Chicks on Boards – Ein Interview mit Filmemacherin Dörthe Eickelberg
Von Anna Möhrle
Das Meer kennt keine Grenzen. Gemäß diesem Motto ist Dörthe Eickelberg um die Welt gereist, um mit Frauen aus verschiedenen Kulturen zu surfen. Das Besondere an ihnen: Sie stellen sich Tag für Tag auf ein Surfbrett, obwohl ihre Gesellschaft, Tradition oder Religion das nicht akzeptiert. Bei dem Screening ihres Films in Tübingen verrät uns Dörthe die Besonderheiten und Herausforderungen der Drehtage, wie sie die Protagonistinnen kennen gelernt hat und warum dieses Projekt ihr Herzensprojekt ist.
Denkt man ans Surfen, denkt man direkt an das Stereotyp des coolen, braungebrannten Sunny-boys, der mit seinem Surfboard ins Meer paddelt und eine Welle nach der anderen reitet. Doch wo sind in diesem Bild die Frauen? Generell findet man sie eher vereinzelt in den Surf-Sets im Meer – und dann gibt es noch Länder, da findet man sie so gut wie gar nicht auf den Surfboards. Als Dörthe Eikelberg das auffällt, wusste sie, sie hat eine Mission: mit den Rebellinnen des Wellenreitens sprechen und herausfinden, was die Bewegung der Rebellinnen über ihre Gesellschaft aussagt.
„Surfing is more than a sport. It’s a movement.“
Nach diesem Motto zieht Dörthe Eickelberg also los in die Welt, um mit Frauen dieser Bewegung surfen zu gehen. So kämpft sie sich mit Aneesha für ihre Wettkampfvorbereitung durch die Wellen, begeht mit Suthu in Südafrika deren besondere Abkürzung in die Wellen, bezwingt mit Big Wave Surferin Paige ihre ersten Riesenwellen auf Hawaii, geht mit der ersten englischen Surferin Gwen den Wurzeln des Surfens auf den Grund und begibt sich mit Sabah ihr vielleicht letztes Mal in die Wellen. Was sich bis jetzt wie eine Doku-Serie über den Surfsport anhört, ist auf den zweiten Blick viel mehr als nur das. Es ist eine leichtfüßige und emotionale Serie über den Umgang unserer heutigen weltweiten Gesellschaft mit Frauen.
Dörthe Eickelberg, bekannt aus der TV-Wissensendung Xenius (Arte), ist Moderatorin, Regisseurin, Kabarettistin. Und eben auch Surferin. Das Surfen erlernte sie durch einen Crashkurs für eine Xenius Sendung über Energiewellen in Südfrankreich und konnte seitdem nicht mehr von diesem Sport lassen. Aber wie ist sie auf die Idee gekommen darüber einen Film zu drehen?
Warum wolltest du diese Serie drehen?
Für Dörthe ist Surfen eben wirklich nicht nur eine Sportart, sondern eine Bewegung. Über diesen visuellen Sport bekommen wir Zuschauer die Möglichkeit, in eine unzugängliche, fremde Welt einzutauchen und Protagonistinnen zu treffen, die sich in anderen Lebenswirklichkeiten bewegen. Diese Protagonistinnen lösen mit ihrer Surfbewegung Diskussionen in ihrer unmittelbaren Umgebung aus und pflastern dadurch Schritt für Schritt den Weg zur Veränderung. Dabei gibt es wahrscheinlich sehr viele interessante Surferinnen. Wie hat Dörthe unter all ihnen ihre Protagonistinnen ausgewählt?
Wie bist du auf die Protagonistinnen gekommen?
Es gibt Dokumentarfilme, bei denen der Filmemacher in eine Beobachterrolle schlüpft. Man sieht nur die Protagonisten, möglichst neutral und objektiv. Bei Chicks on Boards steht Dörthe mit den Protagonistinnen mit vor der Kamera, ist aber dennoch keine Moderatorin, auch wenn der Zuschauer dies von Xenius gewohnt wäre. Vielmehr fungiert sie in dieser Doku-Serie als Erzählfigur, als handelnde Protagonistin, die den Zuschauer an die Hand nimmt und durch die verschiedenen Welten und Folgen führt. Warum war es Dörthe überhaupt wichtig, mit vor der Kamera zu stehen?
Warum stehst du mit vor der Kamera?
Dörthe erzählt das Leben der Protagonistinnen einfühlsam und authentisch. Doch darüber wie man authentisch dokumentarisch einen Film dreht, lässt sich streiten. Manche Filmemacher inszenieren Dokumentarfilme regelrecht, andere greifen nicht ins Geschehen ein und beobachten einfach, was passiert. Wie ist Dörthe beim Dreh herangegangen? Inwiefern war es abgesprochen, was vor der Kamera gesprochen und getan wird?
Was ist geplant, was nicht?
Dörthe war davor schon mit allen Protagonistinnen surfen, hat mit ihnen abgesprochen, was vor der Kamera gezeigt und besprochen werden sollte und hat die verschiedenen Länder vorab bereist. Auch als Moderatorin von Xenius und Kabarettistin ist sie es gewohnt, mit ungewohnten Situationen umzugehen. Dennoch gleicht ein Dreh im fremden kulturellen Umfeld und unter sportlichen und damit komplizierten Bedingungen einem kaum kalkulierbaren Abenteuer. Mit was hat Dörthe dabei nicht gerechnet? Was war ihr größtes Überraschungsmoment?
Dein größtes Überraschungsmoment?
Chicks on Boards wurde von der Filmproduktionsfirma Labo M. in Kooperation mit Arte und zusätzlich durch eine Filmförderung des Medienboards Berlin-Brandenburg realisiert. Dennoch kamen dadurch nicht Unsummen an Budget für so etwas Aufwendiges wie einen Surf-Film heraus. Denn das Team musste an die unterschiedlichsten Orte reisen und an ungewöhnlichen Orten drehen. Wie ist das Team um Dörthe mit technischen Herausforderungen aller Art trotz des begrenzten Budgets umgegangen? Was für Herausforderungen mussten sie sich stellen?
Was waren die technischen Herausforderungen?
Alle porträtierten Protagonistinnen teilen das gleiche Schicksal. Ihr Umfeld möchte nicht, dass sie surfen. Ihre Gesellschaft akzeptiert sie nicht, manche wollen sogar, dass sie mit dem Surfen aufhören. Tatsächlich verschwindet Sabah nach ihrer Hochzeit von der Bildfläche und hört aus gesellschaftlichen Zwängen auf zu surfen. Diese Einschränkungen, die diese Frauen erleben, sind für Frauen in der westlichen Welt kaum mehr vorzustellen. Was würde Dörthe als passionierte Surferin tun, wenn sie nicht mehr surfen gehen dürfte?
Was würdest du tun, wenn man dir das Surfen wegnehmen würde?
Aneesha, Suthu, Paige, Gwen und Sabah. Das sind fünf Frauen dieser noch größeren Surfbewegung. Das Surfen beeinflusst ihr ganzes Leben und sie beeinflussen durch das Surfen ihre Gesellschaft. Mit Sicherheit verändern all diese Frauen die Surfszene und letztendlich auch die Welt der Frauen, sodass sich hoffentlich immer mehr Frauen dieser Bewegung anschließen – denn das Meer kennt keine Grenzen.