Den Griff nach den Sternen leicht gemacht

Von Maximilian Hirt und Friederike Schmidt

Der Blick hinauf zu den Sternen ist nicht nur etwas für Romantiker und Träumer. Schon seit Anbeginn unserer Geschichte fasziniert uns der Nachthimmel mit seinen Planeten und Trabanten. Heute ist das All allem voran ein Ort der Forschung, denn viele Geheimnisse unseres Universums sind uns noch immer verborgen. Und das, was die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits entdeckt haben, ist für uns Laien oftmals kompliziert und nur schwer nachzuvollziehen. Marius Schwinning und der Verein Yuri’s Night Deutschland e.V. schaffen da Abhilfe – auf eine ganz ungewöhnliche Weise.

Wir treffen Marius Schwinning im Raumfahrtzentrum Baden-Württemberg auf dem Universitätscampus in Vaihingen und lassen uns von ihm durch das futuristisch anmutende Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) navigieren. Dass hier Wissen vermittelt und an spannenden Fragen gearbeitet wird, ist auf dem gesamten Campusgelände allgegenwärtig. Zwischen der prestigeträchtigen Forschung am IRS haben wir jedoch auch einen kleinen Verein mit dem Namen „Yuri’s Night Deutschland e.V.” entdeckt. „Wir wollen die Faszination am Weltraum und an der Raumfahrt vermitteln”, fasst Marius Schwinning die Mission der Yuri’s Night zusammen.

Seit 2013 promoviert Schwinning am Stuttgarter Raumfahrtinstitut. Genauso lange ist er auch im Vorstand des deutschen Ablegers des Vereins, der sich „die Förderung der kulturellen Aspekte der Raumfahrt, ihrer Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit, sowie die Unterstützung und Vernetzung einer Gemeinschaft von in der Raumfahrt tätigen Personen und interessiertem Nachwuchs“ auf die Fahnen geschrieben hat. So steht es zumindest etwas sperrig auf der Website von Yuri’s Night, wird jedoch von Schwinning und den Vereinsmitgliedern seit der Gründung 2013 kreativ und sehr greifbar umgesetzt: „Wir feiern Yuri Gagarin, den ersten Mensch im Weltall”, ist die Kurzversion von Marius Schwinning zur jährlich, rund um den 12. April wiederkehrenden Veranstaltung, die im Stuttgarter Planetarium und im Kölner Odysseum stattfindet. Der Aufbruch der ersten bemannten Raummission wird dann vom Verein selbst, aber auch von mehr als 1.000 Besuchern gebührend gefeiert. Sie können dann einen Tag lang spielerisch die Raumfahrt und den Weltraum erkunden. Sei es beim Weltraumkofferpacken, Raketenbasteln, dem Mondrover folgen oder einfach einmal die Sojus-Kapsel an die ISS andocken: Für Weltraumfans holt die Yuri’s Night an diesem Tag wortwörtlich die Sterne vom Himmel.

Das Basteln einer eigenen Rakete - eines der vielen Angebote für Kinder auf der Yuri’s Night 2018 (Foto: Facebook: YurisNightDE)

Das Basteln einer eigenen Rakete – eines der vielen Angebote für Kinder auf der Yuri’s Night 2018 (Foto: Facebook: YurisNightDE)

Der Schwerpunkt liegt dabei auf Kindern und Jugendlichen und auf dem Mitmach-Aspekt. „Um die nächste Generation von Raumfahrern und Ingenieuren zu begeistern und zu inspirieren”, erklärt Marius Schwinning und lacht. Es sei sehr schön, an diesem Tag so viele begeisterte Menschen und vor allem faszinierte Kinderaugen zu sehen. Doch die Yuri’s Night wird nicht überall auf der Welt gleich zelebriert. Während sich der Jahrestag der spektakulären Raumfahrt von Gagarin in Russland zu einem staatlichen Feiertag entwickelt hat, finden in zwischenzeitlich 50 Ländern auf der Erde die World Space Partys der Yuri’s Night statt. Bei der Gestaltung des Events sind die Vereinsableger frei. So kann sich die Feier wie in Stuttgart und Köln an Kinder und Jugendliche richten. In anderen Städten sind es Tanz-Parties, Picknicks oder der symbolische Toast an den Weltraumpionier in einer Forschungsstation am Südpol. Mitgefeiert wird sogar auf der Internationalen Raumstation ISS sowie im Internet als „Second Life Yuri’s Night”. „Die Yuri’s Night geht also über viele Grenzen hinweg”, erklärt Schwinning. Das Zusammenrücken auf dem gemeinsamen Heimatplaneten ergänzt so die Wissenschaftskommunikation des Vereins.

Marius Schwinning bei der Yuri’s Night 2018 (Foto: Facebook: YurisNightDE)

Marius Schwinning bei der Yuri’s Night 2018 (Foto: Facebook: YurisNightDE)

Dass auch Schwinning selbst schon seit vielen Jahren für seinen Forschungsbereich brennt, ist nicht zu übersehen: „Der Ursprung meiner eigenen Faszination lässt sich ganz klassisch erzählen, mit der Geschichte vom Vater und dem Sohn, die gemeinsam den Nachthimmel beobachten”, erzählt der Stuttgarter Doktorand und muss selbst schmunzeln. „Wir wissen zwar mittlerweile, dass die Erde eine Kugel ist, aber wenn wir uns auf der Erdoberfläche bewegen, können wir davon nichts sehen.” Der Wunsch, den eigenen Planeten einmal vom All aus zu betrachten oder zumindest an der Weltraumforschung mitzuwirken, sei dann über die Jahre immer präsent gewesen und mitgewachsen.

So wie Marius Schwinninig damals geht es auch heute einer großen Zahl anderer Kinder und Jugendlicher. Und so habe die Forschung eigentlich keine Nachwuchsprobleme, berichtet der Doktorand. Denn die Branche sei zukunftsträchtig: „Es ist ja überhaupt erst ein geringer Bruchteil erforscht.” Daher gibt es eigentlich auch genug spannende Erkenntnisse und neue Forschungsergebnisse, die nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Allgemeinheit interessant sind: „Die Raumfahrt ist für jeden von uns eigentlich so elementar wie die Erfindung des Feuers”, stellt da auch Marius Schwinning fest. „Man muss nur einmal an GPS, Fernsehen, Mobiltelefone oder Internet denken. Das wäre ja alles ohne unsere Satelliten und somit auch ohne die Raumfahrt gar nicht möglich.”

Der spielerische Ansatz der Yuri’s Night hole sie, aber auch ihre Eltern viel mehr ab. „Yuri’s Night Deutschland e.V. geht es neben der Feier von Gagarins Aufbruch ins All natürlich auch darum, ein Bewusstsein, ein Grundverständnis und Interesse für den Weltraum und die Raumfahrt zu schaffen und gleichzeitig den bisherigen Leistungen in der Forschung einen Tribut zu zollen.” Der Griff nach den fernen Sternen wird mit Wissenschaft zum Anfassen für Jedermann ganz leicht.

Yuri’s Night 2019 (Foto: Facebook: YurisNightDE)

Yuri’s Night 2019 (Foto: Facebook: YurisNightDE)

„Uns ist es wichtig, mit der Yuri’s Night auch zu vermitteln, wo die nächsten Ziele in der Raumfahrt liegen”, erklärt uns Marius Schwinning weiter und seufzt, als wir ihn auf Elon Musk und dessen Raumfahrtunternehmen SpaceX ansprechen. Denn genau hier wird sichtbar, wo es an der Wissenschaftskommunikation noch hakt: „Jeder kennt Musk und seine Marsmission. Der Mars ist mit Sicherheit auch ein längerfristiges Ziel, aber tatsächlich geht die aktuelle Forschung ziemlich geschlossen gen Mond.” So ist die bemannte Mondmission – zwischenzeitlich von den USA auf 2024 terminiert – auch notwendig, um überhaupt zum Mars fliegen zu können. Denn eine Reise zu dem roten Planeten würde nicht nur mindestens eineinhalb Jahre benötigen, auch die Weltraumstrahlung ist aktuell noch zu riskant, um Menschen direkt dorthin zu schicken.

Sicher ist aber auf jeden Fall, dass es immer weitergeht. „Früher war es die Seefahrt, mit der die Menschen die Erde immer weiter entdeckt haben, heute ist es eben die Raumfahrt, mit der die Menschen noch viel weiterkommen können”, hält Marius Schwinning fest. Ob wir eines Tages die großen Fragen nach unserem Ursprung, fremdem Leben und unserer Zukunft beantworten können, liegt trotzdem noch lange und vielleicht sogar für immer für uns Menschen im Dunkeln. „Auf diese Fragen kann die Yuri’s Night natürlich auch nicht antworten”, sagt Schwinning lachend. „Aber ein bisschen Weltraumluft schnuppern und der Forschung ein bisschen näherkommen, das ist auch 2020 bei der nächsten Yuri’s Night wieder drin.”

Drei Fragen an Marius Schwinning

Wofür braucht es Wissenschaftskommunikation? Was bringt das der Wissenschaft? Was bringt das der Gesellschaft?

Wissenschaft und die Ergebnisse der Wissenschaft sind etwas, das alle Menschen betrifft. Nicht jedes Ergebnis ist für jeden von uns relevant, aber die generellen Ergebnisse betreffen uns alle. Zudem wird Vieles in der Forschung aus Steuermitteln finanziert und ich halte es für notwendig, zu kommunizieren, wofür Gelder verwendet werden und welche neuen Technologien vielleicht auch im Alltag aller Menschen bald relevant werden. Natürlich ist es außerdem auch wichtig, Nachwuchs für die Forschung zu finden. Das geht unter anderem, indem ich über spannende Themen und Ergebnisse informiere und so Interesse schaffe.

Der Wissenschaftsjournalismus hat existentielle Probleme. Verlage streichen Stellen. Honorare sind niedrig. Wäre ein Stiftungsmodell zur Unterstützung ratsam?

Ich könnte mir vorstellen, dass es eher wichtig ist, wie etwas kommuniziert und nicht, wie es finanziert wird. Ich denke mit Blick auf die Yuri’s Night, dass es Sinn macht, sich zu fragen, was die Leute interessiert und das dann zielgruppengerecht verpackt. Vieles ist oft sogar für Menschen wie mich, die sich leidenschaftlich gerne damit beschäftigen und einen wissenschaftlichen Hintergrund haben, sehr trocken.

Wenn es einen Joker gäbe, mit dem sie sich eine Frage zu unserem Universum beantworten lassen könnten, welche Frage wäre das?

Das ist keine leichte Entscheidung. Natürlich ist die Entstehungsfrage und die Frage nach dem, was „davor” war, interessant. Aber ich denke, ich würde fragen, ob und wo es im Universum noch Leben gibt. Wobei ich der festen Überzeugung bin, dass das so ist.

Zusätzliche Information

 
Yuri Gagarin

„Circling the Earth in my orbital spaceship I marveled at the beauty of our planet. People of the world, let us safeguard and enhance this beauty – not destroy it!“

Yuri Alexejewitsch Gagarin wurde 1934 in der Sowjetunion geboren. Nach einem Studium am Industrietechnikum in Saratow trat er als Pilot bei den Luftstreitkräften ein. 1960 wurde er aufgrund seines ruhigen Temperaments unter 20 Kandidaten ausgewählt und als Kosmonaut ausgebildet. Als erster Mensch im Weltraum umrundete er in 106 Minuten einmal die Erde. Acht Jahre später verunglückte Yuri Gagarin bei einem Übungsflug.

Marius Schwinning

Marius Schwinning wurde 1989 geboren. Nach dem Abitur in Opladen studierte er zuerst Luft- und Raumfahrttechnik an der FH Aachen, inklusive Praxissemester bei Airbus Defense and Space in Immenstaad. Anschließend folgte das Masterstudium an der Universität Stuttgart. Seit 2016 promoviert er dort am Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) und ist seither auch im Vorstand des „Yuri’s Night Deutschland e.V.“ Seine Forschungsschwerpunkte sind die Missionsanalyse und der Konzeptentwurf für zukünftige bemannte Raumstationen und planetare Plattformen sowie Untersuchungen zu zukünftigen, (un-)bemannten Mondmissionen.

Yuri’s Night

Der Jahrestag des Gagarin-Fluges wurde erstmals 1962 in der Sowjetunion gefeiert. Hieraus entstand ein staatlicher Feiertag, der seither jährlich begangen wird. Seit 2001 wird die Yuri’s Night auch in anderen Ländern mit verschiedenen Veranstaltungen gefeiert. Schon vor der Gründung des Vereins, fand die Yuri’s Night im Stuttgarter Planetarium statt. Mit dabei ist seit einiger Zeit auch eine Schwesterveranstaltung im Kölner Odysseum. Die Stuttgarter Yuri’s Night findet jährlich rund um den 12. April statt und ist kostenlos.

Ziel der Yuri’s Night in Deutschland ist es, junge Leute zu inspirieren, die Eroberung des Weltraums zu feiern und die Zukunft der Erde und des Weltraums gemeinsam zu gestalten. Dazu gehört auch, ihnen die Wissenschaft verständlich, spielerisch und greifbar näher zu bringen.

Wer selbst eine Yuri’s Night ausrichten will, kann die eigene Stadt beim Verein registrieren. Der Verein Yuri’s Night Deutschland e.V. organisiert außerhalb der Feier unregelmäßig kleinere Vorträge oder Veranstaltungen und war in diesem Jahr auch beim Wissenschaftsfestival (www.stuttgart.de/wissenschaftsfestival)  in Stuttgart vertreten.

Weitere Infos zur Yuri’s Night und zum Verein findet ihr unter www.yurisnight.de sowie in Facebook unter www.facebook.com/YurisNightDE/.

Zusätzlich zur Yuri’s Night wirkte Marius Schwinning bis 2019 am Space Station Design Workshop (SSDW) mit. Studenten aus der ganzen Welt können sich für den SSDW bewerben, um in zwei Teams eine Woche lang Konzepte für eine bemannte Raumstation zu entwerfen. Dabei kooperiert der Workshop mit Airbus, ESA, TESAT und dem DLR. Er findet jährlich statt und wird per Livestream im Internet übertragen.
Weitere Infos stehen im Internet unter: www.irs.uni-stuttgart.de/forschung/astronautik-und-raumstationen/ssdw