Triple 9 – schieß oder stirb!
von Maya Morl295ock
Im packenden Crimethriller von John Hillcoat, der am 5. Mai in die Kinos kommt, steht eine Gruppe korrupter Polizisten gewaltig unter Druck: Die blutrünstige russische Mafia verlangt nach einem Banküberfall einen nahezu unmöglichen Coup – ein grausames Ablenkungsmanöver muss her!
Auge um Auge
Frischling Cris Allen (Casey Affleck) rappelt sich langsam auf. Gerade eben war er von einem bulligen Gangmitglied niedergeschossen worden – die schusssichere Weste verhinderte das Schlimmste. Allen ist erst kürzlich in das gefährlichste Viertel in Atlanta versetzt worden, hier herrscht die übermächtige Russenmafia. Folter, Straßenschlachten, öffentliche Hinrichtungen und rivalisierende Gangs stehen hier an der Tagesordnung. Sein neuer Partner Marcus Belmont (Anthony Mackie) ist dem Angreifer gefolgt. Zurück auf den Beinen jagt er seinem Partner zur Unterstützung hinterher. Sein Idealismus treibt ihn an; er ist größer als die Angst von einem Gangmitglied niedergeschossen zu werden und Frau samt Kind zurückzulassen. Er stürmt um die Ecke und sieht Belmont mit dem hünenhaften Riesen ringen. Beide haben den Griff eng um eine Pistole gelegt und versuchen sie auf den Gegner zu richten. Der Stärkere wird gewinnen, der Verlierer ist derjenige, dem zuerst die Kraft ausgeht. Schnell wetzt Allen los und erledigt den Feind mit einem gezielten Kopfschuss; das Blut spritzt. Belmont sieht seinem Lebensretter in die Augen; das schlechte Gewissen beginnt an ihm zu nagen: Weiß er doch, dass er für den Tod des engagierten Kollegen verantwortlich sein wird!
Das Dilemma
Eine Truppe aus vier erfahrenen Polizisten oder Militärkumpanen bildet das Team der korrupten Cops. Michael Atwood (Chiwetel Ejiofor), der Anführer, war einst ein guter und gewissenhafter Polizist, bevor er sich mit der Schwester von Irina Vlaslov (Kate Winslet) einließ. Sie ist der Kopf der Russenmafia in Atlanta und an Grausamkeit nicht zu übertreffen. Atwoods Sohn Felix ist ihr Druckmittel. Marcus Belmont, Russel Welch (Norman Reedus), sein Bruder Gabe Welch (Aaron Paul aus „Breaking Bad“) und Jorge Rodriguez (Clifton Collins Jr.) runden das Team ab; sie sind aus Geldgier oder aus verloren gegangenem Idealismus dabei. Der erste Coup, ein waghalsiger Bankraub am hellen Tag, läuft um ein Haar schief. Doch Vlaslov verlangt einen zweiten, nahezu unmöglichen Raub, um dem Deal nachzukommen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind immens. Eher beiläufig schlägt Gabe den „Triple 9“ vor, die schlimmste Grenzüberschreitung für jeden Polizisten: 999 ist der Polizeicode für angeschossenen oder getöteten Polizisten. Dann lässt die gesamte Zentrale alles stehen und liegen, um sich um diese wichtige Angelegenheit zu kümmern. Währenddessen werden andere Straftaten ignoriert. Die korrupten Kollegen nehmen den Vorschlag jedoch ernst und schnell ist auch das Opfer gefunden. Es ist kein geringerer als der neue Partner von Belmont: Cris Allen!
Der Hautnah-Effekt
John Hillcoat ist bekannt für seine „hautnah“-Filme (Lawless-die Gesetzlosen oder The Road). Er möchte die Szenen realitätsnah zeigen und wenig mit Computertechniken arbeiten, um die Authentizität zu wahren. Bei Einbrüchen und Verfolgungsjagden auf offener Straße wurden deswegen genau mit der Kameraführung gearbeitet und zum Großteil auf Computereffekte verzichtet. Vor allem zwei Actionszenen, eine zu Beginn und eine relativ weit am Ende, stellten den Stuntkoordinator Mickey Giacomazzi vor eine Herausforderung, weil sie echt und kaum nachbearbeitet sein sollten. Auch die Schauspieler bereiteten sich intensiv auf ihre Rollen vor: Ejiofor trainierte mit Navi Seal Mark Stefanich in einem kleinen Ausbildungslager und studierte unterschiedlichste Körperhaltungen und Waffen. Affleck begleitete echte Polizisten, die tagtäglich im Einsatz gegen Bandenkriminalität ihr Leben aufs Spiel setzen, um den nötigen Respekt und den Mut zu verkörpern. Und Kate Winslet trainierte sich akribisch einen russischen Akzent an. „Ihr Akzent musste immer absolut perfekt sein, sonst war sie nicht zufrieden“, schwärmt Regisseur John Hillcoat.
Fazit
Im Großen und Ganzen ist Hillcoat ein guter und mitreißender Film gelungen. Sein Bestreben nach Authentizität und dem Hautnah-Effekt ist gelungen. Die Inszenierung und die Actionszenen sind sehr gut. Die Suche nach Moral, dem Gewissen und den menschlichen Abgründen, wie die Gier nach Macht und Geld sind gut inszeniert. Die Starbesetzung trägt ihren Teil dazu bei und ist dem Film nur förderlich. Vor allem Kate Winslet glänzt in ihrer Rolle: Ohne zu übertreiben, mimt sie eine durch und durch kaltblütige Frau. Sie hat die Rolle verinnerlicht, weshalb man ihr jedes Wort und jede Grausamkeit abnimmt. Etwas schade ist, dass der eigentliche, große und schwierige Coup etwas aus den Augen verloren geht und dann ganz plötzlich durchgeführt wird, ohne dass der Zuschauer Teil an der perfiden Planung hatte. Außerdem bleibt wenig Platz, um dem Publikum auch emotional etwas zu bieten: Das schlechte Gewissen, das Gabe Welch am Ende fast zerreißt, wirkt aus der Luft gegriffen und an der Sympathie des todgeweihten Cris Allen wurde ebenfalls nicht genug gearbeitet. Es wäre schön gewesen, wenn auch der Zuschauer gebannt in seinem Sitz hockt und kopfschüttelnd wimmert: „Oh nein, Allen ist doch so ein guter Mensch – er darf nicht sterben“, anstatt nur darauf zu warten, dass endlich 999 gewählt wird.
Triple 9 ist demnach ein guter und spannender Film, dem jedoch die Brise Emotionalität fehlt, um herausragend zu sein.
Fotos: Wild Bunch Germany