Greenwashing im Supermarkt

Von glücklichen Kühen und Siegeln, die selten halten, was sie versprechen

Wie oft standest du schon vor einem Supermarktregal, ein Produkt in der Hand, und hast dich gefragt, was die Siegel auf der Verpackung eigentlich wirklich versprechen? Oder wo das Produkt denn genau herkommt, wenn vorne in großen grünen Buchstaben „regional angebaut“ draufsteht? Ist mit „regional“ der Landkreis gemeint? Oder das Bundesland? So ganz genau verraten einem die Hersteller dann doch nicht, was sie jetzt eigentlich genau meinen mit ihrer Aussage. Aus Versehen passiert das aber meistens nicht.

Mindestens einmal die Woche verbringen wir –manchmal mehr, manchmal weniger –Zeit im Supermarkt unseres Vertrauens. Dort warten zu jeder Zeit normalerweiseum die 40.000 Produkte auf uns. Allein dieses Übermaß an ständig verfügbarem Angebot sollte uns Verbraucher:innen schon etwas stutzig machen. Zwar ist Nachhaltigkeit in den letzten 15-20 Jahren in den Köpfen vieler Menschen angekommen und beeinflusst auch aktiv das Konsumverhalten, doch gerade im Supermarkt wird es uns Kund:innen fast unmöglich gemacht, Versprechen im Siegelwald der Unternehmen zu sehen, denen man Glauben schenken kann.

„Die Umweltzerstörung ist kein vermeidbarer Kollateralschaden, keine Tragödie, sondern Kernbasis des Profits.“

Im ersten Artikel dieser Reihe wurde bereits über Greenwashing in der Fast-Fashion-Branche gesprochen. Genauso allgegenwärtig ist Greenwashing in der Lebensmittelindustrie. Im Gegensatz zu einigen wenigen Bio-Siegeln auf Kleidungsstücken werden wir im Supermarkt von ähnlichen Siegeln fast schon überflutet. Die meisten Verpackungen seien entweder (teilweise) aus recycelten Materialen oder können nach Benutzung recycelt werden (was nicht automatisch heißt, dass das auch passiert). Außerdem sieht alles sehr umweltfreundlich aus. Ummantelungen aus Papier und Pappe mit vielen „grünen Bildern“ auf der Vorderseite. Milch soll von glücklichen Kühen stammen und das Ferkel auf der Schnitzelverpackung grinst uns sogar an.

Doch viele dieser Versprechen halten nicht mal einer Kurzrecherche während des Einkaufs mit dem Smartphone stand. Siegel, die nicht staatlich geprüft und reguliert werden, können Konzerne in Hülle und Fülle auf ihre Produkte drucken. Es ist auch möglich, selbst welche zu erfinden. Und, dass Kühe und Schweine allein schon aus wirtschaftlichen Gründen eher in engen Stallungen hausen müssen und in den allerseltensten Fällen auf einer weitläufigen Weide, sollte mittlerweile wohl den meisten bekannt sein.

Mülltrennung 101:

Wer sich nicht sicher ist, wann die Verpackung in den „Gelben Sack“ oder die Papiertonne muss, sollte Ausschau nach dem „Grünen Punkt“ halten. Dieser weist auf Verbundstoffe hin, die unbedingt in den „Gelben Sack“ gehören.

Begriffe wie „regional“ und „nachhaltig“ sind nicht definiert und haben keine gesetzliche Grundlage. Das „Bio-Siegel“ ist zwar staatlich reguliert, sagt aber weder etwas über Arbeits- oder Haltungsbedingungen noch über die Prozesse, mit denen die Lebensmittel hergestellt werden, aus. Auch die vermeintlich nachhaltigen Verpackungen können tückisch sein. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat beispielsweise festgestellt, dass der „Altpapier-Look“ oft zur Folge hat, dass gerade Getränkekartons falsch entsorgt werden. Hergestellt aus Verbundstoffen müssen sie in den „Gelben Sack“, um überhaupt eine Chance zu haben, recycelt zu werden. Oft landen sie aber im Papiermüll. Mehr zu Greenwashing bei Verpackungen gibt es im dritten Artikel der Serie.

Eine weitere Masche der Lebensmittelkonzerne nennt sich „Werbung mit Selbstverständlichkeit“. Hier werden Merkmale eines Produkts hervorgehoben, die für die Hersteller bereits gesetzlich verpflichtend sind. Doch die wenigsten Konsument:innen kennen sich so gut mit der Materie aus, dass solche leeren Versprechungen auffliegen. Einige Leser:innen fragen sich jetzt vielleicht: Warum? Wie in der Modeindustrie liegt auch bei den Lebensmittelkonzernen der Fokus auf Gewinnmaximierung. Plump gesagt: Man will Geld verdienen. Und das mit dem geringsten Kostenaufwand möglich.

Kathrin Hartmann, Journalistin, Autorin und Filmemacherin, schreibt in ihrem Buch „Die grüne Lüge. Weltrettung als profitables Geschäftsmodell“ einen Satz, der sich nur schwer verdauen lässt: „Die Umweltzerstörung ist kein vermeidbarer Kollateralschaden, keine Tragödie, sondern Kernbasis des Profits.“ Die kleinen grünen Bildchen im Supermarkt sind also nur das Endprodukt eines eigentlich schon perfiden Vorgehens, Verbraucher:innen absichtlich hinters Licht zu führen, um Verfahren beibehalten zu können, die den Planeten immer weiter zerstören und Mensch und Tier ausbeuten. Ein bekanntes Verfahren ist die Rodung des Regenwalds, um dort zum Beispiel Palmölsetzlinge zu pflanzen. Auch die verheerenden Auswirkungen der Massentierhaltung auf die Umwelt stehen seit langem in der Kritik.

Es wird immer eindeutiger, dass der Planet aus dem Gleichgewicht gerät. Das Wetter wird spürbar extremer und das auch in Regionen, die bislang verschont geblieben sind. Bild: ArtHouse Studio, pexels

Die Auswirkungen auf den Planeten, das Klima und die Menschen sind verheerend und mittlerweile sogar im globalen Norden spürbar. Allein in 2021 haben wir in den verschiedensten Regionen mit oft nie dagewesenen Wetterextremen zu kämpfen. In Kanada wurden im Sommer 2021 Temperaturen um die 50 Grad Celsius gemessen, während Deutschland mit sintflutartigen Regenfällen zu kämpfen hat. In Madagaskar droht der Bevölkerung eine Hungersnot wegen einer andauernden Dürreperiode und in Japan wurde durch Starkregen ein Erdrutsch ausgelöst.

„Warum ist das erlaubt?“

Diese Querverbindungen sind für die Konsument:innen während dem Wocheneinkauf erstmal unsichtbar. Wer denkt schon über Wetterextreme nach, während man an der Gemüsetheke Salatköpfe miteinander vergleicht. Alle versuchen, gute Deals zu machen und die Kosten weitgehend gering zu halten. Doch die eigentliche Frage ist: Warum ist diese absichtliche Verwirrung der Kundschaft überhaupt erlaubt? Wieso gibt es keine Richtlinien, keine Gesetze, die es den Konzernen schwerer machen, ihre Greenwashing-Kampagnen zu fahren?

Die Politik schaut zu und einzelne Individuen oder Parteien verdienen sich bei Kooperationen mit den Großkonzernen sogar noch ein goldenes Näschen. Diese riesige Verantwortung sollte nicht allein beim Konsumierenden liegen. Wir sollten nicht dafür verantwortlich gemacht werden, die „bessere Entscheidung“ zu treffen. Vor allem wenn sie meist nur auf den ersten Blick besser aussieht. Auch Kathrin Hartmann bemängelt die fehlende Initiative der Politik. Sie glaubt, dass das Greenwashing der Konzerne ein riesiges Hindernis ist, weil es suggeriert, dass doch alles bleiben kann, wie es ist. Die Hersteller wissen um die Unwissenheit und auch Hilflosigkeit der Konsument:innen und wir werden mit dem Gefühl zurückgelassen, sowieso keinen Einfluss zu haben. Es gibt jedoch ein paar Hilfsmittel, die wir beim Einkauf heranziehen können, um ein wenig mehr Durchblick zu bekommen.

Die Zusammenhänge zwischen unserem Wocheneinkauf und dem Klimawandel sind oft schwer zu erkennen. Genauere Richtlinien für die Konzerne könnten helfen, den „Siegelwald“ etwas durchschaubarer zu machen. Bild: Uriel Mont, pexels

Mit Apps wie dem „NABU Siegel-Check“ oder „Code Check“ lassen sich Siegel oder der Barcode auf dem Produkt scannen und wir erhalten in wenigen Sekunden Infos, die uns bei unserer Entscheidung helfen können. Auch über problematische Inhaltsstoffe, wie zum Beispiel Palmöl, wird aufgeklärt. Was wir außerdem tun müssen, und das hat in den letzten Jahren bereits vermehrt stattgefunden, ist die Verantwortung der Politik einzufordern. Sich zu informieren, ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Aber ohne eindeutige Richtlinien durch den Gesetzgeber kann den Machenschaften der Großkonzerne oft kein Riegel vorgeschoben werden. Und genau hier liegt die Krux.

Das Greenwashing wiegt uns in vermeintlicher Sicherheit, dass wir gute und nachhaltige Entscheidungen treffen, während die Hersteller am anderen Ende der Welt Regenwälder abholzen und Menschen ausbeuten. Vor dem Endverbrauchenden wird das mehr oder weniger gut verborgen. Doch wenn wir wirklich an die kommenden Generationen denken und den bereits fortschreitenden Klimawandel zumindest eingrenzen wollen, müssen Klimaziele ehrgeiziger gesetzt werden. Leere Floskeln der regierenden Parteien und Zusammenarbeiten mit Konzernen wie Nestlé und Co. dürfen in Zukunft keinen Platz mehr haben.

„Wir müssen die Politik zur Verantwortung ziehen und fordern, dass Worten Taten folgen.“

Klimaaktivist:innen machen lautstark aufmerksam auf die drohende Klimakatastrophe. Je früher wir handeln, desto geringer werden die Folgen sein –für uns und vor allem fürkommende Generationen. Bild: Markus Spiske, pexelsMit den Greenwashing-Logos wird uns beim Einkauf ein gutes oder schlechtes Gefühl vermittelt. Natürlich fühlt man sich beim Kauf besser, wenn man glaubt, ein nachhaltiges Produkt gekauft zu haben, zumal das Interesse an Nachhaltigkeit bei den Konsument:innen in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist und das an Klimaschutz so hoch ist wie wohl noch nie zuvor.

Es ist schwer, Ratschläge zu geben, die Erfolg garantieren. Auf lange Sicht muss sich an den Richtlinien für die Konzerne vieles ändern, um den Planeten und somit das Klima weitreichend zu schonen. Wir müssen uns selbst als Konsument:innen in die Verantwortung nehmen und uns darüber bewusst werden, dass wir eine Mitverantwortung tragen. Viel wichtiger ist es allerdings, unsere bürgerlichen Rechte auszunutzen und die Bildung einer klimabewussteren Regierung anzustreben und aktiv mitzubeeinflussen. Wir müssen die Politik zur Verantwortung ziehen und fordern, dass Worten Taten folgen.

Man sagt „Wissen ist Macht“. Unsere Möglichkeiten, Wissen anzuhäufen und Informationen zu sammeln, sind in diesen Zeiten fast unbegrenzt. Und nur, wer informiert ist, kann den Status Quo in Frage stellen und andere, bessere Entscheidungen treffen. Ob das nun im Supermarkt ist oder bei der nächsten Bundestagswahl.

Quellen

  • https://www.deutschlandfunkkultur.de/greenwashing-wie-wir-uns-gegen-gruene-luegen-wehren-koennen.1270.de.html?dram:article_id=414462
  • https://www.klimareporter.de/finanzen-wirtschaft/greenwashing-im-supermarkt
  • https://www.quarks.de/umwelt/klimawandel/darum-ist-greenwashing-ein-problem/
  • https://www.verbraucherschutz.com/ratgeber/greenwashing-den-betrug-mit-der-umwelt-erkennen-und-vermeiden/