„Insta“gram – der perfekt inszenierte Augenblick
Von Lucy Höfle
Wir alle kennen es, viele unserer Generation sogar noch aus den Anfängen. Damals, als Instagram noch instant war – wie der Name impliziert, der sich aus „instant camera“ (Sofortbildkamera) und „telegram“ (Telegramm) zusammensetzt. Instant, also sofortig. Ein Schnappschuss, ein eingefangener Augenblick, direkt entwickelt. Authentisch. Doch wie sieht es damit heute aus?
Zugegeben, Instagram hat noch nie wie eine Polaroidkamera funktioniert, schließlich handelt es sich um einen Onlinedienst. Das Credo, das der Name mit sich bringt, hatte jedoch zumindest am Anfang noch eine gewisse Gültigkeit…
Die Plattform der Selbstdarstellung
Heute nutzen weltweit über eine Milliarde Menschen Instagram. Die Plattform hat sich enorm weiterentwickelt und es sind neue Formen der Kommunikation entstanden. Von der anfänglichen Authentizität ist jedoch wenig übrig geblieben. Wo es früher einfach darum ging, schöne Momente aus dem eigenen Leben zu zeigen, stehen jetzt Selbstdarstellung und Selbstoptimierung im Mittelpunkt. Dieser Entwicklung gehen vor allem Influencer voran. Als „Branded-Selves“ beherrschen sie es perfekt, sich in Szene zu setzen.
In einer Studie befassten sich Maya Götz und Josephine Becker mit den Selbstinszenierungsmustern von Influencerinnen. Die Forscherinnen stellen fest, dass sich deren Bilder hinsichtlich Körperhaltung, Gestik, Mimik, Kleidung und Orten sehr ähnlich sind. Sei es „das „zufällig“ überkreuzte Bein“, „das zur Seite ausgestellte Bein“ oder „die beiläufige Hand im Haar“ und „das Freude ausdrückende Lachen“ – alle verwenden die gleichen Strategien und zeigen nur eine geringe Bandbreite der Selbstpräsentation. Authentizität, Vielfalt und individuelle Facetten bleiben auf der Strecke. Mehr noch: die Inszenierungen orientieren sich an Schönheitsidealen und weiblichen Stereotypen. Sie vermitteln dadurch ein sehr einseitiges Bild davon, wie eine Frau zu sein hat und implizieren gleichzeitig, dass damit Anerkennung und Erfolg einhergehen.
Die Macht der Bilder
Instagram konfrontiert uns also mit einer Fülle an „perfekten“ Bildern, die gewisse Ideale vermitteln. Dass diese Bilder negative Auswirkungen auf unsere Selbstwahrnehmung und Selbstzufriedenheit haben können, belegen diverse Studien. So untersuchten die Forscher*innen (2018) den Zusammenhang von und einem negativem Körperbild. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper aus dem Vergleich mit Anderen in Verbindung mit verinnerlichten Vorstellungen von Idealen resultiert. Der Begriff der Selbstobjektifizierung meint dabei, dass eine Außenperspektive eingenommen wird, aus der man sich selbst kritisch aus der Distanz betrachtet, als ein Objekt, das von anderen bewertet wird.
Influencerinnen als Vorbilder
Das Phänomen der Selbstobjektifizierung konnte Medienwissenschaftlerin Maya Götz auch bei 14- bis 16-jährigen Mädchen feststellen. Sie fand heraus, dass die Mädchen einen sehr kritischen Blick auf sich selbst haben und nur „perfekte“ Bilder auf Instagram posten. Dabei nehmen sie für ihre Selbstdarstellung Influencerinnen zum Vorbild. So zeigen sich zwangsläufig auch bei den Mädchen dieselben Posen und Inszenierungsmuster. Für ein perfektes Bild kann es auch mal 20 Versuche brauchen, in der Regel kommen auch Filter zum Einsatz. Die Mädchen werten ihre natürliche Erscheinung ab und verstecken persönliche Facetten. So geben die Befragten an, sich für die authentischen Bilder, die sie früher gepostet haben, zu schämen. Dies zeigt, wie sehr uns die durch Bilder transportierten Schönheitsideale und Selbstoptimierung beherrschen.
Warum das alles?
Hinter all dieser Mühe steckt der Wunsch nach Anerkennung. Diese spiegelt sich auf Instagram in Likes und Followern wider. Vor allem auf Mädchen lastet dabei der Druck „perfekt“ zu sein. Sie versuchen einem Ideal zu entsprechen, das sich an Stereotypen orientiert, um sozial anerkannt zu werden. Instagram bietet dabei die ideale Plattform, sich dementsprechend zu präsentieren und nur das Beste von sich zu zeigen. Es entsteht eine Lücke zwischen der realen und der Onlineidentität. Authentizität weicht zugunsten von Inszenierung und Vielfalt der Gleichförmigkeit. Eine Entwicklung, die unserer Selbstwahrnehmung und unserem Selbstbewusstsein schadet, Schönheitsideale zelebriert, alte Stereotype aufrechterhält und gerade Jugendliche in der Identitätsfindung beeinflusst: Indem sie Idealen nacheifern, kommt die eigene Persönlichkeitsentwicklung zu kurz und individuelle Seiten werden nicht entfaltet. Sich selbst finden, akzeptieren und lieben wie man ist, ist unter dem Druck „perfekt“ zu sein nahezu unmöglich.
Was können wir dagegen tun? Instagram wieder „instant“ machen!
Dieser Entwicklung könnte jedoch entgegen gewirkt werden, wenn wir wieder anfangen, mehr individuelle Facetten zu zeigen und weniger perfektionistisch an unsere Bilderauswahl herangehen – quasi Instagram wieder „instant“ machen. Denn gerade Instagram als (audio)visuelle Plattform birgt ein großes Potenzial der Sichtbarmachung. So könnte die Macht der Bilder ins Positive umgekehrt werden. Vor allem Influencer könnten mit ihrer Reichweite an diesem Punkt viel bewegen. Jedoch gehören auch hier wie immer zwei dazu. So spielt auch die Erwartungshaltung der User eine Rolle. Dieser müssen Influencer stets gerecht werden, um ihren Erfolg nicht einzubüßen.
Im nächsten Beitrag der „Insta“gram-Reihe erhaltet ihr einen Einblick in die Welt der Influencer.
Quellen:
Fardouly, J., Willburger B. K., & Vartanian, L. R. (2018). Instagram use and young women’s body image concerns and self-objectification: testing mediational pathways. New Media & Society 20(4), 1380-1395.
http://www.br-online.de/jugend/izi/deutsch/publikation/televizion/Digital/Goetz-Perfektes_Bild.pdf
https://malisastiftung.org/wp-content/uploads/%C3%9Cberkreuztes-Bein.pdf