Klimawandel in den Medien vs. Realität
Mehr als nur ein sterbender Eisbär
Von Laura Schmaltz
In den Medien spielt zunehmend auch der Klimawandel, als ein für uns alle relevantes Thema, eine wichtige Rolle. Der Klimawandel ist komplex – Medien haben jedoch nur begrenzte Kapazitäten für ihre Formate. Worauf fokussieren sich die Medien in ihrer Darstellung, was Ursachen, Folgen und Akteur*innen angeht?
Klimawandel. Ein komplexes Thema, das vieles umschließt: die Ursachen, die Folgen und uns Menschen als Verursacher*innen, Politiker*innen, Klimaktivist*innen oder als Opfer, die unter den drastischen Folgen leiden.
Was sind die ersten Bilder, die dir in den Sinn kommen, wenn du an Klimawandel denkst? Was mir persönlich einfällt: der Eisbär auf der schmelzenden Eisscholle, Menschen auf Booten zwischen ihren überschwemmten Häusern, verheerende Waldbrände, staubtrockene, zu Rissen aufbrechende Böden. Warum fallen mir diese Bilder zuerst ein? Weil der Klimawandel mir in den Medien tagtäglich auf diese Weise präsentiert wird. Was an sich paradox ist: Obwohl dem Klimawandel eine solche Komplexität zu eigen ist, stellen ihn die Medien teilweise zu simpel und einseitig dar. Dabei ist der Klimawandel doch weit mehr als ein unglücklicher, aussterbender Eisbär, der seinen Lebensraum verliert.
Ursachen: Statt CO2-Emittenten stehen Verbraucher*innen im Fokus
In den Medien finden sich noch nicht ausreichend Berichte über die Ursachen des Klimawandels. Das Prinzip des Treibhauseffektes ist ja auch längst bekannter Unterrichtsstoff in der Schule. Es sollte zum Allgemeinwissen der Gesellschaft gehören, dass die von uns seit der Industrialisierung massiv ausgestoßenen Treibhausgase zu einer aktuell durchschnittlich 1,2 °C Erwärmung der Erde geführt haben, Tendenz steigend. Was gibt es da mehr zu sagen?
Wer stößt CO2 aus? Welche Sektoren tragen die Hauptlast der Treibhausgas-Emissionen? In der Wissenschaft wird sehr intensiv an diesen Fragen geforscht und immer mehr Erkenntnisse werden erbracht, die ihren Weg in die IPCC-Berichte (Intergovernmental Panel on Climate Change) finden. Und die IPCC-Berichte lesen andere Wissenschaftler*innen, politische Entscheidungsträger*innen und an der Thematik interessierte Menschen. Warum werden die Fakten aus den IPCC-Berichten nicht stärker in die Medien getragen: in die Zeitungen, in Podcasts, ins Fernsehen? Ich kann mich nicht erinnern, irgendwo gelesen oder gehört zu haben, wer zum Beispiel in Deutschland zu den Hauptemittenten gehört. Es findet keine Benennung der Verursacher*innen statt: In den alltäglichen Medien finde ich keine Daten über die verursachten CO2-Emmissionen von ganzen Sektoren oder auch von einzelnen Firmen und Unternehmen eines Sektors.
Stattdessen ist in den Medien der Blick auf uns als Verbraucher*innen und als Konsument*innen gerichtet. Es wird viel über persönlichen Fleischkonsum, SUV-Besitz und das Unternehmen von Flugreisen geschrieben, gesprochen und diskutiert. Als Konsequenz polarisieren diese Diskussionen unsere Gesellschaft und werfen teils Konflikte auf: Jung gegen alt, Konsum gegen Nachhaltigkeit, Klimaschutz gegen Wohlstand. Oft geht dies einher mit Schuldzuweisungen oder Schuldabweisungen auf andere. Diese Fokussierung auf uns als Konsument*innen verfälscht die Sachlage und lädt zur falschen Vorstellung ein, dass wir durch die Änderung unserer individuellen Lebensweise zu einer klimafreundlicheren den Klimawandel aufhalten können. Als Individuen sind unsere Möglichkeiten jedoch begrenzt, dagegen besitzen die Politik und Wirtschaft den benötigten Handlungsspielraum, effiziente Maßnahmen in Hinblick auf den Klimaschutz zu etablieren.
Folgen des Klimawandels oder auch: Katastrophen über Katastrophen
Es erscheint mir einleuchtend, dass die Folgen des Klimawandels in den Medien so stark präsent sind, denn sie bestechen ja in ihrer Häufigkeit und zeichnen sich in ihrer Drastik aus: von Katastrophenereignissen, über den Anstieg des Meeresspiegels, zum Korallensterben, zu der Zunahme von Hitzeperioden und Dürren. Manchmal scheue ich mich fast davor, Neuigkeiten über den Klimawandel im Internet zu recherchieren, denn die ersten gefundenen Suchergebnisse lösen nur negative Gefühle in mir aus: Eine Überschwemmung hier, dort ein Wirbelsturm, Waldbrände und in diesem Meeresökosystem hat das Korallensterben noch mehr zugenommen.
Ich möchte ein konkretes Beispiel herausgreifen: die erschreckenden Waldbrände in Australien. Tägliche Nachrichten kursierten darüber, wie viele Menschen ihr Zuhause verloren haben, wie viele evakuiert werden mussten, wie viele Tiere den Feuern zum Opfer fielen, wie viel Lebensraum der Tiere schon zerstört worden ist. Von den Nachrichten an sich sind mir vor allem diese Bilder in meinem Gedächtnis geblieben: Flammenwände, zerstörter Wald, Koalas und Kängurus mit leeren Blicken.
Bekanntlich sagt ein Bild mehr als tausend Worte. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2020 sagt die an Klimabildern forschende Bildwissenschaftlerin Birgit Schneider, dass „Fotos und Filme der Folgen uns etwas näherbringen können, was uns eigentlich sehr fern ist“ (Herpell, Gabriela (2020, 05.03). „Wir können nicht die ganze Zeit hinschauen“ (SZ-Magazin (10/2020)). Besonders Bilder mit Tieren bestärkten diese Identifikation und „das geht dann viral“ (Herpell, Gabriela (2020, 05.03). „Wir können nicht die ganze Zeit hinschauen“ (SZ-Magazin (10/2020)). Eine mögliche Erklärung, warum Katastrophenereignisse in den Medien so stark präsentiert werden: Wenn wir uns mit etwas identifizieren können, dann wollen wir darüber auch etwas durch die Medien erfahren.
Birgt Schneider beschreibt auch die Gefahr der potenziellen Abstumpfung: Je öfter man ein Bild sehe, desto mehr stumpfe man ab. Ein mir bekanntes Phänomen: Irgendwann ist es das soundsovielte Feuer, die soundsovielte Überschwemmung. Das wirft für mich die Frage auf: Was hat diese starke Repräsentation der Negativfolgen für einen Effekt auf die Leser*innen, Hörer*innen und Zuschauer*innen? Abstumpfung, Wegschauen, Verdrängung, „Ich kann ja eh nichts tun“-Stimmungen. Wäre es vielleicht, in Hinblick darauf, Menschen für mehr Handlungsbereitschaft zu motivieren, nicht sinnvoller, mehr über stattfindenden Klimaschutz zu schreiben: Was tun die Politiker*innen gerade in Deutschland, auf EU-Ebene, auf Weltebene? Was erreichen und haben Klimaaktivist*innen bereits erreicht?
Die Akteur*innen: Politiker*innen und Aktivist*innen
Eine interessante Tatsache, die Birgit Schneider in ihrem Interview schildert: Bilder von den Akteur*innen seien seltener zu finden als Bilder von den Folgen des Klimawandels. Trotz der Tatsache, dass ermächtigende Bilder, wie das von den Abfällen der Kohlekraftwerke bereinigte Flussbad in Berlin, im Vergleich zu Bildern der Folgen, motivierender auf Menschen wirken können.
Der Mangel an sichtbaren Klimaaktivist*innen in den Medien wurde in der letzten Zeit jedoch mehr und mehr beseitigt. Stichwort: Fridays for Future (FFF). Aktivist*innen haben die Medien erreicht, regelmäßig hört man Neuigkeiten über Klimastreiks, Forderungen und Taten der FFF-Bewegung, die sich vor allem aus jüngeren Menschen zusammensetzt. Es wirkt leider sehr faktenbasiert auf äußere Rahmenbedingungen: Wann wurde eine Demo durchgeführt? Wie viele Menschen waren dort? Bilder von den gebastelten Plakaten, die hochgehalten werden. Hierbei werden am Rande auch kritische Stimmen aktiv: Es findet Erwähnung und eine entsprechende kritische Kommentierung, dass Menschen, die für mehr Klimaschutz demonstrieren, auf ihrer Demo sehr viel Müll hinterlassen. Es wird gefragt, ob gewisse Aktionen von Aktivist*innen, die zivilen Ungehorsam umfassen, nicht zu weit gehen und zu gefährdend für sich und andere seien. Zudem gibt es auch noch die sehr intensive Debatte, ob Klimastreiks zum Schulschwänzen berechtigt oder nicht.
Die Darstellung wirkt inhaltslos: Wie viel wird tatsächlich über die Forderungen der Aktivist*innen berichtet? Wie viel über ihre Kritik an den Politiker*innen? Es findet keine Debatte darüber statt, wie sinnvoll diese Forderungen sind, wie deren Umsetzung gestaltet werden kann. Im Zentrum steht die Bewegung an sich, nicht die Botschaft, die transportiert werden soll.
Der Sprung in die Politik. Da sieht es mau aus: Es wird nicht viel über Politiker*innen berichtet im Vergleich zu den Aktivist*innen. Und wenn doch, dann worüber? Es wird berichtet, dass das Klimapaket und später der angekündigte Kohleausstieg der Bundesregierung beschlossen wurde, es wird berichtet, dass der Green Deal der EU verabschiedet wurde, es wird berichtet, wenn Politiker*innen sich mit Aktivist*innen treffen. Genaueres zu den Inhalten von verabschiedeten Gesetzen und durchgeführten Gesprächen? Schwer zu finden.
Die mediale Darstellung des Klimawandels ist selektiv
Auf der einen Seite ist die Darstellung vom Klimawandel und vom Klima-Aktivismus in den Medien sehr selektiv. Welche konkreten Folgen werden ausgewählt, um darüber zu berichten? Inwiefern wird auf die Verursacher*innen eingegangen? Was wird nicht erwähnt und fällt unter den Tisch? Auf der anderen Seite selektiere ich selbst als Nutzer*in auch schon: Ich verfolge meistens nur wenige Medien und suche nur gelegentlich nach Inhalten anhand konkreter, von mir gewählten Suchbegriffen. Das Beschäftigen mit den Klimawandel in den Medien kann lähmend sein – die Auswirkungen zu groß, zu weit weg. Mein Einfluss als einzelne Person erscheint gering. Was für mich aber ein persönlicher Anreiz bleibt: Aktiv werden, selbst etwas für mehr Klimaschutz tun, nicht nur alleine, sondern auch mit anderen zusammen.
Quellen:
- Herpell, Gabriela (2020, 05.03). „Wir können nicht die ganze Zeit hinschauen“. SZ-Magazin (10/2020):
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/wissen/klimawandel-bilder-klimaschutz-88451