Online regieren.

von Pascal Thiel

Das digitale Zeitalter hat nun auch die Politik erreicht. Man hat erkannt, dass das Internet nicht nur eine „Modeerscheinung“ ist, sondern zum eigenen Vorteil genutzt werden kann. Da kamen clevere Politiker auf eine geniale Idee: Warum nicht online regieren? Sie entwickelten ein Konzept und nannten es „E-Government“.

Doch was kann man nun darunter verstehen? Wählt man ab sofort per Mausklick statt im Wahllokal? Kommt der Personalausweis per E-Mail? Wird jemanden anzeigen so leicht werden wie Pizza bestellen? Kann ich mit meinen Behörden chatten?

Die Wahl per Mausklick könnte eines Tages tatsächlich Realität werden, jedoch ist das noch Zukunftsmusik. Das E-Government steckt noch in den Kinderschuhen.

E-Government

Doch was ist nun „E-Government“? Das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung der Deutsc

hen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer definiert E-Government als einen Überbegriff der „Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien“. Das bedeutet vereinfacht: regieren und verwalten im Internet.

E-Government umfasst demnach nicht nur, wie allgemein angenommen, die internetbasierte Kommunalverwaltung („E-Workflow“ oder „E-Administration“), sondern darüberhinaus interaktive Partizipationsmöglichkeiten („E-Democracy“). Während der Begriff der „E-Administration“ Systeme und Anwendungen zur Verwal

tung unter sich vereinigt, umschließt „E-Democracy“ moderne politische Informations-, Kommunikations- und Partizipationsmöglichkeiten, beispielweise Systeme für Online-Durchführungen von Wahlen, Volksabstimmungen, etc.

Die Internetseite des Deutschen Bundestages ist ein Musterbeispiel der „E-Democracy“. Hier kann man sich über die Geschäfte des Parlaments informieren, mit den Körperschaften kommunizieren (über eine Adressenliste) und durch den Download von zum Beispiel Petitionsformularen am politischen Geschäft partizipieren. Für diese breite Auswahl wurde die Internetseite 2007 mit dem World Summit Award in der Kategorie „E-Government“ ausgezeichnet.

E-Rules

Die Bundesregierung sieht in der „Informationsgesellschaft große Chancen auch für die öffentliche Verwaltung“. Daher ist die Förderung des E-Governments im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP von 2009 festgeschrieben: „Wir werden […] E- Government weiter fördern und dazu wo und soweit notwendig, rechtliche Regelungen anpassen (E- Government-Gesetz).“ (Seite 102). Anmerkung: Diese Pläne gehen bisher nicht über die „E-Administration“ hinaus.

Seit März 2012 liegt ein entsprechender Gesetzesentwurf vor. Dieser sieht vor, die grundlegenden Voraussetzungen der „E-Administration“, zu schaffen und hält die Kommunen an, „ihre Akten elektronisch auf dauerhaften Datenträgern führen“ und dabei „die Grundsätze ordnungsmäßiger Aktenführung“ zu beachten. (Art. 1, Abschn. 2, § 6, Abs. 1). Dabei soll laut dem Bundesinnenministerium ein „effizientes, nutzerfreundliches und prozessorientiertes E-Government“ entstehen und Hindernisse wie etwa Medienbrüche, also Hindernisse beim Übersetzen von Daten vom einen Medium ins andere (z.B. handschriftliche Formulare in Onlineformulare), verhindert werden. Wann und gegebenenfalls mit welchen Änderungen der Entwurf behandelt und verabschiedet wird, ist allerdings noch unklar.

Die Kanzlerin versuchte sich schon im Rahmen des „Zukunftsdialogs“ am Internet (wir berichteten). Da steckten die Partizipationsmöglichkeiten aber noch in den Kinderschuhen.

E-Benefits

Dabei könnten durch das „E-Government“ und besonders durch die „E-Administration“  enorme Kosten eingespart werden. Bei der E-Government-Initiative „BundOnline 2005“ wurden durch die internetbasierte Verwaltung beispielweise 400 Millionen Euro eingespart – Vorteil für den Steuerzahler. Zudem verbessert die „E-Administration“ den Kontakt zwischen dem Bürger und der Behörde, da rund um die Uhr Informationen erreichbar sind, Eingaben getätigt und automatisch bearbeitet werden können. Damit ist der Bürger nicht von starren – zumeist durchaus ominösen – Öffnungszeiten abhängig.

Auch der Staat verbucht Positives: Er spart nicht nur – wie oben beschrieben – enorme Kosten ein, sondern auch Personal, das aufgrund von automatisierten Prozessen nicht mehr notwendig ist.

Vorteile gibt es zu guter Letzt auch für Unternehmen, da aufgrund der Digitalisierung Behördengänge überflüssig werden, somit der bürokratische und administrative Aufwand stark reduziert wird.

E-Data

Sollte „E-Government“ in das Verwaltungswesen Einzug erhalten, befürchten viele große Probleme mit den neuen, immensen Datenmengen. Daher stellen sich elementare Fragen: Wird die Privatsphäre weiterhin geachtet bleiben? Sind die Daten sicher? Wie können die Daten geschützt werden? Welche neuen Gefahren entstehen?

Gerade in Bezug auf die Privatsphäre gibt es einen lebhaften Diskus. Kritiker befürchten, über die Frage, „E-Government“ führe geradewegs zum Schreckensszenario des „Gläsernen Menschen“. Sie warnen vor virtuellen Datenabbildern der Menschen und einer damit verbundenen Auflösung der Grenzen zwischen Privatem und öffentlich Zugänglichem.

Doch ist eine Digitalisierung der Verwaltung und somit auch der persönlichen Daten nicht überfällig? Wenn die Antwort darauf positiv ausfallen soll, so reiht sich die Frage nach dem Schutz der Daten hintenan. Denn dieser stellt womöglich die größte Herausforderung dar: Die speicherbedürftige Datenmenge würde mit Einführung des „E-Governments“ enorm ansteigen. Doch beim Transport wie auch im verarbeitenden System sind die Daten Hackerangriffen, Trojanern und Viren bei Fehlen einer lückenlosen Sicherheitssoftware schutzlos ausgeliefert. Davor warnen insbesondere die Datenschutzbeauftragten von Bund und Länder: Die Nutzer dürfen sich keine Sorgen über die Sicherheit ihrer Daten machen müssen.

Viele offene Fragen mit Klärungsbedarf: Zweifelsohne wird E-Government eines Tages Realität werden, nur wann ist fraglich. Zwar gibt es bereits einige Angebote und Konzepte, doch umfassende staatliche Problemlösungen sind noch Mangelware. Das heißt für den normalen Bürger bis auf weiteres: Pizza online, Anzeigen im realen Leben.

 

Foto: flickr/Flyinace2000 (CC BY-SA 2.0)

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