Das amerikanische Mediensystem ist kollabiert.

Von Tanja Miller

Donald Trump tweetet und die amerikanischen Journalisten schreiben darüber. Twitter, Facebook und Co. beherrschen das amerikanische Mediensystem. Was das für einen Einfluss auf die Wahlen 2020 in Amerika hat und inwiefern die Sozialen Medien die Kommunikation unter Politikern verändern, weiß der Korrespondent John Nichols.

Bereits vor vier Jahren wusste der damalige Unternehmer Donald Trump genau, wie er die Menschen auf den Social-Media-Kanälen erreicht und wurde zudem Präsident. Seitdem verändert sich die amerikanische Medien- und Politiklandschaft. Facebook, Twitter und Co. sind auch im diesjährigen Präsidentschaftswahlkampf in den USA präsent. Welchen Einfluss haben die Sozialen Medien auf die Wahlen im November 2020? Darüber sprach John Nichols in seinem Vortrag am deutsch-amerikanischen Institut in Tübingen. Er ist Korrespondent für nationale Angelegenheiten der Zeitung „The Nation“ in Wisconsin. Seit 1984 berichtete Nicholas über alle amerikanischen Präsidenten. Über die gegenwärtige Medienlandschaft sagte er: „Right now there are tensions.“ Das amerikanische Mediensystem sei kollabiert. Zum einen gebe es immer weniger Journalisten, die berichten – insbesondere über lokale Ereignisse. Zum anderen würden die sozialen Medien den Journalismus herabsetzen.

 

Der Inhalt der Sozialen Medien dominiert

Kurz gesagt: Die USA sei in einer Übergangs-Periode. Denn in den Perspektiven und Diskursen, die der Journalismus aufzeige, dominiere der Inhalt der Sozialen Medien. So sei die „main story“ oft, was Trump auf Twitter schreibe. Er habe viel Einfluss, weil er seine Follower direkt anspreche. „Whether you like him or not“, betonte Nichols, aber der Präsident kenne sich mit Sozialen Medien aus. Je umstrittener seine Tweets, desto eher dringe Trump in die Sphäre des traditionellen Journalismus ein.

Das amerikanische Mediensystem sei im Umbruch, so John Nicholas. Foto: d.a.i Tübingen

Das amerikanische Mediensystem sei im Umbruch, so John Nicholas.

Das verletze ihn nicht, sondern schenke ihm nur mehr Aufmerksamkeit. – Statt sich mit der Politik auseinanderzusetzen, steht die Art und Weise, wie Trump spricht, im Fokus der Berichterstattung. „But one piece of good news is, it happened before with the Radio“, fügte Nichols hinzu. Auch dieses Medium musste zuerst hinterfragt werden. Nun müssten die Gesellschaft und die Medienlandschaft anfangen, die Sozialen Medien zu hinterfragen und in ihrer Funktion zu begreifen. Dies sei jedoch noch nicht geschehen. Daher sei Amerika bei einem chaotischen Mediensystem angelangt. Dies zeige sich im Rundfunk, Hörfunk und bei der Presse.

Zu wenig Journalisten

So sei es in einer vergleichbaren Stadt mit der Größe Tübingens in Amerika selten, dass es eine Zeitung gebe. Die Schwesternstadt Ann-Arbor publiziere nur noch digital – auf Print habe die dortige Zeitung komplett verzichtet. Das Medium wird nicht nur auf einen Distributionskanal beschränkt, auch die Anzahl der Journalisten verringere sich. Im Bundesstaat Ohio habe die größte Zeitung The Plain Dealer in Cleveland ihre 300-400 Reporter auf 30 reduziert. Das habe zur Folge, dass das Medium nicht mehr jeden Tag publiziere. Außerdem werden einige Ereignisse nicht in der Berichterstattung abgedeckt. Vor allem der Lokaljournalismus leide darunter. Ähnliches gelte für Fernsehen und Radio.

John Nichols macht deutlich, dass die Amerikaner ursprünglich eine diverse und wettbewerbsfähige Medienlandschaft anstrebten. Ein Medienunternehmen hatte zu Beginn des Hörfunks nur eine Handvoll Radiostationen, heutzutage seien es mehr pro Unternehmen. Ein Moderator sitze in den Studios und alle anderen hören ihm zu. „Radio is kind of one sad voice across the country“, erläuterte Nichols die gegenwärtige Hörfunklandschaft.

Eher Kommentatoren als Journalisten

Im Fernsehen sehe es nicht besser aus. Während der „Prime Time“ würden die amerikanischen Fernsehzuschauer weniger Journalisten, sondern eher Kommentatoren sehen. Sie ordnen das Tagesgeschehen ein. Genauso wie im Zeitungswesen würden lokale Themen wenig abgedeckt. „The local level is inrcreasingly gone“, so der Korrespondent. Anstelle von lokalen Ereignissen stehe die Politik aus Washington im Fokus. Der Druck der Präsindentschafts-Kandidaten, die gehört werden wollen, steige. Sie müssten in die nationale „Bubble“ hineinpassen, damit Journalisten über sie berichten. Dieser „Medienwandel“ ändere die Politik. Durch die Sozialen Medien werde eine Kommunikation, die durch Hass geprägt sei, transportiert. Dies führe zu einem höheren „level of hate“ zwischen den Parteien. Über diese Veränderung der amerikanischen Medien müsste gesprochen werden. Der Korrespondent John Nichols fügte jedoch hinzu: „But they hadn`t that talk yet.“

Auch in Deutschland sollten wir noch häufiger über den Einfluss von Sozialen Medien auf unsere Kommunikation und den Journalismus sprechen. Denn auch hier sind die Tweets von Trump oft eine Nachricht wert.