Telekom vs. Netzneutralität

von Philipp Hofmann

Nur das Zahlen, was man nutzt? Hört sich fair an! Dieses Ziel scheint die Telekom mit einem neuen Geschäftsmodell für ihre Internet-Flatrates zu verfolgen. Wer mehr zahlt, dem wird ein schnellerer und größerer Datenverkehr ermöglicht. Moment mal! Entsteht hier etwa ein Zwei-Klassen-Internet?! Heftige Kritik ist im Anmarsch!

Netzneutralität und die damit verbundene Gleichheit jedes Nutzers war bisher im World Wide Web eine Art ungeschriebenes Gesetz. Durch neue Pläne der Telekom ihre Internet-Flatrate Tarife auf einen Datenvolumen-Tarif umzustellen, wie es bei vielen Mobilfunkverträgen schon oft üblich ist, scheint diese jedoch gefährdet. Was aber sind die Beweggründe der Telekom für das neue Geschäftsmodell und was spricht gegen eine Abschaffung der Netzneutralität?

Neutrales Netz und Drosselung, wozu?

Was bedeutet der Begriff Netzneutralität für Internetnutzer? Die Neutralität soll sicherstellen, dass jegliche Daten, die über das Internet übermittelt werden gleichberechtigt und keiner Priorisierung ausgesetzt sind. Abgesehen von einzelnen Anbietern, die die Infrastruktur für ihre Dienste verwalten (beispielsweise die Internet-Kommunikationsdienste Skype und facebook), erhält niemand genauere Informationen darüber, welchen Inhalt die Daten besitzen, die zwischen dem Empfänger und Sender im Netz ausgetauscht werden.  Unter dem aktuellen Verständnis der Netzneutralität bestehen für alle Unternehmen, die das Internet für ihre wirtschaftlichen Ziele nutzen, gleiche Wettbewerbsbedingungen und Rechte. Zudem ermöglicht die Netzneutralität im Netz die Meinungsfreiheit und stellt vor allem für die globalisierte Wirtschaft sowie die Entwicklung von Innovationen einen wichtigen Faktor dar. Alle Dateien werden gleich behandelt. Es gibt keine wichtigen und unwichtigen Dateien.

Das neue Geschäftsmodell der Telekom sieht vor, die bestehenden Flatrate-Modelle mit einer Geschwindigkeitsminderung zu versehen, sobald ein bestimmtes monatliches Datenvolumen überschritten wird. Derzeit liegt die Grenze bei 75 GB. Ist diese Grenze erreicht, so hat der Kunde die Möglichkeit durch eine Zuzahlung sein Datenvolumen zu erhöhen, um weiter mit hoher Geschwindigkeit surfen zu können.  Die Telekom sieht die geplante Drosselung nicht als Eingriff in die Netzneutralität. Eines ihrer Hauptargumente zur Durchsetzung, aus einem Antwortbrief an Philipp Rösler, dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, bezieht sich auf die scheinbare Minderheit der Vielnutzer, die im Durchschnitt 10-20 mal größere Datenmengen als der Durchschnittsnutzer (15-20 GB/Monat) benötigen würden. Demnach soll die Drosselung nur einen Bruchteil von Nutzern betreffen. Es steht jedoch fest: Durch eine vielfältige Nutzung des Internets als Multimedia Plattform ist die Grenze von 20 GB schnell erreicht. Gerade Online-Media- und Videotheken benötigen große Datenmengen. Für Menschen, die nur surfen, ab und an eine Mail schreiben und vielleicht noch Musik herunterladen (max. 150 MB pro Album) scheint die Grenze von 20 GB durchaus akzeptabel. Beim Streaming von zwei, jeweils zweistündigen, Filmen in Full-HD-Qualität im Monat stände jedoch schon eine Drosselung an, da je Film mindestens 10 GB Daten heruntergeladen werden müssen.

Telekoms Kundenangebote gegen die Netzneutralität

Technische Entwicklungen führen seit Jahren in eine ganz andere Richtung der Internet-Nutzung, was aufkommende Streaming-Dienste wie Lovefilm und Watchever sowie der zunehmende Vertrieb von sonstigen digitalen  Gütern wie Musik (iTunes) und Computerspielen (Steam) bestätigen. Das monatliche Datenvolumen wird sich, in Zukunft unter Beibehalt der Entwicklungsgeschwindigkeit solcher Dienste, vom Nutzer noch schneller verbrauchen lassen können. Viele Meinungen im Netz sehen zu hohe bevorstehende Investitionen in den Netzausbau als bisher unbestätigten weiteren Grund für das neue Geschäftsmodell. Da EU-Subventionen für den Ausbau aufgrund der Finanzkrise gestrichen wurden und die Netzbetreiber diese Kosten nun selber tragen müssen sind diese auf der Suche nach neuen Finanzierungsquellen.

Wie bereits auch seit einiger Zeit mit dem Musikstreaming-Dienst Spotify vereinbart, bietet die Telekom Internetdienstleistern an, mit Kooperationsmodellen, auch managed services genannt, sich aus der Drosselung freizukaufen. Dies hat jedoch auch zur Folge, dass ein System zur Datenpaketkontrolle (Deep-Packet-Inspection) genutzt werden muss, um herauszufinden, welches Paket von welchem Empfänger (Kunde) und Sender (Anbieter) stammt. Dies führt zu einer Gefährdung der Netzneutralität: Das bedeutet Ungleichheit im Wettbewerb der Anbieter untereinander sowie die Benachteiligung von kleinen Anbietern durch die Priorisierung aller Daten. Die Telekom behält es sich somit vor: Daten durchzulassen oder zu verlangsamen. Theoretisch ist auch die Zensur unerwünschter Inhalte nach der Durchsetzung der Drosselung umsetzbar. Stets in Abhängigkeit des gewählten Zahlungsmodells des Kunden. Der eigene kostenpflichtige TV-Dienst der Telekom Entertain, der über die Internetleitung bezogen werden kann, nimmt keinen Einfluss auf das monatlich festgesetzte Datenvolumen wie alle Kooperationsmodelle.

Bundesregierung, Verbraucherschutz und Online-Petition äußern Kritik

Philipp Rösler (FDP) zeigte sich in einem Brief an den Telekom-Chef René Obermann besorgt über die angekündigten Änderungen in den Tarifstrukturen für die Internetnutzung und wies darauf hin, dass die Bundesregierung und die Wettbewerbsbehörden diese Entwicklung unter dem Aspekt der Netzneutralität „sehr sorgfältig verfolgen“ werden. Auch der Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen mahnte die Telekom: Er ist der Meinung, dass eine „satte Reduzierung der Surfgeschwindigkeit um bis zu 99,2 Prozent“ eine zeitgemäße Internetnutzung nicht möglich macht. Malte Götz, ein Abiturient, eröffnete vor kurzem eine Online-Petition gegen die Drosselungspläne der Telekom. Mittlerweile haben 175.000 Menschen diese unterzeichnet, Tendenz steigend. Um mehr mediale Aufmerksamkeit zu erreichen, rief die Seite netzpolitik.org die Website hilf-telekom.de ins Leben, deren Zweck es ist, ironische Werbeplakate für das geplante Geschäftsmodell der Telekom zu erstellen und daraufhin per Social Media oder auf anderem Wege zu verbreiten. Am 11. Juni reagierte Telekom auf die Kritik des neuen Geschäftsmodell: Die Geschwindigkeitsbremse wurde von 384 kBit/s  auf 2 MBit/s  und die Grenze des monatlichen Datenvolumen von 20 auf 75 GB in den Standardverträgen erhöht. Die Regelung soll ab 2016 in jedem neu abgeschlossenen Internet-Vertrag wirksam werden. Es bleibt abzuwarten wie die Telekom diese Änderung in Zukunft weiter begründet und ob sie gegebenenfalls den ein oder anderen Punkt des Geschäftsmodells vielleicht noch einmal überdenkt.

 

Fotos: flickr/nerdcoreblog (CC BY-NC-SA 2.0), flickr/hikingartist (CC BY-ND 2.0)

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