True Story – Spiel um Macht
von Jasmin M. Gerst
Sicherlich, jeder Journalist war schon mal in einer Situation wie Michael Finkel: Die Story, an der er gerade arbeitet, ist doch nicht so dramatisch wie gedacht, die Deadline rückt näher und er spielt mit dem Gedanken sie ein wenig zu frisieren. All das, um eine Titelstory zu bekommen. Eine wahre Geschichte, denn das Drehbuch zu dem Drama „True Story – Spiel um Macht“ basiert auf Finkels Memoiren „True Story: Murder, Memoir, Mea Culpa“, die von dem Tiefpunkt seiner Karriere im Jahr 2001 erzählen.
Ein gescheiterter Journalist auf Storysuche
Der Journalist Michael Finkel (Jonah Hill, „22 Jump Street“) ist sehr erfolgreich. Seine Storys haben nicht nur die eigene Bürowand, sondern auch schon viele Magazincover geschmückt. Doch dann begeht Finkel einen fatalen journalistischen Fehler: für seinen neusten Artikel erfindet er Teile einer Reportage. Daraufhin wird er entlassen. Michael Finkel ist nun an seinem Karrieretiefpunkt angekommen und zieht zu seiner Freundin Jill (Felicity Jones „Die Entdeckung der Unendlichkeit“). Er versucht tagelang verzweifelt wieder in der Journalisten-Welt Fuß zu fassen – zu Anfang jedoch vergeblich.
Ortswechsel: Gleichzeitig wird Christian Longo (James Franco, „The Interview“) für die Ermordung seiner Familie von der Polizei gesucht. Auf seiner Flucht hatte dieser Finkels Identität angekommen, weil er ein begeisterter Leser ist und ihn beneidet. Schließlich wird Christian Longo in Mexiko gestellt und den amerikanischen Behörden übergeben.
Währenddessen beginnt Michael Finkel die Hoffnung aufzugeben je wieder im journalistischen Milieu Fuß fassen zu können. Bis das Telefon klingelt und die Geschichten von Finkel und Longo beginnen, sich miteinander zu verweben. Michael Finkel wird über die Geschichte Longos von einem Lokalreporter informiert und prüft diese Sensation nach. Christian Longo soll sich auf seiner Flucht für ihn, den Journalisten, ausgegeben haben. Dieser wird angeklagt seine Familie in Oregon umgebracht zu haben. Getrieben von Neugier und der Frage nach dem Warum, entschließt sich Finkel Longo zu schreiben und ein Treffen zu vereinbaren. Longo antwortet unverhofft und Finkel bekommt ein ungewöhnliches Angebot: Er soll als einziger die Exklusivrechte für die Geschichte von Christian Longo erhalten. Doch Christian Longo stellt zwei Bedingungen: Erstens soll Finkel bis zum Prozess mit Niemandem über die Geschichte sprechen und zweitens soll er Longo das Schreiben beibringen. Finkel wittert eine Story, stimmt zu und besucht daraufhin Longo regelmäßig im Gefängnis. Dieser kennt Finkels Lage und versucht ihn mit Insiderinformationen über den Tod seiner Familie zu locken. Zwischen den beiden entsteht eine Vertrauensbeziehung, welche für Finkel später zum Verhängnis wird. Finkel sieht nämlich die Story seine Lebens schon vor sich, die ihm seine Karriere zurückbringen könnte. Jedoch wird das für Finkel gefährlicher, als er geglaubt hatte.
Minimalismus statt Special-Effects
Regisseur Rupert Goold setzt bei diesem Film auf Minimalismus – hier ist weniger wirklich mehr. Es gibt keine Special-Effects und keine Action-Szenen – dafür wird der Zuschauer von Longo bis zur letzten Sekunde verwirrt – hat er es jetzt getan oder nicht? Deshalb sind auch die minimalistischen Kameraperspektiven perfekt, nichts lenkt hier vom eigentlichen Thema des Films ab. Der Zuschauer wird so in den Bann gerissen und fühlt jede Sekunde mit.
Die faszinierenden Konflikte zwischen Finkel und Longo fördern die Spannung des Dramas. Auch diese Art Freundschaft, die zwischen den beiden entsteht. Natürlich trägt die Tatsache, dass es sich um eine wahre Begebenheit handelt, auch dazu bei, dass der Film umso authentischer wirkt.
Verwirrung bis zur letzten Sekunde
Für mich ist „True Story“ einer der besten Filme des Jahres. Er ist spannend und raubt einem den Schlaf. Schön ist auch, dass er zum Nachdenken anregt und den Wahrheitsgehalt in den Medien anzweifeln lässt – so etwas kann schließlich jedem Journalisten passieren. Wenn die Story doch nicht so viel hergibt wie gedacht und der Abgabetermin naht, können aus zwei misshandelten Jungen ein brutal misshandelter Junge werden. Vielleicht ist es auch die Wahrheit, die nicht immer so spektakulär ist, wie man sie sich vorgestellt hat. Aber während des gesamten Films fühlt man mit der Rolle Finkels mit und versucht Stück für Stück die Wahrheit herauszufinden, auch wenn man schon ahnt, dass einem diese Wahrheit nicht gefallen wird.
Jonah Hill spielt hier die Rolle seines Lebens – er macht seinen Oscar-Nominierungen alle Ehre. Für mich seine bisher beste Performance. Aber auch James Franco spielt die angebliche Unschuld des Familienmördes Christian Longo so überzeugend, dass man ihm beinahe Glauben schenkt, ihn sogar in manchen Teilen des Films sehr sympathisch findet. Man kann dadurch auch verstehen, dass Longo Finkel private Details erzählt und sie eine Art Freundschaft aufbauen. Longo überzeugt Finkel, dass er die Tat nicht begangen hat – wieso sollte er auch? Er war schließlich ein glücklicher Ehemann und Vater. Nach und nach wird Finkel aber klar, was Longo für ein mieses Spiel mit ihm spielt. Schade ist allerdings, dass am Ende nicht direkt aufgelöst wird, und man sich fragt, was ist nun die „True Story“?
Fotos: 20th Century Fox