Titelbild Rome

Blut und Dreck statt Brot und Spielen – Die Welt von HBOs Rome Part I

Mehrere Millionen Fernsehzuschauer faszinierte zwischen 2005 und 2007 die Serie Rome – die bis zur Ausstrahlung von Game of Thrones teuerste Serie. Doch ob mehr Geld auch eine höhere Authentizität der dargestellten historischen Ereignisse bedeutet, erfahrt ihr hier. In diesem Beitrag werden einzelne Szenen der 1. Staffel angesprochen; leichte Spoilergefahr.

von Marvin Gedigk

Es gab in dieser Legion zwei höchst tapfere Männer, Hauptleute, die dem ersten Rang nahe waren, Titus Pullo und Lucius Vorenus. Diese hatten untereinander beständig Streit, wer vor dem anderen den Vorzug verdiene, und stritten deshalb in allen Feldzügen aufs heftigste um den Vorrang […].

Gaius Julius Caesar. Commentarii de Bello Gallico 5.44

Wahre Bromance

Egal ob Sam seinen Herrn Frodo wieder durch die vertrockneten Ebenen von Mordor trägt; egal ob Leonard seinem Mitbewohner Sheldon wieder dabei hilft, das Leben außerhalb des Elfenbeinturms zu meistern; egal ob Chewbacca Han wieder vor einer Kompanie Sturmtruppen rettet – nur bei der von HBO und BBC produzierten Serie Rome habt ihr die Chance, Zeuge einer wahren Freundschaft zu werden. Die beiden Legionäre Titus Pullo und Lucius Vorenus sorgen, intrigieren und morden füreinander. Über die zwei Staffeln der Serie hinweg hat keine Frau, kein gefüllter Geldbeutel und keine Machtposition wirklich eine Chance, die beiden zu entzweien.

Titus Pullo erklärt seinem Freund Lucius Vorenus, wie er bei seiner Ehefrau punkten kann.

Dabei sind die Protagonisten keine rein fiktiven Charaktere, sondern finden tatsächlich Erwähnung in dem von vielen Lateinschülern übersetzen Werk De Bello Gallico. Der Autor Julius Caesar  beschreibt in der Passage, wie sie bei einer Belagerung abermals darum ringen, wer von ihnen der bessere Soldat sei. Mit wagemutigen Angriffen brachten sie sich ein ums andere Mal in Gefahr, um schließlich von dem anderen gerettet zu werden, welcher so selbst in Bedrängnis geriet. Nicht auszuschließen ist folglich, dass sich Titus Pullo und Lucius Vorenus im Zuge des Gallienfeldzuges aus Respekt vor den beiderseitigen Leistungen miteinander anfreundeten und tatsächlich zu jenen Männern wurden, die uns das Historienepos Rome präsentiert.

Für Caesar waren sie jedoch zunächst einmal Rivalen um das Amt des primus pilus – des ranghöchsten Centurio. Dieses Detail fehlt bei HBO, aber auch andere Details weichen von Caesars nun mehr 2000 Jahre alten Schilderungen ab: In der Serie Rome ist Pullo einfacher Legionär und kein von Caesar gelobter Centurio. Darüber hinaus gehören Pullo und Vorenus in der antiken Version einer nicht weiter definierten Legion an, wurden aber von den Serienproduzenten in die dreizehnte verlegt.

Warum diese Änderungen? Natürlich aus dramaturgischen Gründen, teilweise aber auch aus historischen. Für das Charaktergefüge und die spätere Plotentwicklung passt es zum einen besser, wenn die beiden Legionäre nicht denselben militärischen Rang bekleiden. Dennoch berücksichtigten die Drehbuchautoren die historischen Vorlagen, wie anhand der Legionszugehörigkeit deutlich wird: Und so sind die Protagonisten Teil der dreizehnten Legion, um zum anderen stets im Zentrum des Geschehens zu bleiben, was nur in dieser Konstellation möglich ist. Denn die Dreizehnte überschritt mit Caesar im Jahr 49 v. Chr. den Fluss Rubikon in Italien, verstieß damit gegen geltendes Recht (die Überschreitung kam einer Kriegserklärung an den Römischen Senat gleich) und löste so einen Bürgerkrieg aus (noch heute sprechen wir davon den Rubikon zu überqueren, wenn wir uns auf eine riskante Sache einlassen).

Unser Schlachtplan für Rome

Diese Haarspalterei sei gestattet, denn auch jene Medienprodukte, die mit einem großzügigen Budget und historischen Beratern höchste Authentizität zu versprechen scheinen, beinhalten „Fehler“. Fehler natürlich ganz im Sinne des aktuellen, sich stets wandelnden Forschungsstandes der Geschichtswissenschaften. Ein dramaturgischer Fehler wurde hier keinesfalls verursacht, wie ausgesprochen gute Kritiken und der ökonomische Erfolg der Serie zeigen.

Statt auf Kleinigkeiten herumzureiten, möchte ich das Augenmerk auf jene Stilmittel lenken, die die Produzenten genutzt haben, um die historischen Ereignisse der Römischen Bürgerkriege seriengerecht zu formen und damit für unser heutiges Empfinden nachvollziehbar zu machen:

  1. Ihre Werte und Glaubensvorstellungen sollen fremd wirken, um das Gefühl einer längst vergangenen Welt zu erschaffen, dürfen sich dabei aber nicht zu weit von den unseren entfernen.
  2. Lücken in ihrer Geschichte im antiken Stoff werden aufgefüllt, zu komplexe Teile bedingungslos zusammengestrichen. Und dennoch oder genau deswegen fühlt sich Rome authentisch an, weil es genau das richtige Maß findet zwischen historischer Wahrheit und unserer Vorstellung von der Zeit Julius Caesars. Dem kommt entgegen, dass das gesamte Rom des späten ersten Jahrhunderts vor Christus dargestellt wird. Was das heißen soll, verrate ich euch später.
  3. Abschließend möchte ich einen unter vielen anderen Aspekten positiv hervorheben: die militärische Ausstattung und Darstellung.

Entlang dieser Punkte möchte ich euch etwas weiter in die Welt des antiken Roms entführen und einige der grundlegenden Prozesse aufzeigen, die aus Rome eben keine Dokumentation, sondern eine handlungsbasierte Serie machen.

Der Reiz des Fremden – wohl dosiert

Auf die meisten Zuschauer – so auch auf mich – dürfte es äußerst imposant gewirkt haben, als Caesars Nichte Atia einen Stier über sich opfern ließ, um im Blut des sterbenden Tieres zu „duschen“  und die magna mater zu bitten, ihren Sohn Octavian auf seiner Reise nach Gallien zu beschützen. Weitere ebenso bildstark inszenierte Rituale finden sich immer wieder im Laufe der Serie. Sie dienen dazu, ein Gefühl von Fremdheit zu erzeugen und greifen im Falle der beschriebenen Opferung – gerade in Bezug auf die krasse Inszenierung – eher christliche, anti-pagane Polemik  aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. auf als die Realität darzustellen. Generell war die Religionsausübung des antiken Rom nicht so personenfokussiert wie es die Serie Rome darstellt:

Immer wieder werden – vor allem weibliche – Charaktere gezeigt, wie sie die verschiedenen Götter direkt um Hilfe bitten und so eine eher christlich geprägte Vorstellung des Publikums aufgreifen. Religion diente in der Antike aber auch der Repräsentation und der Stärkung der Gemeinschaft, weswegen viele Zeremonien im öffentlichen Raum durchgeführt wurden – unter anderem auch die Opferung eines Stieres für die magna mater.

Atia badet im Blut des Opferstieres.

Für den Zuschauer wirkt die dargestellte private Auslebung der Religion, vor allem das direkte Gebet an eine Gottheit, jedoch greifbarer, da sie sich besser mit den ihm bekannten Werten und Praktiken verbinden lässt und er durch die Zentrierung auf die Charaktere ein detaillierteres Bild ihrer Gefühlswelt erhält. Der Balanceakt für die Produzenten ist es folglich, eine fremde und damit interessante Welt zu gestalten, die sich aber nicht zu sehr von den Sehgewohnheiten des Publikums unterscheidet. Andernfalls wäre es für dieses zu anstrengend oder gar unmöglich, die Handlungen der Charaktere nachzuvollziehen. Die Zuschauer würden abschalten.

Dem Kapitalismus unterworfen

Eine Serie in dem Wissen zu produzieren, dass nur wenige Zuschauer erreicht werden, ist schlicht undenkbar, vor allem bei solch einem Budget (immerhin ~100 Millionen US-Dollar).  Der Einfluss unserer Gegenwart ist nicht zu unterschätzen und führt seit Anbeginn der Literaturproduktion immer wieder zu Reaktualisierungen nach dem Geschmack der jeweiligen Zeit. Dies ist auch in Filmen und Serien festzustellen, wie wir auch am Beispiel des Protagonisten Lucius Vorenus sehen werden. Mit seiner recht modernen Wertewelt steigen wir nächste Woche wieder ein, wenn wir uns erneut auf die Suche nach dem großen A begeben – aber auch die weiteren versprochenen Themen werden dann nochmals genauer unter die Lupe genommen. Bis dahin habt ihr die Möglichkeit, die anderen Einträge auf media-bubble.de zu lesen und/oder mir auf Facebook Feedback zu meinen Beiträgen zu geben.

Valete! – und bis nächste Woche zum zweiten Teil meines Rome-Beitrags.

 

 

Hier geht es zum ersten Beitrag der Serie „Die Suche nach dem Großen A“.