Talk talk talk – ein Format feiert Geburtstag
von Pascal Thiel
„Wir machen heute eine so genannte Talkshow. Was sie ist, das wissen Sie nicht – und wir auch nicht so genau. Denken Sie nicht, dass eine Talkshow das Gegenteil einer Nachtshow ist; Talk kommt von ‚to talk’, reden, das Ganze ist also eine Rederei.“ Dietmar Schönherr in der Anmoderation zur ersten deutschen Talkshow am 18. März 1973
Die Talkshow – ein Fernseh-Dino
Als vor 39 Jahren im Westdeutschen Rundfunk die erste Talkshow im deutschen Fernsehen mit dem Namen „Je später der Abend“ über die Bildschirme flimmerte, hätte der wahrscheinlich erste deutsche „Showmaster“ Dietmar Schönherr wohl kaum gedacht, dass sich dieses Format zu einem elementaren Bestandteil des deutschen (zunächst öffentlich-rechtlichen) Fernsehens entwickeln würde. Und tatsächlich erlebte die Talkshow – ein US-Import – in den Folgejahren einen regelrechten Boom, der bis heute anhält. Die Palette, die sich im Laufe der letzten fast 40 Jahre entwickelt hat, ist – mancher mag bemerken, im Gegensatz zur heutigen Talkshowlandschaft in Deutschland – durchaus vielfältig. Da gab es Talkshows, die aufgrund Quotenschwäche innerhalb kürzester Zeit wieder eingestellt wurden, Talkshow-Dinos, die uns noch heute unterhalten, welche, die Skandale produzierten und solche, die Geschichte schrieben.
Vor allem politische Talkshows erfreuen sich in der Gegenwart großer Beliebtheit: Quer durch die Woche begegnet man ihnen, gerade in den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Kein Tag vergeht ohne eine neue Runde: montags beehrt uns die ARD mit Hart aber Fair, dienstags sind wir bei Maischberger, mittwochs bei Anne Will, donnerstags in Beckmanns Wohnzimmer und sonntags in Günther Jauchs gläsernen Ufo. Das ZDF präsentiert sich donnerstags mit maybritt illner. Aber auch die „klassische“ Talkshow, die eher unpolitisch ist, ist im Spektrum vertreten: von Montag bzw. Dienstag bis Donnerstag im Vorabendprogramm der ARD Thomas Gottschalk und spät abends Markus Lanz im ZDF. Und ist man an den beiden noch verbleibenden Wochentagen einsam, so kann man freitags mit dem Nachtcafé oder 3 nach 9 in den Schlaf finden und samstags mit Frank Elstners Menschen der Woche bewundern.
Auch die Privaten setzten lange Zeit auf Talk: Von „Vera am Mittag“ bis „Hans Meiser“ sehr klassisch kontrovers, aber politisch („Talk im Turm“). Aktuell gibt es aber auf Sat. 1 nur die Talkshow-Verteranin Britt und als politischen Talk „1 gegen 1“.
„Talk-Shows leben von Prominenten, die wie abgenutzte Wanderpokale herumgereicht werden.“
Es wird deutlich: Ein Mangel an „Redereien“, wie Dietmar Schönherr das Format nannte, gibt es im gegenwärtigen deutschen Fernsehen nicht. Hat man Glück, so kann man sich zu einzelnen – zumeist politischen und gesellschaftlichen – Themen täglich neue Einschätzungen von Politikern, Prominenten und solchen, die sich dafür halten, einholen, um das persönliche Meinungspuzzle weiter zusammenzufügen. Bei all dem Spott: Es darf nicht vergessen werden, dass die Medien eine herausragende Funktion in der politischen Meinungs-und Willensbildung des Einzelnen haben. Diese Funktion übernehmen unter anderem auch Talkshows, vor allem Polittalks. Sie dienen einerseits als Bühne für Politiker und ihren Botschaften, andererseits – und das ist die zentrale Funktion – als Forum für Diskussionen bezüglich des politischen Tagesgeschehens. Letzteres gilt als eine Grundlage zwischenmenschlicher Kommunikation über politische Themen. Da dieses Angebot von nicht wenigen Menschen angenommen wird, erwächst daraus eine gewisse Verantwortung für die Talkshows, da sie meinungsbildend und gegebenenfalls auch beeinflussend wirken können.
Wo steht die Talkshow heute?
Um nicht in einem Sumpf inhaltlicher und formaler Konvergenz zu versinken, hat sich das „Mutterformat“ im Laufe der Jahre in verschiedene Richtungen ausdifferenziert. Dabei spielen wie im Auszug aus dem Fernsehprogramm oben ersichtlich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vor allem „Debattenshows“ (vor allem der Polittalk) und „Personality-Shows“ (wie etwa Menschen der Woche) eine wichtige Rolle, wobei sich diese beiden Formen nicht selten miteinander vermischen. Zudem gibt es immer wieder Vorstöße, neue, bahnbrechende Modelle zu präsentieren, die alles bisher Gesehene in den Schatten stellen – ein aktuelles Beispiel: Roche und Böhmermann auf ZDFkultur, eine laut Senderinformationen „Talkshow ganz im Stil des frühen Fernsehens, nur neu gemacht.“ Hier trifft man auf Themen, die nicht unbedingt bei Markus Lanz besprochen werden, auf zwei Moderatoren, die sich parteiisch in die – falls vorhandene – Diskussion einmischen, es wird geraucht und getrunken. Viel Neues, vor allem Verrücktes, dennoch erinnert das Muster doch sehr an herkömmliche Talkshows.
Die Zeit, da immer neue Talkshows wie Unkraut aus unserer Fernsehlandschaft sproßen , ist vorbei. Trotz eines halbwegs etablierten Spektrums, das uns Woche für Woche begleitet, fragt man sich schnell, ob nicht auch hier weniger mehr ist. Man möchte dem wohl gerne zustimmen, dominiert gerade einmal wieder ein Thema alle Sendungen. Und ebenso möchte man sich gegen diese Auffassung stellen, wenn man die Vielfalt der Themen erlebt, die für jeden etwas Interessantes, vielleicht auch Relevantes, enthalten mag.
Zum Geburtstag hier ein „Best of“-Talkshow:
Foto: photocase.de / misterQM
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