Fernsehen über sich selbst: „Fatal!“

von Sanja Döttling

Sie toben, sie lästern – und ganz oft geben sie einfach jede Hoffnung auf.  Das Fernsehprogramm der Bundesrepublik sorgt nicht nur bei den Zuschauern, sondern auch bei Fernsehmachern für Verzweiflung.

„Warum verdächtigen Sie mich genau?“ fragt der Atomlobby-Vorsitzende. „Weil das den Zuschauern gefällt“, erwidert die Kommissarin trocken. Kurz darauf, Verhörraum. „Blödsinn! Ich kanns gar nicht gewesen sein!“, ruft der Verdächtige. „Wieso?“ fragt die Kommissarin, und er darauf: „Weil wir erst in der Mitte des Tatorts sind.“

Fernsehen über Fernsehen

Walulis sieht fern – und lässt und Glücklicherweise mitschauen. Gerade: Tatort in 123 Sekunden. In zwei Minuten ein Möchtegern-Tatort, der überraschend genau an das Original herankommt: mit „verkrampftem Sozialkritischen Einschlag“, Product Palcement Produktionshilfe und leeren Requisiten.

Walulis macht Satire über Fernsehen. Im Fernsehen. Wie die Medien selbst, so auch ihre Wissenschaft: Die Medien- und Kommunikationswissenschaften reden ebenfalls gerne über sich selbst. Das nennen Wissenschaftler Autologieproblem und bedeutet „Kommunikation über Kommunikation“. Was im Einführungswerk trockentheoretische Schachtelsätze sind, wird im Fernsehen über Fernsehen zu Unterhaltung, für die man sich hinterher nicht zu Schämen braucht.

Walulis, der Mann mit dem zungenbrecherischen Namen, ist Fernsehmacher – aber irgendwie auch Medienwissenschaftler. Denn er prüft, analysiert und seziert seinen Berufstand ganz genau. Damit folgt er Sendungen wie Switch (reloaded) und Kalkofes Mattscheibe, die schon seit Mitte der 90er dem täglichen Fernsehwahnsinn auf die Finger klopfen. Was neu ist bei Walulis ist die Verbindung von Sketch-Einlagen, die Sendungen gekonnt auf die Spitze treiben, und spaßigen, gleichzeitig aber interessanten Antworten auf die Frage: „Warum?“ Warum, zum Beispiel, schauen wir Hartz IV-TV schlechte Dokuserien, deren Wirklichkeitsgehalt man stark bezweifeln kann? Walulis gibt uns den Grund: Die Abwärtsversicherung. Wir wollen sehen,  dass andere Menschen ärmer, schussliger und dümmer sind als wir selbst.

Die Sketche brechen gerne die sogenannte Vierte Wand, das heißt, dass sich die Figuren ihrer Fiktionalität bewusst werden. Im Fake-Tatort unterhalten sich die flennende Kommissarin und der verraffte Kommissar über Charakterzeichung im Film: „Ich weiß, es bringt die Handlung nicht voran“, sagt sie, schniefend. „Außerdem nimmt es die Spannung raus“, mault er. Und sie: „Is aber wichtig für die Bindung an den Zuschauer.“ Und so sagt die Moderatorin in der von Walulis und Co. gedrehten, satirischen Dokusoap „Landwirt sucht Liebe“: „Es geht lediglich darum, sich an minderbemittelten Menschen zu ergötzen und – Quote natürlich.“

Die Medienkritik kam aber nicht mit Scripted Reality ins Fernsehen, sondern ist so alt wie die Massenmedien selbst. Bertolt Brecht warnte in Bezug auf das Radio schon vor 70 Jahren: „Man hatte plötzlich die Möglichkeit, allen alles zu sagen, aber man hatte, wenn man es sich überlegte, nichts zu sagen.“

Medienkritik – aber lustig

So unterhaltsam wie mit Walulis, Mattscheibe und Switch ist Medienkritik selten. Witz ist nichts, was es im deutschen Fernsehen zu viel gibt. Wenn Witz und Kritik zusammenkommen, schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Philipp Walulis sagt das der Süddeutschen so: „Ich will die Leute unterhalten und ihnen nebenbei ein bisschen Kritik unterjubeln. Nichts ist schrecklicher, als aktiv belehrt zu werden, mit erhobenem Zeigefinger. Eine Sendung muss Spaß machen, sonst bleibt keiner dran.“

Das lehrt uns zweierlei: Erstens: Die Deutschen sind ganz und gar nicht humorlos. Und Zweitens: Der stereotype, dumme Zuschauer ist nicht so weit verbreitet, wie große Fernsehstudios annehmen. Denn wie sonst lassen sich 300,000 Aufrufe des Tatort-Clips und im Schnitt 14 Prozent Marktanteil, also fast zwei Millionen Zuschauer bei der werberelevanten Zielgruppe, für switch reloaded erklären?

Denn satirische Fernsehsendungen, wie switch reloaded machen furchtbares Fernsehen wieder unterhaltsam, denn es gibt auch im Altbekannten viel Neues zu entdecken: Die FAZ schreibt : „Die Hingabe ihrer Macher an das von vielen verachtete, gegen seinen Bedeutungsverlust kämpfende Fernsehen hat durchaus etwas Altmodisches: Sie schauen so genau hin wie sonst fast niemand mehr.“ Denn ja: Fernsehen kann Spaß machen. Nur ernst nehmen sollte man das Programm nicht. Wem bei Diskussionen über den Zuckergehalt von Bioprodukten dennoch die Haare zu Berge stehen, der kann sich an den Kindermoderator Peter Lustig halten, der die beste Lösung für Fernseh-Probleme hatte: „Abschalten„.

Foto: flickr/Thomas Hawk (CC BY-NC 2.0)

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