Uni Nottingham

Faszination Reiseblog – und wie sie mich ergriffen hat

Von Celine Lika

Es gibt zahlreiche Reiseblogs, die auf verschiedene Weise an Themen herangehen und einen jeweils anderen Fokus setzen. Auch mein Weblog Looking for More zum Studieren im Ausland gehört zu den Auslands- und Reiseblogs. Doch warum bloggen eigentlich so viele über ihre Auslandserfahrungen?

Essen, Mode, Gesundheit, Business, Fitness – Weblogs zu den unterschiedlichsten Themen sind so beliebt, dass erfolgreiche Blogger*innen das Bloggen zu ihrem Hauptberuf machen können. Besonders viele Blogs drehen sich ums Reisen. Das hat verschiedene Gründe, die auch mich dazu motiviert haben, während meines Semesters an der University of Nottingham zu bloggen.

 

Der Reiseblog – ein Publikumsliebling

Reiseblogs sind auch in Zeiten von Sozialen Medien wie Twitter oder Instagram weiterhin sehr beliebt. Wie kommt das? Was bieten diese Themenblogs ihrer Leserschaft, was Twitter und Instagram nicht können?

Snowdonia

Wetterfest eingepackt im walisischen Nationalpark Snowdonia. Foto: Celine Lika

Zunächst einmal: Unterhaltung. Laut Medienwissenschaftler Michael Klemm gehören „Reiseerzählungen seit jeher und in allen Kulturen zu den beliebtesten Gattungen“. Beim Lesen von Reiseblogs können wir vom heimischen Sofa aus die Welt entdecken. Wer meinen Auslandsblog liest, bekommt unter anderem einen ersten Eindruck von Edinburgh – ohne selbst dagewesen zu sein. So lassen wir uns zur nächsten eigenen Reise inspirieren. Grüne Wiesen, edle Herrenhäuser und mittelalterliche Städte – Wow, da will ich auch hin! Auch mein Blog soll Lust auf eine Reise machen, zum Beispiel auf mystische (und verregnete) Nationalparks.

Blogs helfen auch bei der Planung und Durchführung einer Reise: An welchem Instagram-Spot muss ich unbedingt Fotos machen? Was sollte ich in meinen Koffer packen? Welches ist das beste Hotel? Damit einher geht der Aspekt des Bewertens. „Top Lage und freundliche Angestellte – Ein Geheimtipp!“ Solche positiven Berichte von Bloggern*innen wirken glaubwürdiger als Bewertungen durch Reiseveranstalter. Plattformen wie Tripadvisor bauen ihre Einstufungen sogar komplett auf Konsumentenmeinungen und Blogs auf. So berichte ich zukünftigen Auslandsstudierenden auf meinem Blog von meinen Erfahrungen in einem englischen Studentenwohnheim.

Blog England

Super kitschig und super lecker: Afternoon Tea in einem schottischen Café in Nottingham. Foto: Celine Lika

Außerdem liefern Reiseblogs Hintergrundinformationen, zum Beispiel zur Geschichte des Urlaubsorts oder kulinarischen Spezialitäten. Leser*innen meines Blogs kommen nicht um den typisch englischen Afternoon Tea herum – eins meiner Lieblingsdinge in England.

Schließlich auch ganz wichtig: Viele Blogs haben sich auf einen Aspekt spezialisiert. Travel Babbo bloggt beispielsweise über Familientrips und Pink Compass richtet sich an allein reisende Frauen. Eine klar definierte Leserschaft findet auf dem entsprechenden Reiseblog genau das, was sie interessiert.

Blog

Der Begriff „Blog“ kommt von „Weblog“ – Kreuzung aus „world wide web“ und „log“ („Logbuch“).

Im Blogging-Fieber

Spezialisierung sorgt zudem dafür, dass ein Blog nicht in der Masse untergeht. So habe auch ich für meinen Weblog Looking for More ein Nischenthema gewählt: Studieren im Ausland. Während meines Semesters an der University of Nottingham im Winter 2019/20 veröffentlichte ich insgesamt zehn schriftliche und bebilderte Beiträge. Diese verknüpfen meine persönlichen Erfahrungen in England mit ausgewählten Kernkonzepten zum Auslandsstudium.

Meine Postings beziehen sich auf verschiedene Studien. Sie untersuchen die Auswirkungen eines Auslandsstudiums und damit verbundene psychologische Phänomene. Dazu gehören beispielsweise der anfängliche Kulturschock, das Eintauchen in eine fremde Kultur (cultural immersion) und interkulturelle Kompetenz. Dabei bauen die Studien auf verschiedenen theoretischen Konzepten auf, zum Beispiel dem erfahrungsbasierten Lernen oder der Contact Hypothesis, nach der Kontakt zu bestimmten Personengruppen Vorurteile diesen gegenüber reduziert. Diese wissenschaftliche Spiegelung von eigenen Erfahrungen unterscheidet Looking for More vom typischen Reiseblog.

Warum bloggen Blogger*innen?

Mich motiviert vor allem meine Freude am Schreiben. Ich schreibe besonders gerne in meinem eigenen Schreibstil, also zum Beispiel nicht erzwungen akademisch wie bei Hausarbeiten. Daher war mein Auslandsblog die perfekte Möglichkeit, „einfach draufloszuschreiben“. Außerdem habe ich mit Looking for More nun ein Andenken an eine großartige Zeit. Da Reiseblogger*innen ihre Erinnerungen in ihren Weblogs festhalten, bloggen sie nicht nur für ihr Publikum, sondern auch für sich selbst.

Auslandsblogs richten sich außerdem an noch jemand anderen als das große, unbekannte Publikum: an die Lieben, die man daheim zurücklässt. Mit meinem Blog konnte ich meine Familie und Freunde auf dem Laufenden halten. Das fasst Michael Klemm unter dem Begriff „Beziehungspflege“ zusammen. Durch Looking for More konnte ich meine Kommilitone*innen – potenzielle Auslandsstudierende – an meinen Erfahrungen teilhaben lassen. Zum Beispiel hatte ich zwei Sprachtandem-Partnerinnen und kann das zum Fremdsprachenlernen sowie Anschluss finden unbedingt weiterempfehlen.

Reisende werden zudem durch ihre Blogs zur Selbstreflexion angeregt. Dadurch nehmen sie mehr von ihren Erlebnissen im Ausland und ihrem Aufeinandertreffen mit anderen Kulturen mit. Sind solche Persönlichkeitsentwicklungen wirklich komplett authentisch? Fraglich. Blogs sind nämlich ideale Plattformen für inszenierte Selbstdarstellung (vgl. Klemm 2016). Ich persönlich habe allerdings auf jeden Fall von der Selbstreflexion beim Bloggen profitiert. Häufig machte mir erst das Erstellen eines Beitrags klar, was ich alles gelernt und gewonnen habe.

Schließlich auch ein Anreiz für viele Reiseblogger*innen: Es zahlt sich aus. Werbebanner, Hoteltester, Produktplatzierung – Bloggen kann jede Menge Geld einbringen. Selbst bei privaten Reiseblogs gibt es laut Medienwissenschaftler Michael Klemm den „Trend zur Semiprofessionalität und wachsenden Kommerzialisierung“. So würden viele ihre Plattform als „Sprungbrett für Karrieren, Vortragsreisen und Bücher“ nutzen. Der Wunsch nach Honorierung ist verständlich, da Bloggen viel Arbeit bedeutet. So habe sogar ich als Hobby-Bloggerin ungefähr zwei bis drei Stunden für einen Beitrag gebraucht.

Ein Blog – viele Möglichkeiten

Und warum bietet sich da gerade das Medium Weblog an? Zum einen macht ihn sein digitales Format so attraktiv. Im Bus auf dem Weg zur Uni, in der Mittagspause, kurz vorm Einschlafen im Bett – ein Blog ist online, jederzeit und von überall abrufbar und die Ansicht lässt sich speziell auf Mobilgeräte wie das Smartphone anpassen. So habe ich für Looking for More eine zusätzliche Mobilversion des Designs eingerichtet.

Eine weitere praktische Eigenschaft von Blogs: die Kommentarfunktion. Dadurch tauschen sich Blogger*innen mit ihrer Community aus, können schnell auf ihre Wünsche reagieren und Nähe zu ihren Lesern*innen aufbauen. Das macht Blogs authentisch.

Für Authentizität sorgt auch der persönliche, Tagebuch-artige Charakter des Medienformats, das sich ganz individuell gestalten lässt. Beim Bloggen war mir dieser Eindruck von Nähe zu meinen Lesern wichtig, um meine persönlichen Erfahrungen mit anderen zu teilen.

Das Blogformat eröffnet des Weiteren die Möglichkeit der Multimodalität, da sich unter anderem Bilder und Videos integrieren lassen. Auf Looking for More vermitteln meine privaten Fotos mehr Eindrücke von England, während Memes wissenschaftliche Inhalte auflockern.

Ein großes Publikum unterhalten, über gemachte Erfahrungen nachdenken und im besten Fall das Hobby zum Beruf machen – Reiseblogs sind eine großartige Möglichkeit, mehr aus Auslandsaufenthalten zu machen. Mein nächster Blog kommt jedenfalls ganz bestimmt – Deiner auch?

Quelle:

Klemm, M. (2016): Ich reise, also blogge ich.