Bild: Magdalena Heckner

Weshalb wächst auf dem Mond grüner Käse?

Gedanken zu der Klimakrise

Von Magdalena Heckner

Was ist Klimaforschung der Zukunft? Wir haben das Wissen – die Kommunikation muss stimmen. Welche Fakten gibt es? Was kann ich tun? Wie werden wir künftig mit unserer Angst fertig?
Flüchtige Gedanken und eine persönliche Abhandlung der Klimakrise.

Jaja. Klimawandel hier, Pole da, Waldbrände, Artensterben, Überschwemmung, Massentierhaltung, Co2-Emissionen, Stickstoffoxide, Methan, Landwirtschaft, Kohlenstoff, erneuerbare Energien.

Soll ich weiter aufzählen? Das ist nur so aus mir heraus gesprudelt. Die Liste geht auch länger, wird aber langweilig.

Zugegeben, die Klimawissenschaften Physik, Biologie und Co. – Naturwissenschaften – haben gute Aufklärarbeit geleistet. In den letzten zwei Jahrzehnten, die ich hier auf der Erde verbringen durfte, hätte der Klimawandel nicht an mir vorbeigehen können. Habe die Fakten parat, hier und jetzt. Den Treibhauseffekt könnte ich einem Kindergartenkind beibringen.

Die Forscher*innen sind sich einig und wir sind es auch. Das kann schon daran erkannt werden, dass die Frage „Weshalb erwärmt sich unsere Erde?“ intuitiv mit einer „Weil…“ Aussage beantwortet wird.

Nicht etwa: “Das gibt es doch gar nicht!”, was sicherlich bei der Frage “Weshalb wächst auf dem Mond grüner Käse?”, der Fall wäre.

„Weshalb?“ setzt den Klimawandel voraus. Wir kennen die Fakten. Wissen, dass der Klimawandel hier ist und stecken mittendrin. Kleiner Faktencheck zum Thema Klimawandel:

Fakt 1

Nicht alle Fragen über das Klima können beantwortet werden. (Über den Körper von Elefanten übrigens auch nicht).

Fakt 2

Der Klimawandel ist so weit erforscht, dass weitestgehend Einigkeit herrscht – er ist real und zerstört die Erde. 

Fakt 3

Die Gründe für den Klimawandel lassen sich auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Treibhausgase, wirklich viele Treibhausgase.

Fakt 4

Der Klimawandel ist menschengemacht und kann durch Menschen umgekehrt werden. 

Fakten – vier Stück. Das muss reichen, um zu zeigen, dass Klima mein persönliches Problem ist.

Ähnlich wie mit dem Klimawandel verhält es sich übrigens auch in der Coronakrise.

Man könnte sagen, dass sich beide Krisen sogar stark ähneln. Es gibt jedoch besondere Unterschiede, die auch den Grund aufzeigen, weshalb Krisenmanagement für die eine Krise größtenteils funktioniert, für die andere nur eben irgendwie nicht.

Eine Pandemie bricht aus. Panik – Wo warst du, als es passiert ist?

Langsam bahnt sie sich an, erst aus der Ferne und plötzlich ist sie hier. Gestern saß ich mit Freund*innen in der Uni, heute schließen Schulen und Kindergärten. Ein unsichtbarer Feind mitten unter uns. Man kann ihn nicht hören, nur indirekt sehen – er kann überall und nirgends sein. 

Nie habe ich mehr Nachrichten gesehen, als in den ersten Wochen der Pandemie. Wenn ich nicht auf dem neusten Stand war, wurde ich direkt aufgeklärt. Alle mussten plötzlich ihr Leben ändern.

Bei all dem Stress, der Ungewissheit und Angst zählten zwei Fakten. 

Fakt 1

Hier ist ein Virus, der vielleicht nicht dich, aber viele Menschen töten wird – bereits tötet.

Fakt 2

Um das Virus einzudämmen, musst du deine Hände waschen, zuhause bleiben und Abstand halten. 

Theoretisch reichen diese Fakten aus, um sich akkurat zu verhalten und das Schlimmste zu verhindern. Alles andere muss ich nicht wissen, kann es aber wissen.

Nach zwei Wochen hatte ich genug davon, jeden Abend dieselben Nachrichten zu sehen. Ich muss mir nicht ständig ansehen, wie Menschen sterben.

Es ist viel mehr meine Pflicht, zu verhindern, dass die Zahlen immer weiter steigen.

So änderte sich meine Haltung. Von Was-ist-hier-los zu Okay-habs-verstanden zu Was-kann-ich-tun?

Es gab eine Entwicklung, in der ich vorerst einen Überblick gebraucht habe. Hier haben Politik und (traditionelle) Medien vorbildliche Arbeit geleistet. Das machen sie noch und dafür können wir dankbar sein. 

Mein erster Okay-ich-habs-verstanden-Moment war mit der Rede von Angela Merkel getan. Sie katapultierte mir direkt ins Wohnzimmer, dass diese Zahlen keine Zahlen, sondern Menschen sind. Tote oder kranke Menschen, so hart es klingt. Danach folgten viele weitere Okay-ich-habs-verstanden-Momente. 

Zum Glück konnte ich bereits meine Was-kann-ich-tun-Frage beantworten. In diesem besonderen Fall war wohl Nichts-tun die Lösung.

Videos von singenden Italiener*innen auf Balkonen

Bilder junger Menschen, die für andere einkaufen gehen. Studierende kehren in ihre Heimatstädte zurück, um bei der Familie zu sein. Freiwillige Helfer*innen in unzähligen krisenhaften Situationen.

Nie konnte (globale) Nähe durch Distanz geschaffen werden. Selten erleben wir, was es bewirken kann, wenn alle am selben Strang ziehen. Das, obwohl wir alle nicht wussten, was noch vor uns liegt. 

Aus zwei Wochen werden zwei Monate mit Kontaktsperre, wird ein Ausnahmejahr. Was kommt noch auf uns zu? Wir wissen es nicht. Die ganze Zeit wissen wir nur, was zu tun ist. Distanz, Hygiene, zuhause bleiben.

Es hat funktioniert. Offensichtlich, hier in Deutschland. Die Kurve ist zeitweise gesunken. Es hat funktioniert, gemeinsam sind wir durch die Krise gekommen, gehen noch immer. Auch jetzt, wenn es wieder Rückschläge gibt (Stand Dezember 2020), bedeutet das wieder: Gemeinschaft bilden, Verantwortung übernehmen.

Die Macht liegt bei uns.

Die Aussicht im Jahr 2020, gefiltert durch ein Fenster. Wann können wir wieder unbeschwert in unser Leben zurückfinden? Bild: Magdalena Heckner.

Tausende Menschen gehen auf die Straße

Eine weltweite Bewegung – angetrieben von der Jugend. Von großen und kleinen Vorbildern.

Fridays For Future.

Immer mehr Menschen suchen Alternativen. Sind bereit, ihr Leben zu ändern. Den Planeten zu retten.

Große und kleine Erfolge durchdringen die Gesellschaft, die Politik, den Planeten.

Dennoch: Es reicht nicht aus, ist zu wenig. Uns rennt die Zeit davon. Während wir eine kleine Krise besiegen, befinden wir uns lange auf der Welle einer noch viel größeren Krise und sie ist am Brechen – leider keine unbegründete Panikmache.

Unser Was-ist-hier-los-Moment des Klimawandels ist lange her. Die meisten wissen wahrscheinlich nicht genau, wann sie Grundwissen über den Klimawandel gesammelt haben. Klimawandel ist irgendwie einfach da.

Was ist hier los? Klimawandel – Treibhausgase.

Alle, die noch keinen Okay-ich-habs-verstanden-Moment hatten – dieser Text hier ist vielleicht so einer. 

Vielleicht war es die Rede von Greta Thunberg. Vielleicht die Tatsache, dass seit 2005 neun Temperatur-Rekordjahre aufgestellt wurden. Vielleicht war es auch einfach ein kleiner Moment der Stille, vielleicht auch etwas Riesengroßes. Vielleicht sind es die Tausende von Menschen (und Tieren), die in den letzten Jahren aufgrund des Klimawandels gestorben sind. Vielleicht ist es auch die Tatsache, dass 400 Millionen Menschen an Wassermangel leiden werden, oder etwa 143 Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen werden, selbst wenn nur eine 2 Grad-Temperaturerhöhung erreicht wird. Vielleicht waren es die unglaublichen Bilder aus Australien letztes Jahr. Vielleicht ist es auch gar nichts von all dem, vielleicht ist es alles.

Der Klimawandel liefert uns unzählige Okay-ich-habs-verstanden-Momente. Die sind unglaublich wichtig, um zu wissen, dass ich Gutes tue, wenn ich den Klimawandel aktiv angehe.

Was-kann-ich-tun?

Ja, was eigentlich? 

Hier haben wir den ganz besonderen Unterschied zwischen Corona und Klima gefunden. Neben den zu Beginn aufgezählten Fakten, tritt ein weiterer wichtiger Punkt hinzu:

Drei Maßnahmen, die am wirksamsten und notwendig sind, um auf einer individuellen Ebene die Klimakrise zu stoppen: Pflanzliche Ernährung, auf Flugreisen und ein Auto verzichten. 

Was viele Menschen denken: Klimaschutz bedeutet, den Planeten zu retten.

Stimmt das?

Klimaschutz bedeutet, dass die Spezies Mensch weiterhin auf dem Planeten leben wird. Wenn der Klimawandel fortschreitet, wird die Erde nicht von heute auf morgen explodieren. Sie wird aber unbewohnbar für Menschen, Tiere und Pflanzen. 

Was-kann-ich-tun? Scheint beim Klimawandel weit komplexer beantwortet zu sein als in der Coronakrise. Hier können wir uns auf die “großen Regelungen” stützen, uns rechtfertigen, dass die Wirtschaft, die Politik das eigentliche Problem sind.

Dass wir unser Klimaziel nicht erreichen werden, wenn nicht jede*r einzelne ihr oder sein individuelles Handeln ändert (s.o.), ist genauso eine Tatsache, wie, dass es ohne große Regelungen nicht funktionieren wird.

Ja, wir benötigen große Maßnahmen. Wir müssen auf erneuerbare Energien umsteigen, Fluorkohlenwasserstoffe vermeiden, die Landwirtschaft revolutionieren, eine Kohlendioxidsteuer durchsetzen und vieles mehr.

Das alles benötigt Zeit und die geht uns aus. Sie neigt sich dem Ende zu. Wir müssen auf individueller Ebene beginnen, zu handeln, um diese Zeit zurückzugewinnen.

Das bedeutet, dass ich ab jetzt (nicht morgen oder übermorgen) jedes Mal mit dem Fahrrad oder Bus fahre, wenn ich es kann, es machbar ist. Gerade, um es denjenigen zu ermöglichen, die wirklich nicht verzichten können. Dass ich mich weitestgehend vegan oder vegetarisch ernähre. Dass ich mit dem Zug in den Urlaub fahre. Dass Klimawandel mein persönliches Problem ist.

Was-kann-ich-tun? Das ist eine Frage der Klimaforschung im Bereich der Naturwissenschaften, die jedoch bereits beantwortet werden kann.

Was-kann-ich-tun? Das sollte eine Frage der Klimaforschung im Bereich der Kommunikations- und Gesellschaftswissenschaften werden. Weil sie uns auf diesen Ebenen beeinflusst. Weil Kommunikation funktionieren muss, damit unser Kampf gegen den Klimawandel nicht ins Leere läuft.

Klimaforschung der Zukunft sollte Krisenkommunikationsforschung sein. Denn das ist der Klimawandel: eine Krise.

Eine Krise, mit der wir uns länger herumschlagen werden als mit der Coronakrise. Wie ich mir selbst, meinen Eltern, Großeltern und später vielleicht mal Kindern beibringen kann, ehrlich klimabewusst zu leben und durchzuhalten, kann nur auf diese Weise beantwortet werden. Das benötigt keine weiteren Antworten von Naturwissenschaften, die haben wir bereits. Es wird um Lebensveränderung gehen. Um Ängste, Krankheiten, große wie kleine Krisen. Um Menschenleben und Tierleben.

Was sind sie uns wert?

Quellen:

  •  Safran Foer, Jonathan. (2019). Wir sind das Klima! Wie wir unseren Planeten schon beim Frühstück retten können. Kiepenheuer & Witsch.