The Garden of Words

von Andrea Kroner

Im realen Leben und auch in den meisten Filmen ist Regen negativ besetzt. Er dient oft als Zeichen von Trauer, Schmerz oder als Vorbote von Unheil. Anders in „The Garden of Words“. Hier zeigen fantastische Bilder und minimale Geräusche, wie außergewöhnlich Regen sein kann.

Die Schönheit des Regens

Der Schüler Takao liebt den Regen. Denn dann fühlt er sich dem Himmel ein Stück näher. Deshalb verbringt er regnerische Tage auch nicht in der langweiligen Schule. Er sitzt im Pavillon eines Parks von Tokyo, träumt vor sich hin und zeichnet Schuhe. Dadurch möchte er seinem großen Wunsch näher kommen, später einmal Schuhmacher zu werden, obwohl die Aussichten nicht gut sind.

In diesem Park begegnet er eines Tages einer Frau namens Yukari, die ihre Vormittage im Pavillon mit Alkohol und Schokolade verbringt. Zunächst haben sie nicht viel miteinander zu tun, doch mit der Zeit kommen sich die beiden langsam näher: Takao beginnt sich zu öffnen und von seinen großen Träumen zu erzählen. Das hatte er bisher noch nie gemacht.

Yukari ist so begeistert von seinen Entwürfen und Plänen, dass sie ihn bittet, ein Paar Schuhe für sie anzufertigen, damit sie symbolisch wieder auf eigenen Beinen stehen könne. Denn sie versucht, ihrer ungeliebten Vergangenheit zu entfliehen, statt sich ihr zu stellen.

Mit dem Ende der Regenzeit enden auch die Treffen der beiden. Jeder muss sich jetzt seinen eigenen Aufgaben und Problemen stellen und sein Leben in die Hand nehmen. Yukari krempelt ihr bisheriges Leben um und versucht, von vorn zu beginnen. Auch Takao muss zurück in den Alltag und seinen Abschluss schaffen, um seinen Traum verwirklichen zu können. Doch beide wünschen sich insgeheim den Regen und die gemeinsamen, unbeschwerten Treffen zurück.

Animationskunst auf höchstem Niveau

Alle Hintergründe sind so detailgetreu und liebevoll gestaltet, dass die Grenze zwischen Animation und Realität zu verschwimmen beginnt. Gerade bei den Naturaufnahmen im Park zeigt sich das sehr deutlich: Jedes einzelne Blatt und jeder Regentropfen ist klar konturiert, präzise gezeichnet und voll schöner, leuchtender Farben. Im Internet gibt es sogar zahlreiche Vergleiche zwischen den Zeichnungen und den dazu gehörenden, realen Orten – teilweise sind diese kaum zu unterscheiden.

Doch in der Gestaltung der verschiedenen Handlungsorte gibt es deutliche Unterschiede. Das hektische, laute Stadtleben von Tokio wird anders dargestellt, als die Stille des Parks. Obwohl beide Bereiche realistisch und plastisch gezeichnet sind, wirkt das städtische Leben durch unnatürliche Perspektiven und Blickwinkel surreal und überzeichnet.

Einen starken Gegensatz zu den filigranen Hintergründen bildet auch die Darstellungsweise der Figuren. Sie sind mit großen Augen, einer spitzen Nase und den strähnigen Haaren, wie in Animés üblich, gezeichnet. Dadurch entfernt sich der Film wieder mehr von einer realistischen Darstellung.

Es wird alles gesagt

„The Garden of Words“ dauert nicht einmal 45 Minuten. Das erscheint zunächst äußerst kurz, doch bei Shinkai ist das keine Seltenheit, denn kaum einer seiner Filme dauert länger.

Dennoch könnte man argumentieren, dass er durch die Kürze das Potential seiner Geschichte nicht voll ausgeschöpft hat. Doch er möchte auch gar keine ausschweifende, komplexe Geschichte erzählen, sondern beschränkt sich auf das Wesentliche – deshalb muss man als Zuschauer auch auf die Kleinigkeiten achten, die so wichtig für die tiefgründige und feinfühlige Geschichte einer ganz besonderen Beziehung sind.

Dabei bleibt den ganzen Film über die Spannung bis zum Ende erhalten. Dieses selbst ist jedoch etwas enttäuschend ausgefallen, was aber auch im Auge des Betrachters liegen kann. Aber das muss jeder für sich selbst herausfinden.

Foto: flickr.com/Antonio Tajuelo (CC BY 2.0)

Weitere Artikel aus dieser Reihe:

Teil Eins: Vergessene Filme – verborgene Schätze

Teil Zwei: Der Meister der Stille

Teil Drei: „Faust“ – die Geschichte lebt wieder auf

Teil Vier: „Erleuchtung garantiert“ – wirklich?

Teil Fünf: „5×2“ – Wieso ging es schief?

Teil Sechs: „Moolaadé“ – Bann der Hoffnung

Teil Sieben: The Garden of Words

Teil Acht: Wakolda – ein Arzt auf der Flucht