Fifty Shades of Grey & co

– wie die Darstellung weiblicher Sexualität in Medien Frauen unter Druck setzt

Von Theresa Hoff

Sex ist für die meisten Menschen etwas ganz Natürliches und Schönes. Die Zeiten, in denen er nur der Fortpflanzung diente, sind vorbei und das wird auch in Filmen, Serien und Büchern deutlich. Dort wird uns ein Bild von Lust, Leidenschaft und Erotik präsentiert, das nahezu an Perfektion grenzt. Allerdings kann das besonders für Frauen zu einer Belastung werden und ihnen Ideale vermitteln, denen sie nicht gerecht werden können. Denn anstatt auf den eigenen Körper und die eigenen Bedürfnisse beim Sex zu achten, versuchen viele Frauen diesem Ideal nachzueifern.

Disclaimer:

In diesem Artikel geht es vorwiegend um cis-Frauen. Damit soll jedoch nicht vermittelt werden, dass nur Frauen eine Vagina bzw. Vulva haben und dass jede Frau eine Vagina bzw. Vulva hat.

Inwiefern helfen Medien dabei, die weibliche Sexualität zu kontrollieren?

Bestimmt hat jede*r von euch schon einmal einen Porno oder zumindest Sex in einem Film oder einer Serie gesehen. Spätestens seit „Fifty Shades of Grey“ sind Sex und Erotik auch in den Massenkonsummedien angekommen. Auch in großen Serienerfolgen auf Netflix, wie „Bridgerton“ und „Elite“ werden mittlerweile sexuelle Handlungen gezeigt. Man versucht, das Thema aus den dunklen Ecken und hinter den hervorgehaltenen Händen hervorzuziehen, hinter denen es bis dahin diskutiert wurde. So weit so gut, schließlich ist Sex eine ganz natürliche Handlung und so könnensich junge Menschen auch außerhalb des oft mangelhaften Sexualkundeunterrichts genug Wissen aneignen.

Leider geht mit dieser Enttabuisierung von Sexualität ein anderes Problem einher, nämlich die oft einseitige oder fehlende Darstellung der weiblichen Sexualität. Masturbation? Fehlanzeige! Stattdessen werden Frauen gezeigt, die alles tun, um dem Mann Vergnügen zu bereiten. Dabei wird nur wenig auf die Bedürfnisse der Frauen eingegangen. In all diesen Filmen und Serien erlebt die Frau dennoch einen Orgasmus. Dabei geht es aber nur zweitrangig darum, zu zeigen, dass Frauen Sex genießen, sondern es dient als Bestätigung des Mannes und seiner Fähigkeiten. Diese Darstellungen treffen aber meist nur auf einen kleinen Teil der Frauen zu, da in den Medien, die von den meisten Menschen konsumiert werden, jedoch nur wenige alternative Darstellungen zu finden sind, wird sie allgemeingültig. Dass die Frau zudem sehr schlank und durchtrainiert ist, steht natürlich außer Frage. Diese Darstellung hat wenig mit der durchschnittlichen Realität zu tun und kann dazu führen, dass unser eigenes Sexleben und insbesondere das der Frauen darunter leidet.

Doch warum wird die weibliche Sexualität so wenig beachtet? Nina Brochmann, Ärztin und eine der Autorinnen von „Viva la Vagina“ hat in einem Zeitinterview eine Erklärung dazu abgegeben. Sie meint, dass in den meisten Kulturen nach wie vor versucht würde, die weibliche Sexualität zu kontrollieren. Der Grund dafür läge in den Anfängen der Menschheitsgeschichte. Sie argumentiert: „Weil Männer sich evolutionär gesehen nie sicher sein konnten, ob sie wirklich der Vater eines bestimmten Kindes sind und weil es aufwendig ist, ein Menschenbaby großzuziehen, war es schon für Steinzeitmänner wichtig, sicherzustellen, dass nur sie das Kind gezeugt haben können.“ Diese Erklärung ist mit Blick auf die Gesellschaft einfach nachzuvollziehen. So erleben Frauen oft Geringschätzung, bei einer vermeintlich zu hohen Anzahl an Sexualpartner*innen auch „slutshaming“ genannt. Sexuelle Erregung und Lust werden in der Gesellschaft oft als „männlich“ angesehen, bei Frauen ist zu viel davon jedoch verpönt. Diese Paradigmen spiegeln sich auch in den Medien wider. Da sie aber zu einem großen Teil unsere Wahrnehmung und unser Verhalten beeinflussen, tragen Medien häufig dazu bei, die weibliche Sexualität zu kontrollieren.

Jede Frau erlebt Sex auf eine andere Art

Allgemein gilt, dass der Körper jeder Frau individuell ist und dadurch auch andere Bedürfnisse hat. Es gibt unheimlich viele Varianten weiblicher Sexualität, nämlich so viele, wie es Frauen gibt. Selbstverständlich gibt es einige Frauen, die sich in der medialen Darstellung weiblicher Sexualität wiederfinden. Jedoch sind das nicht die Mehrheit und viele fühlen sich dadurch unter Druck gesetzt. Aber was ist überhaupt so schädlich an dem vermittelten Bild weiblicher Sexualität? Erst einmal nichts, aber es ist sehr einseitig.

Die weibliche Sexualität ist oft sehr viel komplexer als bloße Rein-Raus-Penetration und nach ein paar Minuten ein Orgasmus. Zum einen brauchen Frauen im Durchschnitt länger als Männer, um zum Orgasmus zu kommen. Zum anderen haben nur 50% der Frauen bei dieser Form von Sex einen Orgasmus. So schreiben auch die Autorinnen Nina Brochmann und Ellen Støkken Dahl in ihrem Buch „Viva la Vagina“, dass die Chancen bei Frauen auf einen Orgasmus steigen, je mehr Hände und Zunge involviert sind. Jedoch können auch nicht alle Frauen zum Orgasmus kommen und etwa 5–10% der Frauen hatten noch nie einen Orgasmus. Zudem gaben in einer britischen Studien 21% der 16–24-jährigen Frauen an, dass sie Mühe haben, beim Sex zum Orgasmus zu kommen. Wir sehen also, dass Orgasmen gar nicht so selbstverständlich sind, wie sie oft dargestellt werden. Der Begriff „Orgasm Gap“ bezeichnet somit das ungleiche Verhältnis von Orgasmen zwischen Männern und Frauen.

Doch das liegt nicht daran, dass Frauen generell weniger dazu in der Lage sind, einen Orgasmus zu bekommen. Das lässt sich gut daran erkennen, dass ein größerer Anteil lesbischer Frauen zum Höhepunkt kommt, nämlich 75%. Allerdings liegt in der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Fokus auf dem männlichen Orgasmus. So geben sich viele Frauen damit zufrieden, einen Orgasmus vorzutäuschen, aus Scham, mit dem Partner darüber zu reden und ihr „Recht“ darauf einzufordern.

Masturbation könnte da helfen, um ein besseres Gefühl für den eigenen Körper zu bekommen und zu wissen, was einem gefällt. Allerdings ist weibliche Masturbation in der Gesellschaft noch weitestgehend ein Tabuthema und auch in Filmen und Serien findet sie wenig Aufmerksamkeit. Ein Bericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2015 gibt an, dass im Alter von 18 Jahren erst 44% der Mädchen masturbiert haben, während fast doppelt so viele Jungen in diesem Alter Erfahrungen mit Masturbation gemacht haben. Oft wissen Mädchen nicht, wie und wo sie sich anfassen müssen. Außerdem vermittelt ihnen die Gesellschaft und die Medien als deren Sprachrohr, dass sich so viel sexuelle Lust für Frauen nicht gehört.

Was bedeutet diese Darstellung für Frauen?

Gerade junge Frauen können sich von dieser verzerrten Darstellung unter Druck gesetzt fühlen. Dadurch, dass sie häufig auf die Befriedigung des Mannes ausgelegt ist und seine Bedürfnisse zeigt, weckt sie bei jungen Frauen besonders am Anfang ihres Sexuallebens das Gefühl, sie müssten dieBedürfnisse ihres Partners erfüllen, statt auf die eigenen zu achten.
 

Nicht jede Frau erlebt Sex auf dieselbe Art und Weise. Medien vermitteln allerdings ein sehr einseitiges Bild, dem besonders junge Frauen nacheifern. Bild: Pexels.

 
Ein weiterer, beinahe noch problematischerer Aspekt dieser Darstellung ist, dass Schmerzen beim Sex nur wenig thematisiert werden. Durch Filme und Serien gewinnt man den Eindruck, dass Frauen durch einfachen Sex jedes Mal in den siebten Himmel katapultiert werden. Frauen die dabei Schmerzen verspüren, egal ob durch sexuelle Funktionsstörungen wie Vaginismus oder Krankheiten wie Endometriose, werden kaum gezeigt. Das kann zur Folge haben, dass Frauen die Schmerzen ertragen, aus Angst, darüber zu sprechen und das Problem bei sich selbst suchen. Ähnlich sind die Folgen, wenn es um die Darstellung des weiblichen Orgasmus geht. Nicht alle Frauen erleben ihn, trauen sich aber oft nicht, das anzusprechen. In Filmen und Serien werden keine alternativen Wege gezeigt, wie Frauen zum Orgasmus kommen können, sodass einige Frauen den Fehler bei sich suchen. Dabei können schon andere Sexpositionen, wie die CAT-Position oder Sexspielzeug helfen. Auch Masturbation kann helfen, die eigenen Bedürfnisse besser kennenzulernen, doch für Frauen gilt es oft noch als schambehaftet, sich selbst zu berühren. Grundsätzlich gesehen prägen Medien zu einem großen Teil unsere Sicht auf die Welt und die gesellschaftliche Debatte. Was in den Medien kaum oder nur einseitig dargestellt wird, findet dementsprechend auch nur wenig Platz darin. Das schadet besonders den Frauen, die dadurch den Eindruck bekommen, ihr Körper und ihre Sexualität wären ein Tabuthema oder sie orientieren sich an einer einseitigen Darstellung, der sie oft nicht gerecht werden können. Das führt dazu, dass besonders junge Frauen anfangs weder ihren Körper noch ihre Grenzen ausreichend kennen.
 
Es ist jedoch Hoffnung in Sicht, da diese Problematik auch immer mehr Aufmerksamkeit in Film-und Fernsehproduktionen oder auf Social Media z.B. in dem Format „Auf Klo“ findet. Besonders erfrischend ist es somit, wenn in Serien wie „Sex Education“ offen über Unsicherheiten, weibliche Masturbation und Vaginismus geredet wird. Da gibt es keinen perfekten und heißen Sex, sondern nur Teenager*innen, die versuchen, mit genau diesem Druck umzugehen, wobei auch mal so einiges schief geht. Auch die polnische Serie „Sexify“ gehört für mich in die Rubik „erfrischend ehrlich“. Darin geht es um drei junge Frauen, die versuchen, den weiblichen Orgasmus mithilfe einer App zu optimieren und dabei auf viele gesellschaftliche Widerstände stoßen. Solche Serien könnten helfen, in der Gesellschaft ein differenzierteres Bild weiblicher Sexualität zu vermitteln.

Quellen:

 
  • Bode, Heidrun, Heßling, Angelika (2015): Jugendsexualität 2015. Die Perspektive der 14-bis 25-Jährigen. Ergebnisse einer aktuellen Repräsentativen Wiederholungsbefragung. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
  • Brochmann, Nina/ Dahl, Ellen (2018): Viva la Vagina.Frankfurt am Main: Fischer Verlag GmbH.
  • Frederick, David/ Garcia, Justin/ Lloyd, Elisabeth/ St. John, Kate (2017): Differences in Orgasm Frequency Between Gay, Lesbian, Bisexual, and Heterosexual Men and Women in a U.S. National Sample.Chapman University.
  • Harms, Wiebke (2018): „Die Vagina hat noch einen lange Weg vor sich“. In: Zeit Campus. Online: https://www.zeit.de/campus/2018-03/weibliche-sexualitaet-vagina-orgasmus-aufklaerung-interview(zuletzt geprüft am 17.05.2021)