Islamfeindlichkeit: Der Medien-Verkaufsschlager

von Lara Luttenschlager

Wenn es etwas gibt, was in Europa gerade wortwörtlich schlechte Presse hat, ist es wohl der Islam. Inzwischen halten laut des Religionsmonitors der Bertelsmann-Stiftung 57 Prozent der nicht-muslimischen Bevölkerung in Deutschland den Islam für bedrohlich. Und das äußert sich nicht nur in Form von alltäglicher Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit, sondern auch in Form von steigenden Angriffen auf Asylunterkünfte. Doch warum hat dieses Feindbild überhaupt Hochkonjunktur?

Zur Erfindung eines Feindes

Neu ist das Feindbild des Islam in Europa keineswegs. Schon während der Kreuzzüge und Türkenkriege brannten sich Vorteile über Muslime tief in das europäische Gedächtnis ein. Gerade die Idee eines „Islam auf dem Vormarsch“ und einer „Islamisierung des Abendlandes“ sind Motive, die seit Jahrhunderten existieren – auch wenn die Erfüllung dieser scheinbar todsicheren Prophezeiungen durchaus auf sich warten lässt. Trotzdem waren Beiträge über den islamischen Orient in den Medien lange so romantisch und exotisch gefärbt, dass Edward Said in diesem Rahmen den Begriff des Orientalismus prägte. Auch im 20. Jahrhundert interessierte der Islam lediglich als Randthema, das allenfalls eine Meldung über den alljährlichen Beginn des Ramadans wert war. Richtiges Interesse flammte erst 1978/9 durch die islamische Revolution im Iran auf – und mit ihm ein politisiertes Islambild. Zum Vorreiter unter den Feindbildern avancierte der Islam mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, und somit zum größten Feindbild des Westens. Schon 1991 sprach die NATO, ursprünglich als Bündnis gegen die UdSSR gegründet, von einer potenziellen Bedrohung aus dem Nahen Osten.

Eine Form des Kulturrassismus

13512605195_2178eca61b_o„Mekka Deutschland. Die stille Islamisierung“, „Allahs rechtlose Töchter. Muslimische Frauen in Deutschland“, „Der Koran. Das mächtigste Buch der Welt“ – das sind nicht etwa die reißerischen Titel rechtsradikaler Nischenpublikationen, sondern Titelstories von Der Spiegel, also immerhin Deutschlands meistgelesenem Nachrichtenmagazin. Rund 80%[1]  aller Beiträge in den öffentlich-rechtlichen Magazinsendungen berichten im Kontext von Terrorismus, Integrationsproblemen und Fundamentalismus über den Islam. Mit ihm gleichgesetzt werden heute schwarz verschleierte Frauen, brennende Fahnen und Terrorismus, die zugleich als nahezu einzige visuelle Motive dienen. Die visuelle Darstellung des Islam ist auch deshalb besonders problematisch, da wir in einer Zeit leben, in der Bildmedien und Bilder allgemein enorm an Bedeutung gewinnen. Mit ihren Bilderwelten und Berichten bedienen unsere Medien auf diese Weise soziale Ängste und rassistische Klischees, die laut dem früheren Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland Ignatz Bubis auf den gleichen Fehlinformationen beruhen, die zum Antisemitismus in Deutschland geführt hätten.

Besonders am Feindbild Islam ist zudem, dass nicht nur Menschen diskriminiert werden, die sich tatsächlich zum Islam bekennen und diesen praktizieren, sondern die negativen Zuschreibungen, die das Feindbild enthält, auch Menschen zugeordnet werden, die unter Umständen gar keine Muslime sind. Die Stereotype der Männer als Gewalttäter und Fanatiker und der Frauen als Opfer von Unterdrückung und Gewalt werden beispielsweise bereits Menschen ihrer Herkunft oder ihres Namens wegen angelastet, wenn diese mit dem Islam in Verbindung gebracht werden. Personen mit arabischem oder türkischem Familiennamen etwa werden pauschal einer kulturell oder biologisch definierten Gruppe zugeordnet, ungeachtet ihrer Religion und Religiosität – Islamfeindlichkeit ist also keine reine religiöse Diskriminierung, sondern auch eine Form des Kulturrassismus.

Doch wozu das Ganze?

Die Bildung der eigenen Identität funktioniert zu großen Teilen über das Zugehörigkeitsgefühl zu bestimmten sozialen Gruppen. Doch auch Gruppen müssen sich definieren, sich bestimmte normative Eigenschaften zuschreiben und festlegen, welche Ziele und Werte sie haben. Indem sie sich gleichzeitig von anderen Gruppen abgrenzen und ihnen somit den Gegenentwurf ihrer „eigenen“ Eigenschaften zuordnen, beschreiben sie sich selbst. Ob die Beschreibung der anderen Gruppe korrekt ist, ist dabei zunächst wenig von Interesse. Gerade in unserer Gesellschaft werden Muslime als sehr gewalttätig beschrieben, als Terroristen, Fundamentalisten und Anhänger von „Parallelgesellschaften“ (Stichwort Abgrenzung), die die Demokratie gefährden, indem sie das Gesetz nicht akzeptieren. Weit verbreitete Vorurteile gegenüber Migranten führen beispielsweise dazu, dass Probleme der Geschlechtergleichstellung oder häuslicher Gewalt als rein gruppenspezifische Thematiken dargestellt werden, die verdecken, dass Geschlechterdiskriminierung  sowie körperliche und psychische Gewalt in Paarbeziehungen in der gesamtdeutschen Gesellschaft weit verbreitete Phänomene sind. Auch dass Ehrenmorde in patriarchalen, christlichen Kulturen des Mittelmeerraums ebenfalls verbreitet sind, wird dadurch zum Beispiel gerne vergessen. Insgesamt wirkt die eigene, „deutsche“ oder „europäische“ Gruppe infolgedessen moderner, freier, besser. Diese Funktion der Abgrenzung bietet der Islam als Feindbild innerhalb unserer Einwanderungsgesellschaft durch den Migrationsdiskurs und nach außen als rückständiges, fundamentalistisches und gewalttätiges Gegenbild für den gesamten Westen.

Eine Frage der Darstellung

6391084357_b1821442eb_oDie Inhalte und Darstellungen, die das Publikum über die Medien rezipiert, sind nicht zuletzt deshalb so wirkungsvoll, weil ein Großteil der Bevölkerung keine direkten Kontakte zu Muslimen pflegt und die medial verbreiteten Vorurteile so nur schwer an der Realität überprüfen kann. Hinzu kommt, dass die selektive Berichterstattung der Medien, die sich an Negativ- und Konfliktereignissen als Nachrichtenfaktor orientiert, keinen Informationskontext bietet, der den Rezipienten ermöglicht, beispielsweise islamistische Angriffe zu relativieren und richtig einzuordnen, da etwa über gewaltfreie Formen des Widerstandes im Islam, die durchaus weit verbreitet sind, nicht berichtet wird. So symbolisiert der weltberühmte Gandhi den friedlichen Hinduismus, aber Badshah Khan, der als pakistanischer Muslim tausende friedliche Demonstranten anführte und 1985 für den Friedensnobelpreis nominiert wurde, genießt heute hingegen keine besondere Bekanntheit.

Feindbilder sind keine in den Stein gemeißelten Tatsachen. Das lässt sich zum Beispiel daran erkennen, dass durch eine verantwortungsvollere, reflektierte Berichterstattung und genügend politischen Willen selbst aus dem jahrhundertelangen Erbfeind Frankreich irgendwann ein Partner wurde. Doch solange Zeitungen und TV-Sender statt Aufklärung über die Vielfalt muslimischer Bräuche, Konfessionen und Lebenswirklichkeiten nur Ehrenmorde und Burkas zu bieten haben, ist eine Abkehr von unserer „Islamophobie“ noch weit entfernt.

Fotos: flickr.com/Aslan Media (CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/jonathanorjack (CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/Kevin Schoenmakers (CC BY-NC-ND 2.0)

[1] Hafez, Kai/Carola Richter (2007): „Das Islambild von ARD und ZDF“, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 26-27(2007), S. 40-46.

 


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