Mehr als nur Zombies – die Erfolgsformel von TWD
Von Philipp Mang
Der Streifzug durch das transmediale Universum hat es gezeigt: Egal in welchem Medium – The Walking Dead begeistert die Massen. So hat die Comicreihe in den Staaten beispielsweise längst Kultstatus erreicht, während die Fernsehserie größeren Networkformaten in Sachen Einschaltquoten immer häufiger den Rang abläuft. Auch die Webserien und Videospiele erfreuen sich erstaunlicher Klick- und Downloadzahlen. Warum geht diese crossmediale Vermarktungsstrategie der Verantwortlichen so gut auf? Zeit für ein abschließendes Resümee.
Das Spiel mit den Urängsten
Zunächst einmal verfügt The Walking Dead über ein faszinierendes Ausgangsszenario: Eine Pandemie, die die Weltbevölkerung auszulöschen droht – diese Bedrohung ist wohl nicht erst seit Krankheiten wie der Schweine- oder Vogelgrippe in unseren Köpfen omnipräsent. Ähnlich wie die Charaktere des fiktionalen Universums haben auch wir ständig Angst, die Menschen, die wir lieben, zu verlieren und das Eintauchen in die Zombieapokalypse ist unsere Art mit all den Schrecken in der Welt umzugehen. Kirkman spielt also geschickt mit einer unserer Urängste und reaktiviert gleichzeitig ein Mythos aus der medialen Versenkung, der die Menschen schon seit Anbeginn ihrer Zeit fasziniert: Zombies. Diese untoten Kreaturen treffen aber keinesfalls den Mainstream-Geschmack des Publikums und spielen für die generelle Faszination deshalb nur eine untergeordnete Rolle.
Ein ungewöhnliches Rezeptionserlebnis
Viel entscheidender ist da, da es sich bei hierbei um ein hochgradig ungewöhnliches Franchise handelt. Dies zeigt sich zum einen in dem interessanten Genre-Mix aus Endzeithorror, Neo-Western und Drama. In manchen Momenten ist TWD eine düstere Charakterstudie, die den moralischen Verfall der menschlichen Psyche beleuchtet – Sekunden später eine blutige Seifenoper, in der die Charaktere lügen und Intrigen spinnen. Darüber hinaus zeigt sich die Besonderheit des Franchise aber auch in der exzessiven Darstellung von Gewalt, die insbesondere Jugendschützern ein Dorn im Auge ist, und in der Verhandlung moralischer Dilemmata. Als Clou erweist sich außerdem die kompromisslose Erzählweise. So schrecken die Macher etwa nicht davor zurück, auch beliebte Charaktere umzubringen. All dies hat zur Folge, dass sich Menschen unterschiedlichster Ethnizitäten, Altersgruppen und Bildungsniveaus mit Kirkmans Geschichten identifizieren können. Trotz alledem sei darauf hingewiesen, dass Medienrezeption ein unheimlich vielschichtiger Prozess ist. Warum ein Rezipient ein bestimmtes mediales Angebot konsumiert kann von unterschiedlichsten Faktoren abhängen. Die oben vorgestellten Gründe sollten deshalb lediglich als erste Ansatzpunkte dafür betrachtet werden, warum TWD so viele Menschen fasziniert.
Transmediales Storytelling in Perfektion
Auch die clevere Konstruktion des transmedialen Universums als Non-Finito Erzählung trägt ihren Teil zum Folg des Franchise bei. Zahlreiche narrative Leerstellen sorgen hier für eine Aktivierung des Rezipienten, der immer neue Aspekte des Zombie-Kosmos entdecken will. Zwar liefert keiner der einzelnen Beiträge ein so genanntes Origami Unicorn (d.h. einen überraschenden Plottwist), doch jedes Medium spielt, wie von Jenkins gefordert, seine Stärken konsequent aus. So zieht uns der Comic etwa durch seine außergewöhnliche Visualität in den Bann, die TV-Serie erweist sich als äußerst realistisch, wohingegen die Videospiele als einziges Medium eine Interaktion mit der fiktiven Welt erlauben. Die Romane und Webisodes statten das Universum schließlich mit interessanten Hintergrundinformationen aus. Erzählt wird dabei immer eine komplett eigenständige Geschichte. Deshalb kann auch jedes Medienprodukt prinzipiell als Einstieg in Kirkmans Zombie-Universum dienen. Um die Webisodes zu verstehen muss man beispielsweise nicht die Comics gelesen haben und umgekehrt. TWD ist damit fast schon als Paradebeispiel für gelungenes Transmediales Worldbuilding zu bezeichnen.
Das Phänomen geht weiter …
Da überrascht es nicht, dass das Franchise jüngst um weitere Erzählstücke erweitert worden ist. So startete im Sommer dieses Jahres etwa das lang erwartete Spinoff zur Mutterserie Fear auf AMC und sorgte dort für den erfolgreichsten Neustart einer Kabelserie überhaupt. Eine zweite Staffel des Formats ist deshalb bereits längst beschlossene Sache. Fear erzählt in bislang sechs Episoden eine komplett neue Geschichte abseits der Gruppe um Rick, die zeitlich vor den Ereignissen aus TWD angesiedelt ist. Im Mittelpunkt der Serie steht eine Patchworkfamilie, die in der kalifornischen Großstadt L.A. den Ausbruch der Zombie-Apokalypse von Anfang an miterlebt. Doch auch in Sachen Mini-Serie legen die Verantwortlich nach. Um den Fans des Spinoff die Wartezeit auf neue Geschichten zu verkürzen, sollen ab Ende des Jahres 16 knapp einminütige Webisodes auf der Homepage des Senders veröffentlicht werden. Unter dem Titel Flight 462 wird der Zombie-Horror dabei erstmalig an Bord eines Passagierflugzeuges verlegt.
TWD & kein Ende?!
Ein Ende des apokalyptischen Zombie-Horrors ist also längst noch in Sicht. Ob das Phänomen aber wirklich „unendlich lang weiterlaufen“ wird, wie Produzent David Alpert jüngst in einem Interview verlauten ließ, darf durchaus bezweifelt werden. Tatsächlich wird der Fortbestand von Kirkmans Franchise vor allem davon abhängen, wie schnell sich dessen außergewöhnliche Machart bei den Fans der Reihe abnutzt. Gelingt es den Machern nicht, weiterhin überraschende Wendungen zu konstruieren, wird sich der Hype um die Untoten drastisch abkühlen. Irgendwann ist eben jeder noch so aussichtsreiche Markt einmal übersättigt. Bis es so weit ist, wird aber bereits ein neues Phänomen in den Startlöchern stecken, dass unsere mediale Faszination auf sich zieht.
Fotos: flickr.com/Televisione Streaming (CC BY 2.0), flickr.com/Scott Beale (CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/Ewen Roberts (CC BY 2.0)
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