„Moolaadé“ – Bann der Hoffnung

von Andrea Kroner

Man hört selten etwas über afrikanische Filme, obwohl es dort in den verschiedenen Ländern eine vielfältige Kinotradition mit ganz besonderen Produktionen gibt. Meist setzen sich die Regisseure dabei mit typisch afrikanischen Sitten und Gebräuchen auseinander. So auch Ousmane Sembènes in seinem Film „Moolaadé“. Er möchte die Bevölkerung über die Beschneidung junger Mädchen aufklären.

Ein Verstoß gegen die Tradition

Die Geschichte spielt in einem kleinen afrikanischen Dorf, das sich streng an die Tradition der Beschneidung hält. Doch sechs kleine Mädchen flüchten davor, weil sie Angst vor der Verstümmelung haben. Vier davon retten sich zu Collé Ardo (Fatoumata Coulibaly). Diese hat sich geweigert, ihre zweite Tochter Amsatou beschneiden zu lassen, weil ihre erste Tochter bei diesem Ritual gestorben ist. Und auch den vier Mädchen hilft sie, indem sie das „Moolaadé“ ausspricht. Dafür spannt sie ein Seil am Eingang ihres Hofes auf. Dieses markiert eine symbolische Grenze, die ohne ihre Erlaubnis nicht übertreten werden darf. Wer sich nicht daran hält, verfällt einem tödlichen Bann – glauben zumindest die Dorfbewohner. Deshalb sind die Mädchen vor den Beschneiderinnen sicher, solange sie den Hof nicht verlassen.

Zeitgleich kommt der Sohn des Oberhaupts ins Dorf. Er hat in Paris studiert und ist eigentlich zurückgekehrt, um Amsatou zu heiraten. Da sie jedoch nicht beschnitten ist, kommt das für seinen Vater nicht infrage. Stattdessen soll er nun seine 11-jährige Cousine zur Frau nehmen. Doch so einfach wird es nicht, denn nun beginnen auch die anderen Frauen des Dorfes langsam, sich gegen das patriarchalische System zu wehren. Am Ende löst sich alles auf – teilweise zum Positiven, teilweise äußerst tragisch.

Ein heikler Punkt

Sembène ist der erste afrikanische Mann, der sich öffentlich mit dem Thema der Beschneidung auseinandersetzt und sich auch vehement dagegen ausspricht. Dabei weitet er das Geschehen des Films auf eine größere Dimension aus: Mit dem Asyl der Mädchen bei Collé Ardo möchte er die Menschen dazu aufrufen, Frauen, die Hilfe suchen, Asyl zu gewähren. Auch bietet das Moolaadé für Collé Ardo die Möglichkeit, aus dem starr festgelegten, von Männern beherrschten System auszubrechen und die Machtverhältnisse umzukehren.

Er äußert seine Kritik jedoch nie zu hart, sondern setzt sie genau an den passenden Stellen und im richtigen Maß ein. Es werden beispielsweise keine verstümmelten Genitalien der Frauen gezeigt, doch trotzdem wird die Grausamkeit dieses Rituals äußerst deutlich, da man die Reaktionen der Mädchen miterlebt. Auch beleuchtet er alle Folgen dieser Verstümmelung. Diese sind sowohl körperlicher als auch seelischer Natur. Eine wichtige Rolle spielen aber auch soziale Konsequenzen für Unbeschnittene, die ausgestoßen werden oder keinen Ehemann finden. Denn kein traditioneller Mann möchte eine Unbeschnittene, eine Unreine heiraten.

Doch Sembène geht noch weiter: Er prangert an, dass gerade Frauen der Zugang zu Informationsquellen oft verboten wird. So werden den Frauen in Moolaadé die Radios weggenommen und verbrannt, wodurch ihnen Informationen und moderne Einstellungen verwehrt werden sollen.

Ein ganz eigener Charme

Sembène schafft es geschickt, in seinem Film drei wichtige Grundelemente zu verbinden: Ästhetik, Unterhaltung und Kritik. Diese drei Komponenten werden immer wechselseitig eingesetzt. So  spricht er ein breiteres Publikum an und kann seine Botschaft auf subtile Art und Weise verbreiten.

Interessant ist, dass der Film nicht in andere Sprachen übersetzt, sondern nur mit entsprechenden Untertiteln versehen wurde. Dadurch gewinnt er gerade für Außenstehende noch mehr an Authentizität. Diese wird durch die typisch afrikanische Musik noch mehr gesteigert, die sich an den richtigen Stellen gut einfügt. Ob moderne Musik aus dem Radio oder traditionelle Klänge bei Ritualen, sie wird immer passend eingesetzt.

Ein guter Einblick

Gerade, wenn man sich nicht so gut mit der Thematik auskennt, bietet dieser Film einen guten Einblick in das Ritual der Beschneidung, wie es in vielen afrikanischen Ländern immer noch praktiziert wird. Er liefert ein ungeschöntes, reales Bild und schafft es, dabei auch noch andere Kritikpunkte einzubinden. Wer mehr darüber erfahren möchte, sollte „Moolaadé“ auf keinen Fall verpassen.

Foto: flickr.com/UNAMID (CC BY-NC-ND 2.0)

Weitere Artikel aus dieser Reihe:

Teil Eins: Vergessene Filme – verborgene Schätze

Teil Zwei: Der Meister der Stille

Teil Drei: „Faust“ – die Geschichte lebt wieder auf

Teil Vier: „Erleuchtung garantiert“ – wirklich?

Teil Fünf: „5×2“ – Wieso ging es schief?

Teil Sechs: „Moolaadé“ – Bann der Hoffnung