BBC versus ARD

von Sanja Döttling

Semesterferien sind Reisezeit. Weit reicht die Studentenkasse nicht, deshalb ging es nach England. Und da es dort bekanntlich viel regnet, verbrachte die reisende Medienwissenschaftsstudentin ihren Urlaub großteilig vor der Glotze. Gedanken zu den kleinen und großen Unterschieden zwischen dem englischen Hauptprogramm BBC und der deutschen öffentlich-rechtlichen Bastion ARD.

Ein Tag vor dem Fernseher

Sowohl BBC One als auch das Erste beginnen den Tag mit den unvermeidbaren Morgenmagazinen. Da wird gekocht, gebastelt und geredet. Um neun, wenn der normale Student langsam aus den Federn kommt, beginnt das Programm sich aber zu unterscheiden. Bis um eins mittags sendet die BBC One verschiedene Dokumentationen. Da geht es um Häuser, die renoviert werden, verschwundene Erben und Rettungsdienste. Das Erste hält mit den Daily-Soaps des vorherigen Tages dagegen, unterbrochen von fast stündlichen Tagesschau-Ausgaben. Ab ein Uhr ist in beiden Programmen Nachrichtenzeit, dann folgen im Ersten die neuen Folgen der Daily-Soaps „Sturm der Liebe“ und „Rote Rosen“. Dann ab in den Zoo, gefolgt von einer weiteren Dialy Soap. Den Vorabend schließt die leichte Krimi-Serie „Heiter bis tödlich“, in der es selten humorvoll zugeht. In der BBC wird der Nachmittag mit Spielesendungen auf dem Flohmarkt und Antiqutäten, einer Doku über Leute, die auf das Land ziehen, und Quizshows totgeschlagen.

In den Abend startet das Erste mit der deutschen Bastion Tagesschau ab acht, die bis heute das gesamte Abendprogramm in allen Sendern diktiert. Danach der Mittwochs-Film, dieses mal geht es um das Internet. Genau so gut könnte hier aber auch Volksmusik gesendet werden. Zum Schluss diskutiert noch Anne Will. In der BBC geht es abends weniger gehoben zu: Nach einer Koch-Castingshow gibt es eine Doku über Pompeji, danach ist Lachen bei einer Comedy-Sendung angesagt.

Wer hat’s erfunden?

Die BBC steht kurz für die British Broadcasting Corporation, die 1922 als Radiosender gegründet wurde. Er sollte von Staat und Werbung unabhängig sein, und wurde 1927 offiziell in den Dienst der Öffentlichkeit gestellt. Damit ist die BBC die erste öffentlich-rechtlich organisierte Rundfunkanstalt in Europa, auch wenn viele andere Länder sich nach ihrem Vorbild ebenfalls für dieses Modell entschieden haben. Seit 1936 werden auch Fernsehsendungen ausgestrahlt. Inzwischen umfasst das Programm die Hauptsender BBC One und BBC Two, sowie zusätzliche digitale Sender, Radiosender und internationale Angebote, die ihre Wurzeln noch in der Kolonialzeit von England haben.

Die BBC diente Deutschland nach Kriegsende als Vorbild für den Aufbau eines staatsunabhängigen Rundfunksystems, welches anfangs ausschließlich aus öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestand. Im Jahr 1945 gründete der Brite Hugh Greene den NWDR (Nordwestdeutschen Rundfunk) als ersten deutschen öffentlich-rechtlichen Radiosender. In den 50ern wurde aus ihm das Gemeinschafts-Fenrsehprogramm der Landesrundfunkanstalten, das bekannte „Erste deutsche Fernsehen“. Der Name ARD ist dabei eigentlich umgangssprachlich, der steht nämlich für die „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“, also für den Verbund aller öffentlich-rechtlicher Sender.

Wie funktioniert’s?

Die BBC sowie die ARD wollen von Werbung und Regierung unabhängig sein, werden deshalb weitestgehend über Rundfunkgebühren finanziert. Allerdings spielen heutzutage auch geringe Werbeeinnahmen eine Rolle, um die Gebühren niedrig zu halten. Doch da hören die Gemeinsamkeiten in der Organisation der beiden Sender auch schon wieder auf.

Die ARD ist eine Gemeinschaftproduktion der Landesrundfunkanstalten. Deren Größe bestimmt, wie viele Stunden sie im Ersten senden dürfen. Die Liste führt der WDR mit über vier Sendestunden an, gefolgt vom SWR an zweiter Stelle. Doch das Erste ist nur das erste Programm in einer langen Liste deutscher Fernsehsender. Auf der öffentlich-rechtlichen Seite kommt neben den Teilen der ARD (die Landesrundfunkanstalten und die digitalen Sender wie Eins Plus) auch noch das ZDF dazu. Es sollte das Programm der ARD ergänzen und erweitern, ist von der ARD aber eigentlich unabhängig. Weitere Konkurrenz erhält das Erste von den zahlreichen privat finanzieren Sendern.

Noch heute ist die BBC in England ungeschlagener Platzhirsch. Das kommt auch daher, dass die Konkurrenz durch Privatsender viel geringer ist als in Deutschland.

Das Programm

Die BBC legt ihr Hauptaugenmerk auf die Bildung der Zuschauer. Vielleicht wird der eine oder andere Student schon auf die synchronisierten Fassungen der BBC-Dokumentationen im  Fernsehen gestoßen sein. Doch es sind nicht nur die Dokumentationen, die um die Welt gehen. Die BBC ist in Großbritannien führend bei den Nachrichtensendungen, bringt Magazine zum aktuellen Geschehen und lässt sich auch bei der Produktion von Serien nicht lumpen. Im Hauptsender BBC One wird seit 1963 die Science-Fiction-Serie „Doctor Who“ ausgestrahlt, die in England Kultstatus erreicht hat. 2010 kam die Serie „Sherlock“ hinzu. Die Soap „EastEnders“ bereichert seit 1985 das Programm und stellt vier der fünf Zuschauerrekorde der BBC One. BBC One ist als Massenunterhaltung konzipiert, BBC Two als anspruchsvollerer Schwerpunkt dagegen gehalten. Insgesamt zeichnet sich die BBC aber vor allem durch aufwendige Dokumentationen, vielerlei innovative Serienformate und unzählige Comedy-Sendungen und Sitcoms aus.

Das erste Deutsche Fernsehen konzetriert sich nicht auf Massenunterhaltung wie der Sender BBC One. Hier geht es vor allem um harte Information. Nachrichtensendungen wie die Tagesschau, Magazine wie Monitor und Zapp sowie zahllose Talkshows mit unterschiedlichem Wert sorgen für die Infromation der Zuschauer. Dafür ist das Programm in Deutschland auch noch immer die erste Wahl. Doch im Unterhaltungssektor sieht das Programm des Ersten nicht mehr ganz so spitzenmäßig aus – vor allem, wenn es um junge Zuschauergruppen geht. Die humorvollen 20-Minuten-Sendeschnipsel sind entweder tief in die Nacht oder in die digitalen Sender verbannt worden, die Musiksendungen sind großteilig volksmusikgeprägt und die Dokumentationen wurden allesamt in den Zoo verlegt. Allerdings: Einige gute Serien hat das Erste zu bieten, man denke da an den Sonntagabend-Hit „Tatort“ oder das solide „Großstadtrevier“. Auch Soaps wie „Verbotene Liebe“, „Sturm der Liebe“ oder die „Lindenstraße“ sind fest im Programm verankert.

Dennoch wirkt das Programm des ersten deutschen Fernsehens im Vergleich doch eher eingestaubt. Wo sich die Briten ihren alten Hit „Doctor Who“ nehmen und völlig neu erfinden, dümpelt der Tatort seit Jahrzehnten vor sich hin, mit hohem Buget und oft unterdurchschnittlichen Fällen (Ausnahme: Münster). Und überhaupt wirkt das deutsche Prgramm eher angestaubt – und humorlos. Liegt das an der langen Gewöhnung oder doch an dem kleinen Vorsprung, den die BBC in der Programmkonzeption inne hat? Ein Lichtblick: Immerhin hat das Erste die Sendung „Sherlock“ von der BBC gekauft und in Deutschland ausgestrahlt.

Foto: flickr.com/Daniel Y. Go (CC BY-NC 2.0)

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