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NEIN zu sexueller Belästigung in sozialen Medien

Von Lea-Marleen Nagelschmidt

Soziale Medien sind praktisch. Sie ermöglichen das schnelle Knüpfen neuer Kontakte, machen das Sammeln oder Austauschen von Informationen sehr einfach und können Spaß machen. Allerdings bieten sie, neben lustigen Katzenvideos, auch Menschen mit weniger guten Absichten einen Raum: Täter*innen sexueller Belästigung haben im Internet ein leichtes Spiel.

Mittlerweile ist es leider keine Seltenheit mehr, ungefragt ein sogenanntes „Dickpic“ über soziale Medien zugeschickt zu bekommen oder einen sexualisierten Kommentar unter einem Instagram-Bild zu erhalten. Sexuelle Belästigung ist kein neues Themenfeld, sondern ist schon lange allgegenwärtig und wird auch bereits in der Presse, Politik und in der Forschung thematisiert. Soziale Medien bieten sexueller Belästigung einen neuen Raum und Rahmen. In diesem Raum ist es möglich, anonym zu bleiben. Er zwingt einen nicht zur direkten Konfrontation und Stellungnahme. Durch Anonymität, Flexibilität und den schnellen Zugang zu vielen Menschen in den sozialen Medien wurde sexuelle Belästigung auf eine andere Ebene gehoben, nämlich auf die ungefilterte digitale.

Was ist sexuelle Belästigung und inwiefern ist sie strafbar?

Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) fasst sexuelle Belästigungen unter dem § 3 IV zusammen. Nach § 3 IV AGG ist sexuelle Belästigung „ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, (das) bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird“.

Im Jahre 2016 wurde ein neuer Paragraf im Strafgesetzbuch eingeführt, nämlich der § 184i StGB. Beim § 184i StGB handelt es ich um den Straftatbestand der sexuellen Belästigung. Danach macht sich strafbar, wer eine andere Person ungefragt in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt. Eine mündliche Belästigung ist für diesen Straftatbestand nicht ausreichend, denn der Körperkontakt ist hierbei essenziell. Der Paragraf zeigt auf, dass es noch erhebliche Lücken im Strafgesetzbuch gibt. Denn der § 184i StGB umfasst weder mündliche sexuelle Belästigungen noch digitale sexuelle Belästigung. Die einzigen Möglichkeiten, rechtlich gegen eine digitale sexuelle Belästigung vorzugehen, sind dann gegeben, wenn die Straftatbestände einer Beleidigung, Nötigung, Erpressung und Stalking erfüllt sind. Diese Straftatbestände machen zwischen analog und digital keinen Unterschied. Somit sind es rechtliche Instrumente, die zum Einsatz kommen können, wenn man von digitaler sexueller Belästigung betroffen ist. Allerdings kommt es immer auf den Einzelfall an. Daher ist es umso wichtiger, das Thema sexuelle Belästigung in der Gesellschaft zu behandeln und darauf aufmerksam zu machen.

„NEIN“ zu sexueller Belästigung. Bild: Vectorstock.

Sexuelle Belästigung im Internet wird verharmlost

Einer Studie zufolge, die 2018 von dem österreichischen Institut der Jugendkulturforschung durchgeführt worden ist, zeigt sich gerade bei Jugendlichen eine Normalisierungstendenz. Von vielen Jugendlichen wird digitale sexuelle Belästigung als „normal“ angesehen. Das Internet wird von ihnen als Raum betrachtet, in dem es keine Rechte gibt. Sie denken, dass sie gegen die sexuelle Belästigung keine Handlungsmöglichkeiten haben. An dieser Studie wird deutlich, dass gerade im Bereich der digitalen sexuellen Belästigung Aufklärungsbedarf herrscht. Kinder und Jugendliche sollen nicht mit dem Verständnis aufwachsen, dass sie solche Belästigungen hinnehmen müssen. Auch viele Erwachsene wissen nicht, wie sie sich gegen solche Übergriffe im Internet wehren können oder verharmlosen solche Vorfälle. Trotzdem: sexuelle Belästigung ist inakzeptabel, egal ob analog oder digital.

Instagram-Account „antiflirting2“

Caro und Kim, zwei Studentinnen aus Wien, betreiben den Instagram-Account „antiflirting2“. Damit möchten sie gegen sexuelle Belästigung im Netz vorgehen. Sie haben den Namen antiflirting gewählt, da das für sie genau das beschreibt, was häufig auf sozialen Medien stattfindet: übergriffiges und belästigendes Verhalten, das Nicht-Akzeptieren von Neins und das Nicht-Respektieren von Grenzen. Das kann nicht als freundliches Flirten bezeichnet werden, sondern stellt viel mehr das komplette Gegenteil dessen dar. Die jungen Frauen möchten mit dem Account zeigen, dass jede*r betroffen sein kann und möchten den Betroffenen eine Plattform bieten, die sie anhört und ernst nimmt. Sie möchten einen sicheren Raum für Betroffene schaffen, wo sie sich über ihre Erfahrungen austauchen können. Betroffene können Screenshots von Konversationen schicken, die eindeutig sexuelle Belästigungen enthalten. Caro und Kim veröffentlichen diese Konversationen dann. Unter den übergriffigen Konversationen findet man z.B. Nachrichten mit übergriffigen Inhalten, wie: „Zeig‘ mal deine P*ssy her, Kleines“ oder „i think your p*ssy needs my big d*ck“.

Bilder: Instagram/antiflirting2

Dort werden auch Nachrichten mit ungefragten Penisbildern („D*ck Pics“) veröffentlicht. Natürlich zensiert. Diese Fülle an Screenshots, die man bei „antiflirting2“ findet, sind teilweise sehr verstörend und auch rechtswidrig. Nutzer*innen sollen dafür sensibilisiert werden, wo ein Annäherungsversuch anfängt und eine Belästigung beginnt. Jeder Mensch hat Grenzen und wenn diese überschritten werden, dann ist es an der Zeit, Respekt einzufordern und dagegen vorzugehen. Caro und Kim haben bereits viele positive Rückmeldungen bezüglich ihres Accounts erhalten. Nutzer*innen haben ihnen geschrieben, dass sie sich endlich getraut haben, offen über ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung zu sprechen. Sogar von Täter*innen haben sie das Feedback erhalten, dass sie durch „antiflirting2“ erkannt haben, dass ihre Handlungen nicht tolerierbar sind.

Sexuelle Belästigung ist ein Thema, das leider viele von uns betrifft. Es spielt keine Rolle, ob solche Übergriffe analog oder digital stattfinden – Für Betroffene sind sie immer demütigend und verletzend. Und gerade bei sexueller Belästigung, die in den sozialen Medien stattfindet, werden solche Vorfälle immer noch fälschlicherweise verharmlost und sind nur schwer rechtlich zu verfolgen. Jeder Mensch hat ihre oder seine Grenzen und diese dürfen von anderen nicht überschritten werden. Projekte, wie „antiflirting2“, sind hierbei maßgebend. Es braucht noch mehr solcher Projekte und Anstöße, denn erst durch die regelmäßige Thematisierung und Debatten über dieses Thema können Veränderungen bewirkt werden.

Quellen