I need a Dollar – Der virtuelle Klingelbeutel
von Sebastian Seefeldt
Crowdfunding gehört zu den Netztrends der letzten Jahre. Projekte werden mit Millionenbeträgen finanziert – freiwillig und aus privaten Haushalten. Was steckt hinter der digitalen Schwarmfinanzierung und welche Perspektiven hat sie?
Crowd-was?
Auf Kickstarter, dem führenden Crowdfundingportal im Netz, sammelte die bisher erfolgreichste Aktion 10.266.846 $. Dabei handelt es sich um eine digitale Uhr mit E-Inkdisplay. Sie gehört somit zu den glücklichen 40 bis 45 Prozent der Projekte, die ihr Finanzierungsziel erreichen. Aber warum sollte man das eigene Geld in fremde Projekte stecken?
Das besondere an Kickstarter (und den meisten anderen Crowdfundingplattformen) ist, dass jede Spende an eine Gegenleistung gebunden ist. Wer 10 $ für die Konsole OUYA abzweigt, kann sich seinen Usernamen im Vorfeld auf ihr sichern. Wer 10 000$ spendet, darf sich über eine Gravur des eigenen Namens auf allen Geräten der ersten Produktionsserie freuen. Des Weiteren werden sie zu einem privaten Dinner mit der Produktionsverantwortlichen eingeladen und erhalten (selbstverständlich) eine Konsole.
Wer bereit ist in ein Projekt zu investieren – wenn auch keine 10 000$ – kann das enorm einfach tun: Einloggen via Facebook Account, Bezahlung via Amazon Konto. Neben dem hohen Komfort ist die Seite auch sicher: Jedes Projekt wird vor der Veröffentlichung auf der Seite eingesehen. Sollte das Zielbudget nicht erreicht werden, findet auch keine Abbuchung statt. Eine Studie der University of Pennsylvania untersuchte, was aus erfolgreichen Kickstarter-Projekten geworden ist. Drei Viertel aller Projekte werden zwar später fertig, aber nur sehr wenige enttäuschten ihre Geldgeber. Kickstarter scheint wie ein Shoppingcenter für Dinge, die es noch gar nicht gibt. Mit der ursprünglichen Idee der 2009 gegründeten Seite hat dies nicht mehr viel zu tun: Zunächst war die Seite als Zufluchtsort für brotlose Künstler gedacht. Im Laufe der Zeit wurde aber aus dem Auffangbecken für Musiker ein Sammelsurium an Unterhaltungselektronik und Co.. Wie eine Statistik der New York Times zeigt, liegen die durschnittlichen Finanzierungen in diesen Kategorien mittlerweile bei ca. 12 700 $ pro bewilligtem Projekt, wohingegen die Musikkategorie nur mit 3 500$ rechnen darf.
Bei Kickstarter geht es aber nicht nur um die Sicherung einer Finanzierung, sondern immer auch darum, ein Publikum aufzubauen. Produkte können so schon vor ihrer offiziellen Markteinführung bekannt gemacht werden und alte oder neue Fancommunitys aktiviert werden. Und das alles im Rahmen eines bequemen Subskriptions-Geschäfts, das für den Kunden – anders als für einen klassischen Investor – kaum ein Risiko birgt.
Crowdfunding in Deutschland
Neben dem internationalen Riesen gibt es auch deutsche Alternativen. Auf Startnext sucht beispielsweise Comedian René Marik nach Unterstützern für seinen neuen Film und bietet im Gegenzug Statistenrollen und mehr. Laut dem deutschen Crowdfunding-Monitor wird auf allen nationalen Plattformen „bis zur Jahresmitte bereits ein Betrag von knapp 640.000 € eingesammelt werden. Dieser Wert übertrifft damit schon jetzt das Jahresergebnis 2011 um rund 40 %. Insofern kann für 2012 von einem Volumen von 2 Mio. € ausgegangen werden“. Doch ganz so rosig sieht es auf dem deutschen Markt doch nicht aus, wie die Zeit berichtet.
Ein kurze Rechnung zeigt: Crowdfunding in Deutschland ist nicht rentabel (wobei die Frage ist, wie profitorientiert eine solche Seite überhaupt sein darf). Auf jedes vermittelte Projekt veranschlagen die meisten Plattformen 8-9% Vermittlungsgebühren. Wenn man von den erwarteten 2 Mio. Euro pro Jahr ausgeht, ergeben sich 180 000 Euro die einbehalten werden. 180 000 Euro die sich fünf Plattformen teilen müssen. Somit bleiben im Durchschnitt 36 000 Euro im Jahr, die auch für laufende Kosten wie Büros, Angestellte usw. herhalten müssen. Die Branche macht sich daher wenig Hoffnung, dass sich das Geschäft mit dem Geldeinsammeln kurzfristig doch noch lohnen könnte. „Alle deutschen Plattformen werden quer finanziert, meist stecken kleinere oder mittlere Kommunikationsagenturen dahinter„. Die Zahlen der Studie mögen zwar richtig sein, setzt man sie in Relation, ist sie aber mehr als ernüchternd. Gründe für das Ausbleiben des Crowdfunding-Hypes könnten unter anderen die unterschiedliche Mentalität in den USA und in anderen Ländern sein.
Die Gründe für diese ernüchternde Bilanz sind vielfältig: Zum einen graben sich die Plattformen auf dem ohnehin kleinen deutschen Markt gegenseitig das Wasser ab, zum anderen übt der amerikanische Marktführer Kickstarter mit seiner riesigen weltweiten Community eine deutlich größere Anziehungskraft auf Künstler aus. Wer kann, inseriert dort. Erschwerend kommen außerdem die deutschen Konsumgewohnheiten und die Förderstrukturen des hiesigen Kulturbetriebs hinzu. Kurz: Noch ist Crowdfunding – trotz anhaltend überschwänglicher Medienberichte – nicht im Mainstream angekommen
beschreibt zeit.de das bundesdeutsche Problem mit dem Geldsammeln.
Aber auch der internationale Riese kommt nicht ungeschoren davon: Kickstarter verbirgt erfolglose Projekte vor Suchmaschinen. So entdeckte der Technikjournalist Dan Misener, dass dem HTML-Code (der Code, aus dem eine Seite aufgebaut ist) der fehlgeschlagenen Projekte ein Metaelement hinzugefügt wurde, welches Suchmaschinen wie Google untersagt sie als Suchergebnis aufzuführen. Kurz: Erfolglose Kickstarter Projekte gibt es augenscheinlich nicht.
Und doch begeistern die Crowdfunding-Plattformen. Dank ihnen konnten viele Menschen Ideen realisieren, für die sie nie einen Bankkredit bekommen hätten. Sei es nun eine E-Ink Uhr, eine Spielekonsole oder Uli Marschners Germknödelrestaurant.
Bilder: flickr.com/401(K) 2012 (CC BY-SA 2.0) und flickr.com/Scott Beale (CC BY-NC-ND 2.0)
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