Wenn sich eine Tür schließt…
Ein Portrait über Jerome Nguyen
Von Hanna Machata
Nach dem Studium direkt in das Berufsleben zu starten, bereitet vielen Studierenden Sorge. Was wenn man plötzlich Vollzeit an eine Stelle gebunden ist? Wie kann man dabei noch seinen Inte-ressen nachgehen? Dass es nicht immer so läuft und diese Sorgen unbegründet sind, habe ich im Gespräch mit Jerome herausgefunden.
Schon als Kind wollte Jerome später etwas mit Medien, Musik und vor allem Videospielen ma-chen. Seine Liebe zu Videospielen begann im Alter von 6 Jahren. Damals stand für ihn vor allem der Spielspaß im Fokus. In seiner Schulzeit, die er auf einem technischen Gymnasium verbrach-te, legte er seinen Schwerpunkt auf Gestaltungs- und Medientechnik und produzierte gemein-sam mit Freunden in seiner Freizeit trashige Videos. Etwas später in der 11. Klasse gründete er mit Freunden eine Band. Seine Fähigkeiten am Bass untermalten den Punk Rock und Hardcore Alternative Sound. Nach Beendigung seines Abiturs war ihm noch nicht klar, was genau er mit seinen Interessen anfangen kann. Um das herauszufinden und mehr über Medien und deren Produktion zu lernen, war die Wahl für ein Studium der Medienwissenschaft schnell getroffen.
„Die Möglichkeit viel Praktisches zu machen, spricht für mich für Tübingen.“
Seine Magister-, Bachelor- und Masterzeit verbrachte Jerome in Tübingen. Er startete mit einem Magister in Philosophie, wechselte dann ab dem 4. Semester in den Bachelorstudiengang Medi-enwissenschaften und behielt Philosophie als Nebenfach. Ein rein theoretischer Master kam für ihn nicht in Frage, daher entschied sich Jerome für einen Master in Medienwissenschaften. Er schätzte den praktischen Anteil im Studium sehr, da er ihm am meisten Erfahrung und Know-How brachte. Seine Liebe zur Musik pflegte er nebenher weiterhin. Durch die Proben mit sei-ner Band im Jugendhaus Herrenberg, gelangte er zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit für das „48er“ Festival in Herrenberg. Schon zuvor kannte er das Festival, doch sein Musikgeschmack wurde mit den Line-Up nie getroffen. Als Lösung beteiligte er sich ehrenamtlich im Bandteam als Booker und Stagemanager. Auch wenn ihm das Festival sehr viel Spaß bereitete, war es jähr-lich auch viel Arbeit und kostete Energie. Seine Band und er traten zusätzlich auf mehreren Kon-zerten pro Jahr auf. Auch wenn die Band heute nicht mehr existiert, lohnt es sich reinzuhören (https://www.youtube.com/watch?v=CU8zhVzsLC0). Die durch das Studium erlernten Fähigkei-ten in der Medienproduktion nutzte er für die Promotion seiner eigenen Band. So war es für ihn ein Leichtes Videos, Grafiken und Social Media Auftritte zu gestalten.
Studium beendet, was nun?
Noch während des Schreibens seiner Masterarbeit durchforstete Jerome das Internet nach ei-nem passenden Job und stieß auf das Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe (ZKM). Die dortig ausgeschriebene Stelle als Volontär im Bereich Wissen, Archiv, Forschung und Sammlung für die Dauerausstellung „ZKM Gameplay“ ließ sein Herz höherschlagen. Trotz Zweifeln, ohne eine Kunstausbildung an einem Museum anzufangen, bekam er die Stelle und stellte fest, dass diese Zweifel unbegründet waren. Als Kurator dieser Videospielausstellung fand er seine Nische und sein Spezialgebiet. Zwei Jahre lang war er der erste Ansprechpartner in Sachen Computer- und Videospiele und gestaltete die Ausstellung neu. Gemeinsam mit dem Team des ZKM wurde die Ausstellungen von Grund auf neu gestaltet und aufgebaut.
Reiner Spielspaß waren Videospiele schon lange nicht mehr für ihn. Noch während seiner Stu-dienzeit entdeckte er für sich die künstlerischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen As-pekte von Computerspielen. Game-Design kann seiner Meinung nach Menschen verändern. Vi-deospiele geben für ihn einen Beitrag dazu, dass Menschen spielerisch etwas lernen können. Auch die Community-Aspekte von Online-Spielen empfindet Jerome als bereichernd.
„Spiele verkörpern Film und Ästhetik, dass da nicht nur das Audio-visuelle hinzukommt, sondern das man selbst auch Teil dieser Spielwelt sein kann und die auch mitausgestalten kann.“
Noch während seiner Zeit am ZKM wurde Jerome zum ersten Mal Vater und beendete sein zwei-jähriges Volontariat nach seiner Elternzeit mit einer Teilzeitstelle. Gerne wäre er mit einer Fest-anstellung nach Beendigung des Volontariats noch länger dort geblieben. Aufgrund eines Man-gels an Festanstellungen war das nicht möglich. Jedoch blieb Jerome dem ZKM nicht nur als Freelancer treu. Noch während seines Volontariats öffnete sich eine weitere Türe für ihn. So wurde ihm durch den engen Kontakt zwischen dem ZKM und der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe eine Dozentenstelle für ein Seminar angeboten. Mit 4 bis 10 Studieren-den bespricht Jerome jedes Semester unterschiedliche Themen aus dem Games-Bereich. Einen Abend in der Woche tauschen sich alle gemeinsam aus, diskutieren über Themen und spielen ab und an im Anschluss Videospiele. Dem kommt hinzu, dass Jerome bei der Durchführung des „Global Game James“ am Gamelab der Hochschule mitmacht.
Neben seiner Tätigkeit als Dozent suchte sich der frisch gebackene Papa eine Teilzeitstelle, die es ihm und seiner Frau ermöglichte, sich mit Arbeit und Elternzeit abzuwechseln. So brachte ihn sein Weg in das Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe (FZI) und damit in den Bereich der Wissenschafts- und Projektkommunikation. Neben den Aufgaben, die sich rund um das Thema Öffentlichkeitsarbeit drehen, übernimmt Jerome die Projektkommunikation des Projekts „Cy-berwehr Baden-Württemberg“. Dabei handelt es sich um ein staatlich-gefördertes Projekt, dass kleinen und mittelständigen Unternehmen sowie Freelancern hilft, wenn diese Opfer einer Ha-ckerattacke geworden sind. Diese können sich bei der Hotline melden und bekommen eine kostenlose Analyse sowie Beratung. Auch wenn es für Jerome ein anderer thematischer Bereich ist, macht es ihm Spaß und er ist begeistert von seinen Arbeitskollegen. Durch die mit den Jah-ren größer gewordene Vernetzung von Jerome im Gaming Bereich, eröffnete sich ihm kürzlich eine weitere Dozentenstelle an der Macromedia Fachhochschule in Stuttgart. Alles rund um den Bereich Game-History bespricht Jerome mit seinen Studierenden in einem Blockseminar.
„Ich weiß bis heute nicht was mein Traumjob ist, um ehrlich zu sein. Also ich suche da teilweise immer noch, aber ich bin offen für vieles und das kann, glaube ich, nicht schaden, wenn man das ist.“
Das Medienwissenschaftsstudium hat Jerome geholfen sich im Berufsleben weniger abhängig von anderen zu machen und zu lernen Aufgaben selbst in die Hand zu nehmen. Auch hat er sich im Studium angeeignet auf Augenhöhe zu kommunizieren und auszudrücken, was er möchte. Als mittlerweile zweifacher Papa schafft es Jerome sein Vaterdasein mit seinen verschiedenen Ar-beitsstellen gut zu balancieren. In unserem Gespräch gab er mir mit auf den Weg, dass man nicht immer zu 100% arbeiten muss und dass man keine Angst haben soll, nichts zu finden. Er ist das perfekte Beispiel dafür, dass sich immer Türen zu neuen Möglichkeiten öffnen können, die einen auch noch mit Freude erfüllen. Jerome ist er der Meinung, dass man seine Zeit nutzen sollte, um viel auszuprobieren und seinen Hobbys nachzugehen. Denn wie man an seinem Wer-degang erkennen kann, kann man seine Hobbys professionalisieren.