Journalismus im Internet und eine Krake. Namens ACTA.
„Die Öffentlichkeit ist verunsichert, die Gerüchteküche brodelt. Die wenigen geleakten Informationen zu ACTA lesen sich wie ein Horrorkatalog für einen Bürgerrechtler“, schreibt die Stop-ACTA-Site.
Es bleibt alles beim Alten „deshalb sehen wir es auch nicht so kritisch, wie es einige Initiativen sehen“ dementiert Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Aber, worum handelt es sich bei ACTA, dem Anti-Counterfeiting Trade Agreement, eigentlich und was für eventuelle Auswirkungen hat das auf den (Bürger)Journalismus?
Was ACTA ist und wieso es kritisiert wird
ACTA – ausgeschrieben Anti-Counterfeiting Trade Agreement – ist eine Art Pendant zu den amerikanischen Anti-Piraterie-Gesetzen PIPA und SOPA. Seit 2007 wird das ACTA-Abkommen unter anderem von den USA, Japan und den 27 EU Mitgliedsstaaten unter völligem Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Hauptgegenstand des ACTA-Abkommens, welches eine Ergänzung zum TRIPS-Abkommen darstellt, ist die Verschärfung des Urheberrechtsschutzes durch striktere Ahndung von Urheberechtsverletzung und Produktpiraterie – vor allem im digitalen Raum. Erst auf stärker werdenden Druck der Öffentlichkeit wurde das „geheime Abkommen“ nach und nach veröffentlicht. Diese Geheimhaltung ist bedenklich, wie viele Juristen u.A. Thomas Stadler, Betreiber des Blogs „Internet-Law“ und Professor Metzer von der Universität Hannover kritisieren. Bedenklicher ist auch, dass das Dokument unter Ausschluss der WTO und des Europa Parlaments erstellt wurde, womit deren Mitspracherecht nicht gewahrt worden ist, obwohl das Abkommen den internationalen Handel und das europäische Recht betrifft.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ACTA weit über das europäische Recht hinausgeht. Europäisches Recht ist jedoch auf keinen Fall gleichzusetzen mit deutschem Recht. Viele Neuerungen durch ACTA sind längst nationales, nicht jedoch internationales Recht. So ist Artikel 27 des ACTA Abkommens, welcher Auskunftsansprüche gegen Provider vorsieht, schon lange deutsches Recht, nicht jedoch europäisches Recht.
Jedoch findet sich in Artikel 27 des Abkommens auch eine Neuerung für deutsches Recht. Diese ist, laut Rechtsanwalt Ferner, eine ausgesprochen gefährliche Neuerung. Der Artikel besagt, dass nicht nur Besitzer, sondern auch Dritte (beispielsweise Provider) haftbar gemacht werden können. Dies kann durchaus dazu führen, dass Anbieter wie Twitter und diverse Blogdienste Inhalte schon beim Verdacht einer Urheberrechtsverletzung zurückhalten und gar nicht mehr online stellen.
Durch ACTA sollen zudem Daten beschlagnahmt werden dürfen, wenn der Rechteinhaber Zweifel am rechtmäßigen Besitz der Daten äußert (Art. 12 ACTA). Dies entspricht zwar laut Rechtsanwältin Heidrun McKenzie schon der deutschen Gesetzgebung, nicht jedoch der Europäischen.
Des Weiteren dürfen, ohne die vorherige Anhörung des Betroffenen, Rechtliche Maßnahmen verhängt werden. Dieser Artikel verstößt gegen das (deutsche) Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG).
Durch die Artikel 12 und 27 des ACTA-Abkommens wird somit sehr deutlich, dass ACTA hauptsächlich die Rechte der Urheber schützen will und wenig Spielraum für die Verteidigung der Betroffenen einräumt. Das wiederum wird dazu führen, dass es eine massive Reduzierung der Informationsmöglichkeiten für die Nutzer geben wird.
ACTA + Onlinejournalismus = ?
Aber welchen Einfluss wird der Artikel 12 auf den Onlinejournalismus haben? Denkt man beispielsweise daran, wie Informationen über das Erdbeben, den Tsunami und den Super GAU in Japan an die Öffentlichkeit gelangten, so waren es nicht Pressemitteilungen der Regierung, sondern Tweets und Blogbeiträge von Betroffenen, die internationale Journalisten mit Informationen versorgten.
Wie griffig ist außerdem das Argument, dass Beiträge in Form von Youtubevideos „zensiert“ würden weil im Hintergrund urheberechtlich geschützte Musik läuft und dadurch eine Verletzung des Urheberrechtes vorliegen würde? Man denke beispielsweise an die Ausstrahlung eines Interviews von einem Festival bei Youtube. Während die Künstler interviewt werden, hört man im Hintergrund einen anderen Act auftreten. Würde das Interview daraufhin zensiert werden, weil der Interviewer die Rechte an der „Hintergrundmusik“ nicht besitzt? Solche Prognosen klingen absurd, werden von ACTA Gegnern jedoch immer wieder angeführt.
Was geschieht also, wenn diese Befürchtung nicht hypothetisch bleibt, sondern Realität wird? Gesetz dem Fall, Journalisten und Bürgerjournalisten veröffentlichen Inhalte (wenn auch in eigenen Worten), die sie zuvor auf Seiten wie Zeit.de gelesen haben, geben jedoch nicht an, woher ihre Informationen stammen, wie das bei Tweets oder Facebookposts meist der Fall ist – würden die ACTA-Neuerungen in diesem Fall greifen?
Würde Journalismus am Ende schrecklich teuer, weil man für alle Informationen die Rechte kaufen bzw. für sie bezahlen müsste? Verstieße dies nicht gegen eine der fundamentalen Ideen des Internets, Informationen kostenlos und weltweit zugänglich zu machen?
Was würde passieren, wenn man auf einem viel frequentierten Blog karikierende, Zeitgeschehen kommentierende Fotos und Werbeanzeigen postet, welche man zuvor im Internet gefunden hat, jedoch nicht angibt, woher der Fundus stammt?
Wie weit wären Journalisten die im Internet veröffentlichen, von diesen neuen, strengeren Richtlinien betroffen?
Während derzeit noch unklar ist, ob das Europa-Parlament das ACTA-Abkommen unterzeichnen wird und Deutschland die Ratifizierung vorerst auf Eis gelegt hat, möchten Länder wie Polen, Tschechien und Lettland nach heftigen Protesten aus der Bevölkerung vorerst die Ratifizierung des Abkommens aussetzen. Viele Fragen stehen im Raum. Allerdings ist es, wie Thomas Stadler, Betreiber des Blogs „Internet-Law“ anmerkt, schwierig, fundierte, sachliche Fakten über ACTA zu finden. Fragen wie beispielsweise zu den Zusammenhängen zwischen ACTA und Online Journalismus sind dadurch nur schwerlich zu beantworten. Wem das 52-seitige Dokument Aufschluss bietet, der kann sich die Fragen selber beantworten. Wer das nicht möchte oder wem das nicht genügt, der kann sich anderweitig Informationen beschaffen, z.B.: über das Internet. Vorausgesetzt, es gibt sie dort noch.
Foto: flickr/ Johanna Bocher (CC BY-NC-ND 2.0); Sophie Kröher
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