Eine Nische und ein Riesenkaninchen
Ein Portrait über Katrin Gildner
Von Jorinde Weinmann
Es ist Anfang 2022. Das neue Jahr ist gerade einmal ein paar Tage alt, als ich mein Gespräch mit Katrin Gildner beginne. Natürlich per Zoom, wir leben nun mal in einer Pandemie. Als das Bild geladen hat, sehe ich eine junge Frau mit nassen, frisch gewaschenen braunen Locken, Handtuch über den Schultern, schwarzer Brille und einem herzlichen Lachen. Ich stutze kurz. Bisher wusste ich, dass Katrin erfolgreich als selbständige Strategie-beraterin arbeitet und irgendwie hätte ich sie aufgrund dieser Information älter als ihre 31 Jahre eingeschätzt. Wir lachen uns an und ich kläre sie über meine Überraschung auf. Sie schmunzelt und wirft selbstbewusst ihr Haar in den Nacken. Katrin versichert mir, dass ihr Weg auch nicht immer ein gerader war. Ihrem Lieblingstier, dem Riesenkaninchen, nachempfunden hat sie auch ein paar Hacken geschlagen, bis sie jetzt von ihrer Nische sehr gut leben kann.
Nach dem Abi war Katrin bewusst, dass sie Sprachen studieren wollte. „Irgendwas mit Sprachen, aber ohne Kinder.“, lacht die junge Frau und erklärt mir, dass das Schullehramt deswegen nicht für sie in Frage kam. Sie entschied sich für Übersetzungs-wissenschaften in Heidelberg. Nach einiger Zeit wurde ihr jedoch bewusst, dass es nicht die Sprache allein war, die sie faszinierte, sondern die Kommunikation durch die Sprache. In Heidelberg wechselte sie zum Studiengang „Germanistik im Kulturvergleich“ und spezialisierte sich dort auf Sprachwissenschaft und Didaktik. Während ihres Studiums engagierte sich Katrin viel bei der Hochschulinitiative „ROCK YOUR LIFE!“ und sammelte dort erste Inspirationen für ihre spätere Arbeit. Sie war als Werkstudentin bei einem kleinen Start-Up in Heidelberg angestellt und dürfte dort einen Blog betreuen und ging immer mehr in Richtung Content Marketing.
Nachdem Katrin ihren Bachelor abgeschlossen hatte, bewarb sie sich für den Master in Medienwissenschaften in Tübingen. Während ihres Studiums unterrichtete sie Deutsch als Fremdsprache u.a. bei der VHS und schrieb über ihre Erfahrungen in einem Blog (www.sprache-ist-integration.de). Sie beschäftigte sich mit Sprache und Integration und verfasste Anleitungen für andere, die Deutschunterricht für Flüchtlinge anbieten wollten, Rezessionen zu Büchern und beantwortete Fragen von anderen Lehrenden.
„Ich war die erste und einzige und wahrscheinlich auch letzte deutsche Influencerin zum Thema Deutsch als Fremdsprache.“
Dieser Blog ging viral und Katrin erreicht bis heute sehr viele Menschen mit ihrem Geschriebenen. „Ich war die erste und einzige und wahrscheinlich auch letzte deutsche Influencerin zum Thema Deutsch als Fremd-sprache“, witzelt die 31-jährige. Durch ihren Blog erhielt sie auch die ersten Aufträge Texte zu schreiben und meldete 2015 ihr Gewerbe an. Dazu hat sie mittlerweile eine Freiberuflichkeit als Dozentin. Katrin schätze schon lange das Konzept von Onlinekursen, da sie den Gedanken toll fand, etwas für anderen Menschen zu erstellen, mit dem diese dann später sich etwas beibringen könnten.
Sie wünschte sich eine Masterarbeit mit Sinn und Zweck, und mit Gelegenheit sie weiterzuführen. Durch ihre Erfahrungen bei Hochschulgruppen und in anderen Ehrenämtern, entstand die Idee für „erzähl davon“ (www.erzaehldavon.de). Sie erschuf zusammen mit einer Kommilitonin Videointerviews, Illustrationen und Texte für eine Onlinekurs- plattform für Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, mit 10 unterschiedlichen Kursen zu Kommunikations- themen. Unter anderem gab es Kurse zu Öffentlichkeitsarbeit, Social Media, Wissenschafts-management oder auch Pressearbeit. Während ihre Kommilitonin durch die Plattform einen Job als PR-Beraterin angeboten bekam, wusste Katrin, dass das Leben, welches „Emily in Paris“ so glamourös porträtiert, nichts für sie ist. Sie wusste, sie möchte in die Freiberuflichkeit gehen.
Bereits bevor die Plattform ganz fertig war, kamen schon die ersten Anfragen rein Seminare zu den Themen von „erzähl davon“ zu geben. Und bis heute haben die Anfragen nicht aufgehört. Mittlerweile hat Katrin Angestellte und kennt alle Besonderheiten des Freiberufler-Lebens.
„Wo siehst du Dich in 10 Jahren?“, frage ich Katrin. Sie lacht. „Ernsthaft kann ich Dir das nicht beantworten. Spontan sehe ich mich mit einem Riesenkaninchen auf dem Schoß in Island bei meiner Workation, wo ich mit Blick auf den Gletscher irgendwas in mein Macbook reintippe.“
Katrin hat es geschafft. Sie hat ihre Nische gefunden, genießt ihre Arbeit und kann davon zufrieden leben. Und dazu ist sie ein sehr herzlicher Mensch, der jeden und jede unterstützen möchte auch seinen oder ihren Karrieretraum zu verwirklichen.