der Bühne stehen

Für Werz war es nie genug, sein Wissen nur Gleichgesinnten zu vermitteln. Ihm war es wichtig, seine Kenntnisse in die Welt außerhalb der Forschung zu tragen. Science Slams gaben Werz damit eine ideale Möglichkeit, seine Forschung einem größeren Publikum, hauptsächlich aus Laien bestehend, zu vermitteln. Dort kamen seine Auftritte so gut an, dass er es sogar bis zu den Deutschen Meisterschaften im Science Slam 2017 in Ulm schaffte und diese gewann: Als letzter Teilnehmer überzeugte Werz das Publikum und setzte sich gegen die starke Konkurrenz durch.

Martin Werz bei den Deutschen Meisterschaften 2017 in Ulm:

Was er heute über seinen Auftritt in Ulm denkt, könnt Ihr in diesem Podcast erfahren…

Bei Science Slams findet üblicherweise ein Applausometer seine Anwendung: Anhand der Lautstärke des Applauses seitens des Publikums wird gemessen, welcher Slammer beim Publikum am beliebtesten war. Werz erklärte uns, „dass das Publikum so die Möglichkeit hat, eine demokratische Entscheidung zu fällen. Das ist es, was den Science Slam ausmacht“. In Ulm erhielten die Zuschauer Karten, mit denen sie ihre Punkte vergaben. Diese Nähe zum Publikum ist maßgebend für Science Slams. Oftmals bleibt es nicht beim bloßen Auftritt: Martin Werz erzählte uns, dass häufig im Anschluss zum Auftritt noch Fragen seitens des Publikums aufkommen und gute Gespräche, auch mit anderen Wissenschaftlern, entstehen. „So findet man gemeinsame Anknüpfungspunkte und überlegt durchaus, wo ein gemeinsames Forschungsprojekt entstehen könnte“, erläuterte Werz.

Wissenschaft für alle!

Doch warum gibt sich ein Wissenschaftler eigentlich so viel Mühe, die eigene Forschung kommunikativ so aufzubereiten, dass sie für Laien verständlich wird? Wir haben bei Martin Werz nachgefragt. Für ihn ist es wichtig, dass Wissenschaft nicht exklusiv wirkt: „Ich bin Science Slammer, weil ich die Informationen, Erkenntnisse und Erfahrungen, die ich im Labor mache, nicht nur für mich selbst behalten möchte. Sondern: Ich denke, wenn es relevant ist, muss es auch ein großes Publikum hören. Und ich meine, der Science Slam ist einfach eine super Möglichkeit, vielen das zu vermitteln.“ Schließlich seien es doch öffentliche Gelder, die seine Forschung ermöglichten. Deshalb sollte die Gesellschaft auch erfahren, was daraus entsteht. Im Gespräch sagte er uns außerdem, ihm mache es einfach Spaß, neue Erkenntnisse zu gewinnen und diese mit anderen zu teilen. Für Werz ist die Slam-Situation, in einen Wettstreit zu treten und um die Anerkennung des Publikums zu kämpfen, eine schöne Herausforderung.

„Wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund“

Und wie reagieren Studierende auf die Science Slam Tätigkeiten ihres Dozenten? Die Reaktionen seien durchweg positiv, versicherte uns der Wissenschaftler. Laut Werz reagiert auch das Kollegium sehr aufgeschlossen auf die für Forscher doch etwas untypische Tätigkeit. „Meine Kollegen freuen sich mit mir“, so Werz. Lediglich einige ältere Kollegen fürchten, dass wissenschaftliche Prozesse zu einfach dargestellt werden. „Sie denken, wir werden unserem hohen wissenschaftlichen Anspruch nicht gerecht“, erklärte uns der 31-Jährige. Doch der Wissenschaftler sieht einen hohen Vorteil in den Science Slams für die Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten: „Für mich ist es vielmehr ein Qualitätsmerkmal, wenn einer in der Lage ist, komplexe Zusammenhänge leicht verständlich zu erklären. Ich denke, als guter Wissenschaftler sollte man sein Forschungsgebiet, seine Problemstellung und seine Ergebnisse auf unterschiedlichen Abstraktionslevels und mit unterschiedlichen Detailierungsgraden darstellen können. Hierzu zählen sowohl die klassischen Veröffentlichungen als eben auch Science Slams oder einfach Gespräche mit Freunden.“ Mittlerweile sind Science Slams so beliebt, dass sie für manchen der Beginn einer Karriere als Bestsellerautor waren…

…doch wie sieht die Zukunft des Science Slams aus?

Werz sieht in den Science Slams ein zukunftsträchtiges Modell, das sich bereits stark etabliert hat, und auch künftig eine wichtige Methode bleiben wird, Forschung leicht verständlich zu kommunizieren. Auf unsere Frage, ob Werz sich weiterhin auf den Bühnen der Science Slams sieht, versicherte er uns, dass er ständig auf der Suche nach geeigneten Beispielen und Bildern als Transportmedium für Informationen sei. Demzufolge hat er bereits zahlreiche Ideen für neue Slams. Mit einem Augenzwinkern bestätigte er unsere Vermutung: Nach alter Tradition darf beim nächsten Slam natürlich der Bezug zur Küche nicht fehlen! Martin Werz verriet uns, im kommenden Programm wird es um Schlagsahne, Haferflocken und Joghurt gehen. Wir sind gespannt!