Nur ein kleines Video
von Jürg Häusermann
Die Bundeswehr hat ein Video produzieren lassen:
Eine Heavy-Metal-Version des Deutschlandlieds begleitet ziemlich banale Bilder von militärischen Fortbewegungsmitteln. Raketen, die in die Luft steigen. Streiflichter auf das schützenswerte Idyll: Eine Familie spaziert durchs Watt. Der Kölner Dom glänzt in der Abendsonne. Ein Bergdorf am See plätschert vor sich hin. Insgesamt nur wenige Detonationen. Dafür viele Soldaten in Nahaufnahme. Und noch mehr Fortbewegungsmittel zu Wasser, zu Lande, in der Luft. 100 Sekunden, die Zivilisten für den Beruf des Soldaten begeistern sollen.
Auch, wenn das Video nur kurze Zeit online stand, regt sich ganz Deutschland auf: Die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Malczak war auf den Clip aufmerksam geworden. Sie warf dem Verteidigungsministerium vor, es stelle den Dienst bei der Bundeswehr wie ein „Ballerspiel“ dar.“
In ihrer Pressemitteilung sagt Malczak: „Dieses Video stellt eine Verherrlichung militärischer Gewalt und kriegerischer Auseinandersetzungen dar. Bilder und Musik gleichen teilweise einem Ego-Shooter und entwerfen so ein Zerrbild des Dienstes bei der Bundeswehr.“
Einen Tag lang war das Video im YouTube-Kanal der Bundeswehr zu sehen. Dann wurde es wieder entfernt. Nicht aufgrund der Oppositionskritik, sondern – so der stellvertretende Regierungssprecher – weil der Off-Text fehlte. Aber greift denn die Kritik, hier werde ein „Zerrbild des Dienstes bei der Bundeswehr“ entworfen? Von wie viel Sachkenntnis zeugt denn der Vorwurf, „Bilder und Musik gleichen teilweise einem Ego-Shooter“?
Die Ästhetik des Krieges
Was die Kritikerinnen und Kritiker nicht berücksichtigen: Schon längst wird uns mit dieser Ästhetik vom Krieg berichtet. „Banal Militarism“ nennen es zum Beispiel Tanja Thomas und Fabian Virchow, die die Vermengung von Militär und Alltag seit langem erforschen. Ob es um Krieg geht, um ein Ballerspiel oder einen Action-Film – die Grenzen werden bewusst vermischt. Man erinnere sich daran, wie die Öffentlichkeit auf die Operation „Iraqi Freedom“ vorbereitet wurde: „Boom, boom, we’re going in hard and fast. ‘By this time next week, sit by your TV and get ready to watch the fireworks’.
Das ist immerhin O-Ton eines Sprechers aus dem Weißen Haus.
Und es wird dafür gesorgt, dass auch die Soldaten selbst dieser Ästhetik nicht entkommen. In einer schaurigen Stelle in Michael Moores „Fahrenheit 9/11“ (bei ca. 70 Min.) erklären die Soldaten sorgfältig, wie sie die Musik auswählen, die sie über die Kopfhörer dröhnen lassen, wenn sie auf den Feind losballern. Sie haben Bloodhound Gang und „The Roof is on Fire“ gewählt:
„The war happens and the fighting starts, you know, it’s kind of like thumped up and motivated ready to go. Its the ultimate rush. Because you know you’re going into the fight to begin with. And then you got a good song playing in the background and uh that gets, that gets you real fired up, ready to do the job.“
In vieler Hinsicht gibt es kaum noch einen Unterschied zwischen dem Einsatz im Krieg und dem Spielen eines Ballerspiels. In beiden Fällen geht es darum, Menschen zu töten. Für diejenigen, die am Drücker sind, soll es sich auch gar nicht real anfühlen. Für die Opfer schon – und die sind noch immer zur Hauptsache Zivilisten, auch wenn es aussieht, als ob nur noch gezielt die Bösewichte ausgeschaltet würden, und man daran arbeitet, dass es künftig nur noch virtuellen Krieg gäbe.
Was ist Ballerspiel? Was ist Krieg?
Die, die sich jetzt zu Wort melden, möchten, dass es noch so ist wie früher: Die Soldaten frieren in den Schützengräben still und leise vor sich hin, und wir sitzen unbeteiligt zu Hause.
Es gibt keinen Krieg, an dem die Bürger nicht beteiligt wären. Und spätestens seit Golfkrieg von 1990 ist klar, dass die Kriegsführung ein audiovisuelles Spektakel ist, von dem wir uns nicht ausgrenzen können. Wir sitzen zu Hause und ballern vor uns hin. Gleichzeitig dirigieren die Soldaten (natürlich nicht die Deutschen, nur ihre Verbündeten) ihre Drohnen und lenken sie scheinbar zentimetergenau auf ihre Ziele auf anderen Kontinenten. Wissenschaftler, die analysieren, was vor sich geht, sprechen längst nicht mehr von Kriegstechnologie, sondern vom Military-Entertainment-Complex: Der Krieg wird längst mit den gleichen Mitteln geführt, mit denen wir zu Hause virtuelle Krieger hopsgehen lassen.
Das US-Militär benutzt Ego-Shooter nicht mehr nur, um neue Soldaten anzuwerben, sondern sie setzt sie auch in ihrer Ausbildung ein. Mit dem Spiel „America’s Army“ kann man nicht nur spielen, sondern auch lernen, wie man einen bewaffneten Roboter führt. „Unsere Roboter werden mit genau so einem Game Controller gesteuert, wie Sie ihn von Computerspielen her kennen. Unserer ist nur etwas robuster gebaut. Wem es also Sorgen macht, dass Jugendliche heute so viel Zeit mit Computerspielen verbringen, der sollte sich klar machen, dass sie eigentlich nur trainieren, um später gute Roboter-Piloten zu werden.“
Dies sagt Joe Dyer, Chief Operation Officer der Rüstungsfirma iRobot in einem Feature von Jan Lublinski über den nur scheinbar sauberen Krieg der Drohnen. Vielleicht haben viele den Wunsch, dass die Bundeswehr sich für immer wohltuend und sauber von all den anderen Armeen wird abheben können. „Die Außenkommunikation der Bundeswehr“ sagt Agnieszka Malczak, „muss durch Sachlichkeit, Transparenz und Ehrlichkeit gekennzeichnet sein“.
Aber vielleicht ist diese Art von Video einfach eine ehrliche Einstimmung auf die globale Kriegsführung, an der wir beteiligt sind.
Jürg Häusermann, Jahrgang 1951, ist Professor für Medienwissenschaft (Schwerpunkt: Medienanalyse und Medienproduktion).
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