Journalismus auf Social Media – Wie soll das aussehen?
Von Clara Cuzma
Heutzutage gibt es kaum einen so präsenten Alltagsbegleiter wie Social Media. Wir verlagern unseren Medienkonsum zu immer größeren Teilen ins Digitale. Wie können Journalist*innen der Schnelllebigkeit dieser Entwicklungen standhalten und trotzdem gut recherchierte Inhalte an das Publikum tragen?
Ich selbst verfolge inzwischen mehrere Online-Journalismus-Angebote täglich, davon die meisten auf Social Media. Es ist sehr bequem, wenn wir über die Plattformen, die wir sowieso ständig nutzen, auch gleich einen Einblick über das Wichtigste des Weltgeschehens bekommen. Wenn man sich auf die Suche nach entsprechenden Accounts macht, fällt schnell auf, dass es nicht nur faktengecheckte Inhalte gibt, sondern auch die komplette Spannbreite von unbelegten Behauptungen bis hin zu ausgewachsenen Verschwörungstheorien vertreten ist. Deswegen habe ich mir Gedanken darüber gemacht, ob es eine Möglichkeit gibt, journalistische Beiträge visuell so stark von anderen zu trennen, dass man als Konsument*in schnell vertrauliche Quellen erkennt.
Bevor sich die konkrete Frage über die Gestaltung von guten journalistischen Beiträgen auf Social Media überhaupt stellt, müssen wir erstmal klären, wieso es für Journalist*innen eigentlich so wichtig ist, ihre Arbeit teilweise auf Onlinemedien anzupassen. Denn Printmedien haben einen entscheidenden Vorteil: Alle Quellen und Artikel werden vor Veröffentlichung gründlich geprüft. Also wieso auf die digitale Arbeit umsteigen?
Die Digitalisierung unseres Alltags
Wir verbringen immer mehr Zeit auf den sozialen Medien. Sowohl der alltägliche Eindruck als auch eine Vielzahl der Forschungsergebnisse zu diesem Thema beweisen das. Gerade bei jungen Menschen steigt der Social Media-Konsum so rapide an, dass gleichzeitig weniger Zeit in die sogenannten „klassischen Medien“ wie Fernsehen, Radio etc. investiert wird. Bei Journalist*innen steigt die Nutzung sozialer Medien im Schnitt auch an – sowohl im privaten als auch im professionellen Kontext.
Aber nicht nur die Zeit, die wir auf Social Media verbringen, ist ausschlaggebend. Die Inhalte, die wir konsumieren, spielen bei der Relevanzfrage für journalistische Beiträge ebenfalls eine zentrale Rolle. Menschen, die den etablierten (Print-)Medien weniger Aufmerksamkeit schenken, sind nicht zwangsläufig uninformiert. Der Bezug aktueller Nachrichten findet bei ihnen lediglich vermehrt online statt. Und hier ist der Punkt, an dem die Journalist*innen und Redaktionen ins Spiel kommen müssen: Denn hinter jeder Social Media-Plattform verbirgt sich ein nicht zu unterschätzendes Publikum, was zum Teil auf anderem Wege kaum bis gar nicht angesprochen wird.
Social Media für Journalist*innen: Fluch oder Segen?
Außer den neuen Publika gibt es noch einen sehr naheliegenden Vorteil, den digitale (und im Speziellen soziale) Medien mit sich bringen: Jede*r kann auf eine Vielzahl von Informationen zugreifen, wenn er/sie Zugriff auf ein internetfähiges Gerät hat – unkompliziert und sekundenschnell. Darauf können auch Journalist*innen bei ihrer Themenwahl und Datenbeschaffung zurückgreifen. Das Problem ist hier nur, dass es inzwischen überwältigende Mengen an Datensätzen gibt, die vor allem von frei arbeitenden Journalist*innen kaum noch überblickt werden können. Diese Schnelligkeit birgt zudem einen riesigen Druck, Beiträge so schnell wie möglich (und am besten als Erste*r) onlinezustellen, wodurch ein eingehender Faktencheck oftmals zu kurz kommt. Das kann dann, trotz guter Absichten der Creator, zum Befeuern von Falschinformationen führen, wenn die bearbeitete Quelle Unwahrheiten beinhaltet.
Die einfachere Kommunikation zwischen Journalist*innen und Leser*innen ist erstmal auch ein Pluspunkt für Social Media. Konsument*innen können Feedback geben, die Beiträge mit kritischem Blick betrachten und Fehler finden. Allerdings können Kommentare auch so schnell wie nie ungefiltert verfasst und veröffentlicht werden, was oft Probleme wie Hatespeech oder Beleidigungen mit sich bringt.
Das Ziel aller Journalist*innen, die Social Media-Inhalte anbieten, sollte sein, die positiven Effekte dieses Medienwandels zu nutzen und dabei das Auftreten der Schattenseiten so gering wie möglich halten. Natürlich gibt es hier nicht die eine perfekte Lösung für alle, aber mit ein paar Anhaltspunkten an der Hand kann jede*r Medienschaffende selbst die Umsetzung auf sein/ihr Angebot anpassen.
Für einen besseren Social Media-Journalismus
Ein*e Journalist*in muss die eigene Redaktionsarbeit nicht begraben, um gute Onlineinhalte zu produzieren. Klassische Nachrichten können auch auf Social Media gut funktionieren. Allerdings muss abgewogen werden, ob die Beiträge vereinfacht dargestellt werden, um ein größeres Publikum zu erreichen, oder man doch auf eine ausführliche Berichterstattung setzt. Das hat aber meistens zur Gefahr, dass nur Überschriften gelesen werden und der Inhalt so unvollständig oder gar falsch verstanden wird. Außerdem ist das Layout der Formate auch wichtig, um auffälliger in der Timeline zu sein. Zum Beispiel durch wiederkehrende Bildelemente, gleichbleibende Intros oder sonstige Alleinstellungsmerkmale. Wer die eigenen Inhalte (fast) ausschließlich online anbieten möchte, sollte auch darauf achten, crossmedial unterwegs und auch auf verschiedenen Plattformen vertreten zu sein. Ein gut gefüllter Account mit regelmäßigem Input macht rein optisch schonmal einen seriösen Eindruck, worauf Journalist*innen als „Eigenmarketing“ in der heutigen Zeit kaum mehr verzichten können. Das dort entstandene Publikum kann durch Hinzuziehen weiterer Plattformen noch erweitert werden, was den Beiträgen mehr Aufmerksamkeit liefert.
Neben der äußeren Erscheinung müssen auch die Inhalte stimmen. Um der Informationsflut gerecht zu werden, ist es legitim, bei kurzen Breaking News weniger Quellen zu verwenden. Aber es sollte jede Information in mindestens zwei unabhängigen Quellen zu finden sein. Trotz des Wettkampfes um den schnellsten Upload sollte sich jede*r Journalist*in die Zeit nehmen, diese Überprüfung vor der Veröffentlichung durchzuführen. Denn nicht nur der Unterbindung von Fake News tut das gut, die Leser*innen werden zudem ein wachsendes Vertrauen aufbauen, wenn die Inhalte immer nachweisbar wahr sind.
Stichwort Nachweisbarkeit – Die Quellen sollten immer direkt im Anschluss des Beitrags zu finden sein. Das kann zwar eine gewisse visuelle Ästhetik stören, ist aber für guten Journalismus unabdingbar. Wenn man dabei kreativ wird, gibt es auch dafür brauchbare Lösungen. Man kann diese in die Bild-/Videobeschreibung packen, einen anknüpfenden Post in der Instagram Story hochladen, ein Bild zur Bilderreihe hinzufügen, etc. Je nach Format und Plattform findet sich sicherlich für jede*n eine geeignete Möglichkeit.
Längere Quellen und größere Recherchen lassen sich gut mit den Konsument*innen gemeinsam bewältigen. Man glaubt gar nicht, wie viele Fachleute sich teilweise unter den Follower*innen befinden. Bei gezielten Aufrufen zur Mithilfe kann man so Beiträge auf die Beine stellen, die sonst gar nicht möglich gewesen wären. Investigative Projekte, wie das Analysieren der „Panama Papers“, sind nur mit Unterstützung einer Vielzahl von helfenden Menschen möglich gewesen. Einzelne freie*r Journalist*innen können solche Datenmengen nicht allein sichten. Aber natürlich sollten solche Aufrufe nicht allzu oft erscheinen, damit das Risiko nicht besteht, an Hilfsbereitschaft innerhalb der eigenen Community zu verlieren.
Einfache Interaktionsmöglichkeit sollte man, sofern es zu den eigenen Inhalten passt, so vollumfänglich wie möglich nutzen. Digitale Plattformen, wie Instagram, geben den Accountinhaber*innen dafür sehr leicht zu bedienende Tools an die Hand, wie zum Beispiel Abstimmungsfunktionen oder fragenbasierte Antwortfelder. Aber auch andere Arten von Reaktionen, wie E-Mails und Kommentare, sollten nicht außer Acht gelassen werden. Die Menge des so entstehenden „User Generated Contents“ kann den Journalist*innen zeigen, welche Themen aktuell viel diskutiert werden, um diese so für neue Beiträge zu nutzen. Außerdem sehen die Creator*innen so, was noch verbesserungswürdig am eigenen Angebot ist.
Journalist*innen müssen sich immer wieder an Veränderungen in ihrem Arbeitsfeld anpassen. Was wir gerade sehen, ist erst der Beginn der Umstellung journalistischer Inhalte auf Social Media. Jede*r Journalist*in (und alle, die es werden wollen) sollten sich dieser Aufgabe stellen, um dem Wandel der Zeit gerecht zu werden und daraus Positives (wie z.B. eine höhere Engagement-Rate) zu ziehen. Die sozialen Medien werden vermutlich noch sehr lange ein immer größer werdender Teil unseres Alltags sein.
Wenn euch der Wandel des Berufes Journalist*in generell interessiert, dann schaut euch doch mal diesen Artikel auf unserem Blog an.
Quellen:
- https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/21670811.2013.776804?needAccess=true
- https://www.bpb.de/gesellschaft/medien-und-sport/medienpolitik/172143/medienwandel-und-journalismus
- https://business-academy-ruhr.de/online-redaktion/journalismus-und-social-media-kritik/
- https://www.mdr.de/medien360g/medienkultur/soziale-medien-und-journalismus-100.html
- https://de.ejo-online.eu/digitales/studie-journalisten-und-soziale-medien