Sag dir selbst niemals ,Nein’
Alumni-Portrait über die Drehbuchautorin Melina Natale
Von Anna Roloff
Melina Natale ist Drehbuchautorin im Comedy-Genre und Alumni der Rhetorik mit Nebenfach Medienwissenschaft. Im Gespräch mit Anna Roloff erzählt sie von anfänglichen Unsicherheiten bei der Studiengangwahl, ihrer Zeit bei Pro7 und davon, wie sich ihr beruflicher Werdegang nach und nach fügte.
Nach dem Schulabschluss stand Melina, wie viele frisch gebackene Abiturient*innen, vor der schwierigen Frage: „Und was nun?“ Medien interessierten sie zwar sehr, aber Kommunikationswissenschaften studieren? Viel zu trocken für die kreative Halb-Italienerin. „Man, das Einzige, was ich wirklich gut kann, ist Reden, aber das kann man nicht studieren“ sagte sie damals verzweifelt zu ihrer Mama. Zum Glück wusste diese es besser und brachte sie auf den Studiengang Rhetorik an der Universität Tübingen. Melina, die schon in der Schule gerne Referate gehalten hat und sogar Schülersprecherin war, fand sich in der Studiengangbeschreibung sofort wieder und bewarb sich für einen Studienplatz in der schwäbischen Studierendenstadt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten und Enttäuschung über einen Wartelistenplatz klappte es auch mit dem Wunschnebenfach Medienwissenschaft.
Fiktion ist genau ihr Ding
Nach ihrem Bachelor war Melinas nächstes Ziel eine Volontariatsstelle bei Pro7. Ein erster Schritt dahin war ein Praktikum beim Sender in der Unternehmenskommunikation. Doch trotzdem klappte es zunächst nicht mit dem angestrebten Volontariat. Eine zweite Chance ergab sich jedoch schnell mit einer noch offenen Volo-Stelle im Bereich US-Fiction–Series. „Aber das ist ja nichts für dich, du hast dich ja bisher nur mit Unternehmenskommunikation auseinandergesetzt“, hörte Melina zunächst von der Betreuerin. Falsch gedacht! US-Fiction war genau Melinas Ding und obwohl sie die Volo-Stelle zunächst gar nicht auf dem Schirm hatte, begann mit ihr schließlich eine längerfristige Laufbahn bei der ProSiebenSat.1 Media SE. Während ihres zweijährigen Volontariats schrieb Melina für die Pro7-Website sowie verschiedene Social Media–Kanäle und landete anschließend bei Sixx – ebenfalls in der Online-Redaktion. Dort konnte sie sich jedoch nicht wie zuvor auf fiktionale Serien fokussieren, da die Redaktion viel kleiner war. Unter anderem arbeitete sie so auch an der Reality-Show Big Brother mit. „Und das hat mir dann den Rest gegeben“ schmunzelt Melina heute rückblickend.
Der Weg zur Drehbuchautorin
Schon in der Tübinger Medienwissenschaft entdeckte Melina in den Seminaren von Prof. Dr. Susanne Marschall ihre Faszination für Quality-Serien. Nun, da sie erneut ihren Platz im Konstrukt Film und Fernsehen suchte, schienen für die damals 27-Jährige plötzlich alle Stränge zusammenzulaufen. Schreibtalent, Empathie, Leidenschaft für Filme und Serien und jede Menge Humor: Was macht man denn nun damit? Na, Comedy-Drehbuchautorin werden! Vom neuen Vorhaben motiviert, zog es sie zunächst an den Ort, an dem schon viele große Filmschaffende vor ihr das Handwerk erlernten: Los Angeles. „Dann hab‘ ich einfach mal von oben herunter gedacht und hab geschaut, was denn die beste Filmschule der Welt ist“ erzählt Melina, als sie von ihrem Besuch der Summer School an der University of Southern California berichtet. Dort lernte sie das Drehbuchschreiben und merkte, dass es genau das ist, was sie schon immer machen wollte, sich selbst aber nie zugetraut hat. Diese Zweifel warf sie an der kalifornischen Küste über Bord.
„Es ist nicht nur Talent und sich, so wie es manchmal romantisch dargestellt wird, mit einem Glas Rotwein oder Whisky bei Kerzenlicht hinsetzen und warten, bis die Muse einen küsst, sondern es ist tatsächlich ein Handwerk, das man auch einfach erlernen kann.“
Zurück in Deutschland verfolgte Melina weiterhin zielstrebig ihren Plan und machte sich nach und nach als Drehbuchautorin selbstständig. Hilfreich für sie war dabei die Zusammenarbeit mit einer Agentur, welche die Organisationsarbeit und das Aufsetzen von Verträgen professionell regelt. Nach ersten kleineren Projekten konnte sich Melina bald auch schon über größere Erfolge freuen: Einen Job als Drehbuchautorin für die JOYN-Miniserie Das Internat und die Mitarbeit als Co-Autorin für die dritte Staffel von Sankt Maik, einer Dramedy-Serie des Senders RTL. Der Erfolg nimmt bis heute nicht ab und Melina hat aktuell mehrere Projekte in der Entwicklung, darunter sogar eines in Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma Warner Bros.
Von der Idee zur Serie
Dabei ist es als Drehbuchautor*in bei weitem nicht immer leicht. Das Schreiben als Hinsetzen vor leere Seiten, welche mit vermarktbaren Ideen gefüllt werden wollen, bezeichnet Melina immer noch als riesigen Kraftakt.
„Da lachen mich die Leute immer aus, ich bin Autorin, aber ich hasse es zu schreiben.“
Ihren Job macht sie natürlich trotzdem gern und freut sich jedes Mal aufs Neue, ein Resultat in den Händen zu halten. Für Melina ist das Drehbuchschreiben ihre Art der Kommunikation in der Kreativbranche. Doch ehe ihre Ideen überhaupt ein breites Publikum erreichen können, vergeht meistens viel Zeit. Hat sie erst einmal ein spannendes Konzept im Kopf, ist der erste Schritt das Finden einer Produktionsfirma, welche im besten Fall von der Idee genauso begeistert ist wie Melina selbst. Dabei helfen ihr das Knüpfen von Kontakten auf Events wie der Berlinale genauso wie das professionelle Management ihrer Agentur. Sobald man sich auf dem Markt einen Namen gemacht hat, kommt es natürlich auch vor, dass man selbst als Drehbuchautorin angefragt wird, erklärt sie.
Steht dann der Vertrag über die Zusammenarbeit und ein erstes Pitch-Paper, fällt das Projekt für Melina jedoch meistens in ein schwarzes Loch. Dann liegt der Ball bei der Produktionsfirma, die dann schauen muss, ob sie die Idee tatsächlich verkaufen kann. So gibt es leider ab und an auch Projekte, in die Melina zwar viel Herzblut reingesteckt hat, die dann jedoch gar nicht umgesetzt werden. „Das zehrt auch ganz schön an einem“, berichtet die junge Drehbuchautorin und hat dagegen ihre eigene Strategie entwickelt. Im besten Fall hat Melina gleich mehrere Projekte am Laufen: Welche, bei denen sie ganz frei an Pitch-Papern arbeiten kann und welche, die bereits in die Produktion gegangen sind. So schafft sie es, auch bei Rückschlägen optimistisch zu bleiben und sich gleichzeitig den eigenen Lebensunterhalt zu sichern.
Hier könnten ihrer Ansicht nach jedoch auch die Verhältnisse für deutsche Drehbuchautor*innen verbessert werden. So erklärt sie aus eigener Erfahrung, dass in der Branche durchaus Geld vorhanden sei und nach und nach der Autor*innenberuf auch immer besser bezahlt werde. Das Schwierige seien dabei eher die Verträge. So werde meistens 50% der Gage erst dann ausgezahlt, sobald tatsächlich gedreht wird. Und das kann – insbesondere in der aktuellen schwierigen Lage – eben auch mal mehrere Jahre dauern. Trotz allem bevorzugt Melina ihre Tätigkeit als Selbstständige.
„Es ist zwar meine eigene Verantwortung, aber ich bin auch mein eigener Chef und das ist, glaube ich, gerade im kreativen Bereich sehr wichtig.“
In der Gruppe ist man einfach witziger
Auch die Arbeitsweise beim Schreiben würde sie sich “mehr an die amerikanischen Verhältnisse angepasst” wünschen. Dort arbeiten die Drehbuchautor*innen gemeinschaftlich in sogenannten Writers‘ Rooms und können so gegenseitig von ihren kreativen Kompetenzen profitieren. Gerade bei komplexeren Produktionen weiß Melina aus Erfahrung, dass diese von einzelnen Autor*innen kaum zu tragen sind. Insbesondere im Comedy-Bereich funktioniert es schlichtweg nicht, allein an guten Witzen zu schreiben.
„In der Gruppe ist man einfach witziger, das weiß jeder, der mal mit seinen Freunden zusammen abends ein Bier trinken war.“
„Mandala ausmalen“ nennt Melina gern die Arbeit in einem Writers‘ Room, in welchem die Struktur einer Produktion gemeinschaftlich festgelegt und schließlich von den einzelnen Autor*innen mit Leben gefüllt wird. Kommentare über fehlende Kreativität bei dieser Arbeitsweise wischt sie gekonnt weg: „Wieso denn? Beim Autobau überlegt man sich doch auch nicht erst, ob ein Auto vier Reifen hat und so sind auch die meisten Serien Vierakter und trotzdem macht das nicht alles zur gleichen Serie“, lacht sie.
Trotz optimierter Arbeitsabläufe würde sie jedoch trotzdem nicht ohne Weiteres in den USA in ihrem Berufsfeld arbeiten wollen. Der Markt und die Konkurrenz dort seien viel größer und gleichzeitig ist die aktuelle Nachfrage – insbesondere nach jungen Comedy-Autorinnen – in Deutschland riesig. Auch hat Melina die Hoffnung, mit der Erfahrung, die sie in L.A. sammeln durfte, hierzulande etwas zu ändern und das erfolgreiche amerikanische System weiter etablieren zu können.
Verbau dir niemals selbst die eigenen Zukunftspläne
Doch welche Tipps kann Melina aufstrebenden Kreativen mit auf den Weg geben? Wie kann man in der Branche am besten netzwerken, was kann auch während des Studiums schon geübt werden und worauf sollte man sich auf jeden Fall von vornherein einstellen?
Zum Thema Netzwerken hat Melina eine klare Meinung. Das kommt laut ihr nämlich meistens von ganz allein. „Früher oder später lernst du deine Leute kennen“, versichert sie. Auf Kontaktejagd geht auch sie selbst nur, wenn sie von jemandem wirklich fasziniert ist – wie beispielsweise vom Executive Producer von Breaking Bad, den sie ganz zufällig in Stuttgart getroffen hat. Wichtig sei es dabei, zeitnah den Kontakt aufzubauen. Eine Anschlussmail à la „War nett, dich kennenzulernen“ reiche dabei meistens schon aus.
Außerdem rät Melina, sich möglichst früh mit dem Handwerk zu beschäftigen, beispielsweise, indem man sich die Drehbücher seiner Lieblingsfilme und -serien besorgt und beim Schauen einfach mitliest. So kann man sich das benötigte Verständnis dafür aneignen, wieso die grandiosesten Pointen oder gruseligsten Szenen denn überhaupt so gut funktionieren. Gleichzeitig sollte der eigene Fokus möglichst offenbleiben und auch an internationale Filme und Serien anknüpfen, die bei den Oscar-, Emmy- und Golden-Globe-Verleihungen nominiert werden.
Fachliteraturempfehlungen kann Melina natürlich auch geben: Insbesondere die Werke von Pamela Douglas, ihrer Dozentin in L.A., legt sie allen ans Herz, die vom Beruf der Drehbuchautorin träumen. Außerdem helfe The Artist Way von Julia Cameron allen, die vor einer Schreibblockade stehen oder sie von vornherein vermeiden wollen.
Gar nicht früh genug anfangen kann man laut Melina mit dem Sammeln von Ideen jeder Art. Ganz egal, ob Storykonzept, spannender Titel oder lustiger Moment aus dem eigenen Alltag: “Einfach direkt aufschreiben und in die Schublade legen“, rät Melina. Abschrecken lassen solle man sich dabei nicht von bereits anderswo umgesetzten Ideen. Abwandlungen, Neuverfilmungen und Wiederholungen sind fester Teil der Branche. Spannend findet Melina vor allem, welche unterschiedlichen Wege es gibt, um Charakterentwicklungen voranzutreiben und Handlungen aufzulösen.
Verabschieden kann man sich laut ihr schon vorab vom eigenen Ego, denn Filmemachen ist Teamwork. Ein Drehbuch wird an die Produktion weitergegeben, erklärt sie, und auch wenn man als Autor*in zwar fester Teil dieser ist, werden die eigenen Ideen durch das Mitwirken des gesamten Teams häufig anders interpretiert und umgesetzt als ursprünglich gedacht.
Den allerwertvollsten Tipp gibt Melina zum Schluss des Gesprächs: Sich selbst nie die eigenen Zukunftspläne verbauen!
„Du wirst in dieser Branche noch oft genug ‚Nein‘ hören, da solltest du es dir nicht selbst schon von vornherein sagen!“
Damit möchte sie gleichzeitig auch allen Mut machen, die selbst noch an ihren eigenen kreativen Fähigkeiten zweifeln. Denn wie Melina Natales berufliche Laufbahn beweist, ist es, selbst nach einigen Jahren im Beruf, nie zu spät, etwas zu riskieren, sich gar noch einmal umzuorientieren und seinem Traum nachzujagen.